Peter Pilz wird sein Mandat am kommenden Donnerstag nicht annehmen.

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Wien – Unter großem Medienandrang gab Peter Pilz, Gründer seiner eigenen Liste und Abgeordneter, am Samstagvormittag im Wiener Café Landtmann bekannt, dass er sein Mandat nicht annehmen wird. Bevor der Ex-Grüne zu den Vorwürfen wegen sexueller Belästigung Stellung nahm, musste er sich zwischen den vielen Kameraleuten durchkämpfen. In einem langen Statement holte der Langzeitpolitiker zunächst zu heftigen Vorwürfen gegen seine Ex-Partei aus, ehe er auch selbstkritische Töne anschlug.

Die Rücktrittspressekonferenz von Peter Pilz.
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Denn was die Belästigungsvorwürfe einer grünen Mitarbeiterin betrifft, sieht sich Pilz als Opfer. Mit Beginn 2016 habe es eine entsprechende Beschwerde bei der Gleichbehandlungsanwaltschaft gegeben – und seitdem habe er sich bemüht, über die Vorhalte informiert zu werden, sagte Pilz. Später auch deswegen, um dagegen zivilrechtlich vorgehen zu können. Doch ohne Erfolg. Deswegen habe er für eine Klage nichts in der Hand gehabt.

Hintergrund: Am Samstag zitierte Profil aus einem mit 27. Jänner 2016 datierten Schreiben der Gleichbehandlungsanwaltschaft an die Geschäftsführung des grünen Klubs im Parlament. Darin heißt es laut dem Nachrichtenmagazin, dass es "schon zu Beginn des Arbeitsverhältnisses zu ersten Avancen und Kussversuchen bei einem Abendessen gekommen sei". Weiters soll Pilz die Mitarbeiterin zu Spaziergängen und einem Ausflug auf seine Almhütte eingeladen haben. Ein andermal habe Pilz die Frau laut Profil zu einer Reise nach Paris eingeladen. Dazu seien schlüpfrige Kommentare gefallen wie: "Was hilft das Höschen aus Paris, ist das Mädchen drunter mies." Deswegen sei die Gleichbehandlungsanwaltschaft zu dem Schluss gekommen, dass "die äußerst glaubhaft geschilderten Verhaltensweisen nach unserer Beurteilung die Tatbestände der sexuellen Belästigung erfüllen".

Pilz weist Vokabular zurück

Pilz selbst wies bei der Pressekonferenz die einzelnen Vorhalte zurück – und hielt fest, dass die geäußerten Vorwürfe nicht überprüft worden sind. Tatsächlich ist der Fall auf Wunsch der Mitarbeiterin nicht ausjudiziert worden. Dabei wies Pilz vor allem einen Bericht der Presse zurück, dass er die Frau mit den Worten "Schatzi, pack dein Höschen ein, wir fahren auf Urlaub" belästigt habe – "dieser Satz ist eine reine Erfindung", sagte er, deswegen werde er sich dagegen zu Wehr setzen. Auch dass in diesem Fall ein "ewiges Ruhen" vereinbart worden sei, qualifizierte er als Falschmeldung. Vielmehr habe er immer ein öffentliches Verfahren gefordert, was er auch mit E-Mails und Tagebucheintragungen belegen könne.

Pilz beklagte auch, dass er nicht wie in einem Rechtsstaat behandelt worden sei, denn die Voraussetzung, um von den Grünen über die konkreten Vorwürfe informiert zu werden, wäre ein Schuldeingeständnis gewesen, wie er sagte. Im STANDARD-Gespräch erklärt Noch-Grünen-Klubchef Albert Steinhauser jedoch, dass Pilz die Vorwürfe Punkt für Punkt vorgelesen worden seien.

Nach Pilz' Version sei die Mitarbeiterin "sehr ehrgeizig" gewesen und habe mehrmals um Beförderung zur Referentin ersucht. Als er dies verweigert habe, habe die Frau mit Arbeitsverweigerung gedroht, worauf sie über eine mögliche Kündigung aufgeklärt worden sei. Danach sei die Mitarbeiterin in den Krankenstand gegangen, und später habe ihn die damalige Parteichefin Eva Glawischnig darüber informiert, dass eine Beschwerde bei der Gleichbehandlungsanwaltschaft vorliege.

Attacken gegen Grüne

Heftige Kritik übte Pilz an den Grünen, die ihm nach seinem Scheitern bei der Listenerstellung trotz der Vorwürfe angeboten hätten, einen Vorzugsstimmen-Wahlkampf zu führen. Was seien die Maßstäbe dieser Partei, fragte er – "ich komm' da nicht mit!". Denn so jemand hätte auf einem grünen Listenplatz nichts verloren gehabt. Und dazu fragte der Parteigründer mit vorwurfsvollem Ton in Richtung seiner ehemaligen Partei: "Fallen mit den Mandaten und mit den Jobs auch die Hemmungen weg?"

