Im Badezimmer des Großvaters gab es eine Sitzbadewanne auf vier Füßen. Hockte man nach einem akrobatischen Akt auf dem Grund der Wanne, war es möglich, bis zum Hals ins Wasser einzutauchen, wobei die Wadeln in dieser Position über den Wannenrand baumelten. Sie lugten unter einem klebrigen Duschvorhang hervor. Die Fliesen des Bades waren weiß, über dem Waschbecken hing ein Alibert, und die Klospülung toste wie ein Meeresschlund bei Kap Hoorn, nachdem man einen Holzzapfen nach unten zog. Da sich der Großvater sonst (fast) nichts gönnte, schaffte er sich irgendwann ein neues Bad an, mit viel Marmor, zwei Waschbecken, riesigen Spiegeln und einer Toilettenspülung mit eingebauter Bidetdüse, was so manche Gäste nach dem Betätigen derselben zum fluchtartigen Verlassen des Häusels veranlasste. Das Bad hat ihnen trotzdem gefallen. Vor allem die beheizten Handtuchhalter.

Die Geschichte erzählt von keinem Einzelschicksal. Längst sind Badezimmer nicht mehr nur Nasszellen zur schnellen Körperhygiene mit ein bisschen Gurgeln nach dem Zähneputzen. Und doch war der Weg wie beim Großvater ein langer, vor allem wenn man sich vergegenwärtigt, dass 1948 in Europa nur knapp die Hälfte der Bevölkerung über ein Bad verfügten.

Von Wellnessoasen ist heute gern die Rede, von Recreation-Zonen und Private Spas. Sooft man diese Begriffe auch liest, unterm Strich sind diese Traumbäder, die wie moderne Thermen inszeniert sind, eher Ausnahmen in Hochglanzproduktanzeigen. Dennoch veränderte sich das Bad stetig und wird immer mehr auch zum Lebensraum.

Freistehende Wanne: Bad von Tesseraux + Partner
Foto: Chrisobenh Sagel

Erlaubt ist heute vieles, was gefällt, vorausgesetzt, es macht Sinn, denn das Bad ist eine komplexe Angelegenheit, müssen doch die verschiedensten technischen Funktionen unter einen Hut gebracht werden, was Andy Warhol wahrscheinlich weniger bedachte, als er sein Bad mit Alufolie auskleidete und mit silberner Farbe besprühte.

Holz und Tapete

Vor allem dank neuer Materialverabeitungstechnologien spielt das moderne Bad viele Stückeln. War es früher ein Reich der Fliesen, kommen heute im Bad die verschiedensten Materialien zum Einsatz: Holz, Stein, freilich Metall, Glas, Nasstapeten, aber auch Hightech-Textilien und Kunststoffe. Farben heißen nicht mehr Weiß oder Blau, sondern im Falle der Waschbecken der Designerin Gesa Hansen, welche sie für Villeroy & Boch entworfen hat, Mint, Sencha oder Mustard.

Ebenso im Badezimmer angekommen ist das Thema "Smart Living". Von selbstspülenden und höhenverstellbaren Toiletten hört man, aber auch von digitalem Verbrühschutz, selbstreinigenden Klinken, von technischen Installationen, die den Wasserverbrauch messen und dem Benutzer aufschlussreiche Werte darüber liefern.

Und natürlich machen auch neue räumliche Konzepte von sich reden, Grundrisse auf kleinem Raum, die Mehrwertfunktionen zulassen, liegt doch die durchschnittliche Raumfläche im Bad nur bei sechs Quadratmetern.

