Tagsüber kümmert sich Walter Fraueneder um 23 Brausen. Abends geht's in die Badewanne – mit Badezusätzen und der richtigen Lichtstimmung.

Foto: Nathan Murrell

Natürlich dusche ich auch hier im Volksbad. Jeden Tag nach der Arbeit. Die Duschen unterscheiden sich so gut wie gar nicht, da gibt's also keine Präferenzen.

Ich bin schon seit zwölf Jahren im Volksbad mitten in Ottakring, nicht weit vom Brunnenmarkt. Davor arbeitete ich acht Jahre im Jörger-Bad. Meine offizielle Berufsbezeichnung ist Bademeister-Kassier. Brausewart kann man auch sagen. 1897 stand an dieser Stelle das Thalia-Bad, das in den 1920er-Jahren saniert wurde. Damals gab es auch eine russische Sauna und sogenannte Tröpferlbäder, bei denen sich die Wasserreservoirs meist in einem oberen Geschoß befanden. Bei großem Andrang floss das Wasser nur noch spärlich aus den Brausen. So kamen die Bäder zu ihrem Namen Tröpferlbad. Irgendwann wurde alles niedergerissen und seit dem Jahr 1997 gibt's uns hier in einer kleinen Version. Wir verfügen über 23 Brausen. Die Atmosphäre ist für viele überraschend. Es gibt viel Freundlichkeit und Sauberkeit. Und fein warm ist es auch.

Die Kundschaft, die zu uns kommt, hat eine Stunde Zeit zum Duschen. Dafür zahlt sie 2,40 Euro. Kinder sind frei. Darum besuchen uns auch Familien mit mehreren Kindern, die zu Hause zwar ein Bad haben, aber hier natürlich um einiges günstiger davonkommen.

Wenn es die Zeit zulässt, wird getratscht, schließlich kenn ich mittlerweile 90 Prozent meiner Gäste. Zur Klientel gehören viele ältere Menschen, die zu Hause vielleicht eine Dusche haben, sich aber hier gut aufgehoben fühlen. Sie wissen, dass jemand für sie da ist, falls etwas passieren sollte. Unser ältester Badegast ist immerhin 97. Von manchen kenne ich das halbe Leben. Klar könnt ich Geschichten erzählen. Ewig in Erinnerung bleibt mir der Besuch eines älteren Herrn an einem Samstagmorgen. Er kam ins Bad, ich fragte ihn, was ich für ihn tun könne. Er bestellte ein Bier. Nachdem ich ihm sagte, dass es das hier nicht gibt, orderte er einen Gespritzten, worauf ich ihn informierte, dass es hier nur Wasser gäbe. Nein, er hat nicht geduscht, sondern sich freundlich verabschiedet, eher er weiterzog.

Haarefärben verboten

Mir macht der Umgang mit den Menschen Spaß. So gesehen sind wir natürlich auch eine soziale Einrichtung. Zahlen darf ich nicht verraten, aber manchmal ist es hier richtig voll. Probleme gibt es nicht. Solange man sich an die Badeordnung hält. Lärm machen ist verboten, Haarefärben auch.

Wie lange es solche Institutionen noch geben wird, kann ich nicht sagen. Wenn ich das wüsste, würde ich wahrscheinlich nicht hier sitzen. Eine Zeitlang wird's schon noch so weitergehen, es gibt ja noch immer relativ viele Substandardwohnungen.

Eigentlich bin ich zufällig zur MA 44 gekommen, aber man kann schon sagen, dass ich Wasser liebe. In jeder Form. Klar dusche ich auch zu Hause. Und meine Badewanne mag ich auch. Was der Unterschied ist? Duschen ist schnelles Saubermachen. Baden bedeutet relaxen. Zu einem Bad gehören Kerzen, meditative Musik, Badezusätze von Lavendel über Vanille bis hin zu Eukalyptus . Ich bleib in der Wanne, bis das Wasser kalt ist. Das dauert zwischen einer halben und einer Dreiviertelstunde. Nein, ich gehöre nicht zu dem Typus, der heißes Wasser nachrinnen lässt.

Mit meinem Badezimmer zu Hause bin ich sehr zufrieden. Es ist behindertengerecht ausgestattet, falls etwas sein sollte, wenn ich einmal alt bin. Die Atmosphäre passt auch. Zu dieser gehören der Raumduft und das richtige Licht. Ich kann das Licht in meinem Bad je nach Stimmung verändern. Sogar per Fernbedienung. Was ich in Sachen Baden empfehle, ist unbedingt mit dem Storchenschritt in die Wanne zu steigen. Mit den Zehenspitzen zuerst. Nicht mit dem ganzen Fuß. Probieren Sie es aus! (Michael Hausenblas, RONDO, 10.11.2017)