Innerhalb der Liste Pilz habe es ab einem bestimmen Zeitpunkt Informationen, aber nicht über jedes Detail der Vorwürfe gegeben. Er habe in diesen Vorwürfen jedenfalls keinen Grund gesehen, sein Mandat nicht anzunehmen.

"Falter"-Bericht als Rücktrittsgrund

Als konkreten Rücktrittsgrund nannte Pilz einen Bericht des Falter von Samstagfrüh, wonach er beim Forum Alpbach 2013 eine Frau, konkret eine Mitarbeiterin der Europäischen Volkspartei, vor Zeugen begrapscht haben soll. Er selbst könne sich zwar an nichts erinnern, aber er vertraue Chefredakteur Florian Klenk, der ihm versichert habe, dass es diese Zeugen gebe. Deswegen werde er, Pilz, nun alles daransetzen, auch diesen zweiten Fall aufzuklären, "wo ich einer Frau womöglich Unrecht getan habe". Der Banker Christian Niedermüller und der Chef der Wiener SPÖ-"Sektion ohne Namen", Oliver Stauber, sollen die Zeugen des Vorfalls gewesen sein.

Dazu bedauerte Pilz, nun sein Mandat nicht anzunehmen, ohne die genauen Details zu kennen – doch er drückte auch Bedauern gegenüber seinen Mitstreitern im Nationalratswahlkampf aus und gegenüber seiner Frau "und allen, die mir vertraut haben". Offenbar müssten "mächtige Männer" wie er etwas dazulernen. Denn es gehe nicht nur darum, was die Absichten seien, sondern auch darum, wie das ankomme. Er selbst räumte ein, nie ein besonders politisch korrekter Mensch gewesen zu sein.

Seinen Klub im Nationalrat will Pilz von außen zwar weiter unterstützen, aber nicht ins Parlament einziehen: "Die können das auch ohne mich machen." Samstagnachmittag wollte er mit seinen neuen Mitstreitern die neue Lage besprechen.

Von den Vorwürfen der Klubmitarbeiterin hätten die Abgeordneten Wolfgang Zinggl und Bruno Rossmann von Anfang an gewusst, aber auch die Ex-Grüne Daniela Musiol, die ihn in der Sache stets unterstützt habe, und natürlich Anwalt Alfred Noll, an den er sich in der Causa gewandt habe. Zur Entkräftung kündigte Pilz an, gerichtlich gegen die Anschuldigungen vorzugehen.

Grünes Pochen auf Verschwiegenheitspflicht

Die Mitarbeiterin bei den Grünen habe sich dagegen entschieden, den Fall vor die Gleichbehandlungskomission zu bringen, hielt Steinhauser am Samstag im STANDARD-Gespräch fest, der noch bis 9. November Klubobmann der Grünen ist. Auf ihre Bitte hin seien die Grünen zur Verschwiegenheit verpflichtet gewesen. "Wir wollten den Abgeordnetenklub informieren, aber auch das war nicht möglich", so Steinhauser. "Das Recht hat sie natürlich." Der Arbeitgeber sei an die Verschwiegenheitspflicht gebunden, habe es von allen Anwälten geheißen.

Von einer anwaltlichen Einigung in dem Fall der Mitarbeiterin weiß auch Steinhauser nichts. Behauptungen, wonach Pilz nie schriftlich über die konkreten Vorfälle informiert wurde, entkräftet Steinhauser. Auf Wunsch der Betroffenen sei das nicht geschehen, man habe Pilz aber alles vorgelesen, er habe sich Notizen machen können. Der Klub habe ihn um eine Stellungnahme gebeten, die er aber nie bekommen habe.

Krisensitzung vor Einzug ins Parlament

Die politischen Folgen des Pilz-Rücktritts.
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Die neuen Mitstreiter des Ex-Grünen berieten am Nachmittag über den parlamentarischen Abgang ihres Listenchefs – offen war etwa, wer den Klub anführen soll. "Wir müssen uns völlig neu organisieren", sagte Konsumentenschützer und Neo-Mandatar Peter Kolba zur APA. Da Pilz sein Mandat nicht annehmen wird, wird Martha Bißmann in den Nationalrat einziehen. Sie war 2016 als Kampagnenmanagerin bei Irmgard Griss tätig, die jetzt für die Neos im Hohen Haus Platz nimmt. Die Liste Pilz hat dann übrigens mit 50 Prozent die höchste Frauenquote – insgesamt steigt sie im Nationalrat auf genau ein Drittel. (Lisa Kogelnik, Nina Weißensteiner, 4.11.2017)