Dass das Badezimmer nicht sonderlich wachsen wird, weiß auch Marc Viardot, neuer Österreich-Vorstand der Marke Laufen. "Ich denke, die Größe ist zweitrangig, allein deshalb schon, weil auch die Wohnräume nicht größer werden. Die Frage ist, wie man den Wohlfühlfaktor steigern kann, und da denke ich in erster Linie an softere und haptischere Materialien, also weg von der Fliese, vielleicht hin zu einer Tapete." Bei den sanitären Objekten setzt man bei Laufen auf eine Neuentwicklung ihrer Keramikabteilung, die es ermöglicht, den fixen Objekten ihre Schwere zu nehmen. Dies gelingt, indem die neue Keramik sehr viel dünnere Wandstärken und Radien erlaubt. "Dies ergibt ganz andere Proportionen und passt viel besser in kleine Räume", so Viardot. Schließlich wachsen auch die Ansprüche in eine Richtung, in der das Bad im Zeitalter von "Work Life Balance" auch als Zufluchtsstätte herhalten soll.

Auch so geht Bad: Einen neuen Ansatz zum Thema finden die Designer Rui Pereira und Ryosuke Fukusada. Sie kombinieren Kork, Terrakotta und Hightechfliesen, freistehende Elemente bringen eine ungewohnt leichte Atmosphäre ins Badezimmer.
Foto: Von Rui Pereira & Rysouke Fukusada, Fotografie von Alfredo Dante Vallesi aus "Baden Baden", Copyright Gestalten 2017

Andreas Dornbracht vom Weltmarktführer im Bereich Premium-Armaturen und -Accessoires für Bad und Küche geht einen Schritt weiter und spricht von Hydrotherapie. "Es geht heute um Anwendungen, die einen Mehrwert bieten, zum Beispiel ein Gießrohr zu entwickeln, das den Druck aus dem Wasser nimmt und einen Wasserfilm um Arme und Beine legt. Das verstärkt die Wirkung des Wassers. Wir arbeiten mit Physiotherapeuten und Sportmedizinern an wirkungsvolleren Anwendungen."

War man früher froh, dass überhaupt noch warmes Wasser im Boiler war, spricht man heute von "Softstrahl", "Pearlstream", "Normalstream" und "gebündeltem Schwall", ganz zu schweigen von der "Regendusche". Kommt man Dornbracht mit dem Argument des mangelnden Raumangebots für so manche Luxuswasserstelle, entgegnet man dort: "Bei uns gibt es ein Konzept, ein "Small size premium Spa" für eine Größe von sechs Quadratmetern mit mehreren Funktionen.

Entklemmung

Viel dazu beigetragen, dass das Bad heute mehr als Wohnraum verstanden wird, hat auch eine dem Zeitgeist geschuldete Entklemmung. Die Sache mit der Intimität sieht man heute nicht mehr ganz so streng wie zu Zeiten des Großvaters.

Designer Roberto Palomba zum Beispiel, er entwarf zahlreiche preisgekrönte Bäder, denkt an die Badezimmerszene aus Stanley Kubricks Film "Eyes Wide Shut", in der Nicole Kidman auf der Toilette sitzt, pinkelt und Tom Cruise neben ihr steht. "Seit den 1960er-Jahren haben wir ein anderes Empfinden, was Intimität betrifft.

ricky spanish

Heute geht es beim Bad auch um einen Raum, in dem zwei Menschen sehr intime Dinge tun", sagt der Italiener, der in Sachen Badezimmer empfiehlt, dieses so einfach wie möglich zu gestalten, allein schon deshalb, weil man es nicht umstellen kann wie ein Wohnzimmer. Dabei ist Palomba bewusst, dass das Badezimmer oft zu klein ist und nichts mit den Räumen zu tun hat, wie sie in den Katalogen angepriesen werden. "Das ist Show", schimpft er und weist darauf hin, dass Wellness etwas ganz anderes bedeutet als ein Private Spa. "Wellness ist eine warme Dusche am frühen Morgen, ein heißes Bad nach einem kalten Tag, bei offenem Fenster die Zähne putzen, sich das Haar richten, seine Falten betrachten und sagen: 'Ist schon okay ...'" (Michael Hausenblas, RONDO, 14.11.2017)


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