Sie sind Zwillingsschwestern, kommen aus Colorado, haben haselnussbraune Haare und treten in die Fußstapfen der erfolgreichen Hadid-Schwestern. Die beiden US-Models Taylor und Mackinley Hill sind nicht nur schön, lang und dünn, sie haben auch Millionen Fans auf Instagram. Die eine hat es in Unterwäsche für das Label Victoria's Secret zu Berühmtheit gebracht, die andere ist noch nicht ganz so erfahren, bringt es aber immerhin auf über 160.000 Follower auf der Social-Media-Plattform.

Modelnde Insta-Girls werden von vielen Unternehmen umarmt. So auch die Hill-Schwestern: Die beiden jungen Frauen sind in diesem Herbst die Aushängeschilder des Unternehmens Karl Lagerfeld. Für die Kampagne mit dem doppelten Lottchen hat der Mann mit dem silberweißen Zopf, der Sonnenbrille und dem weißen Stehkragen höchstpersönlich auf den Auslöser gedrückt – wie bei Chanel und Fendi ist er der Kreativchef des Unternehmens.

Immerhin 4,2 Millionen Follower (halb so viele wie das Traditionshaus Fendi) hat das Label, das seit 2012 von Pier Paolo Righi geführt wird und seither Damen- wie Herrenkollektionen, Handtaschen wie Schuhe, die "ganz normale Produktrange einer Lifestyle-Marke verkauft", so Righi.

"Fashion-Rock-Icon"

Der Deutsch-italiener sitzt in der Weinbar des Palais Coburg in Wiens erstem Bezirk, im September hat der Shop des Labels am Kohlmarkt eröffnet. In den schwäbelnden Singsang des einstigen Nike-Managers mischen sich englische Vokabeln. Righi spricht von der "Fashion-Rock-Icon Karl", von "Footprints im Mittleren Osten", von "accessible price points" und, ja, vom Erfolgsrezept Coca-Cola. "Wenn man Cola trinkt, weiß man, dass drin ist, was draufsteht. Wenn Sie eine Lagerfeld-Tasche kaufen, dann steht da Karl Lagerfeld drauf, und es ist Karl Lagerfeld drin. Beides bekommt man zu einem erschwinglichen Preis", erklärt Righi, dessen Pariser Büro sich direkt neben dem des 84-jährigen Designers befindet. Mit ihm sei er regelmäßig in SMS-Kontakt: "Karl weiß genau, wie der neue Laden in Wien aussieht", sagt der Geschäftsführer. Er wird nicht müde zu betonen, wie viel Lagerfeld in der Firma steckt, wie involviert der Designer in die Unternehmung ist.

Diese Strategie ist unabdingbar, die "Fashion-Rock-Ikone" Karl soll den Kunden zum Greifen nah erscheinen. Die Message des Unternehmens: Um mit Karl auf Du und Du zu sein, braucht man kein teures Zeug von Chanel oder Fendi, eine schmale Clutch mit dem Kopf von Lagerfelds Hauskatze Choupette, ein weißes Hemd, eine Halskette mit "Karl"-Schriftzug, ein Paar Ballerinas mit Karl als Comicfigur genügten. Das Unternehmen vertraut auf die schillernde Persönlichkeit und Omnipräsenz seines Kreativchefs.

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"Wo Lagerfeld draufsteht, ist auch Lagerfeld drin": Manager Pier Paolo Righi (unten) setzt mit der Unternehmung Lagerfeld (oben der Designer) auf leicht verständliches und verkäufliches Design. Die Hill-Schwestern bewerben die Mode.
Fotos: Karl Lagerfeld, Reuters / Charles Platiau

Der dicke Lagerfeld von einst, der behäbige Mann mit dem Fächer ist in den prädigitalen Archiven verschwunden. Alles dreht sich um den rockigen Look, den die Kunstfigur Lagerfeld seit ihrer 3D-Diät Anfang der Nullerjahre verkörpert: schwarze schmale Hosen, Krawatten, 1001 Fingerringe. Der Erfolg scheint dem deutschen Geschäftsführer recht zu geben. Sogar der amerikanische Markt verlangt nach Karl.

Und der digitale Aktionismus der Marke? Er hat damit zu tun, dass der Neustart von Karl Lagerfeld in eine Zeit fiel, in der Online-Aktivitäten bereits ein Muss waren. 2012 startete man während der Pariser Haute-Couture-Woche mit einem Exklusiv-Verkauf beim Luxus-Online-Shop Net-à-Porter. Seither setzt das Label auf E-Commerce und Social Media, auf Aushängeschilder wie die Hill-Schwestern, auch wenn all das bedeute, "irre schnell sein zu müssen", so Righi. Die Netzaktivitäten machen sich bezahlt. Das Label kommt neben den älteren Chanel- und Karl-Lagerfeld-Fans bei den Millennials gut an. Von den 4,2 Millionen Fans auf Instagram ist der Großteil jünger als 25.

Designer-Glamour

Während viele Luxuskonzerne über Umsatzeinbrüche jammern, ist die Firma mit Sitz in Amsterdam und Paris nahezu unheimlich erfolgreich, mit erschwinglichen Handtaschen (sie kosten zwischen 200 und 500 Euro) und bunten Comic-Elementen. Die Kundschaft tütet den Glamour eines Designerlabels ein, muss aber keine Designerpreise (2000 Euro kann eine Designerhandtasche schon einmal kosten) dafür zahlen. Das schlägt sich in den Zahlen nieder. Rund 60 Prozent des Umsatzes macht das Unternehmen mit Handtaschen und Accessoires, 30 Prozent mit Mode, der Rest wird mit Brillen, Uhren und Sonstigem beziffert. Im letzten Jahr seien die Umsätze um 30 Prozent gewachsen, so der Geschäftsführer, in diesem Jahr erwartet man ähnliche Zuwächse.

Das war nicht unbedingt voraussehbar, denn nicht immer war dem Namen Karl Lagerfeld Erfolg beschieden. Schon Anfang der 1980er-Jahre versuchte der umtriebige deutsche Designer, mit einer eigenen Marke sein Image zu Geld zu machen. Es folgten Verkäufe, Konzeptänderungen, stete Namenswechsel, ein nahezu unüberschaubares Hin und Her: Neben der günstigeren Zweitlinie KL bei Karl Lagerfeld wurde 1998 die hochpreisige Marke Lagerfeld Gallery gegründet. 2005, mittlerweile im Besitz des Modekonzerns Tommy Hilfiger, wurde die Lagerfeld Gallery umbenannt in Lagerfeld Collection, 2010 dann der Entschluss, ein preisgünstigeres Konzept zu fahren.

Weißer Zopf, dunkle Sonnenbrille: Das Label Karl Lagerfeld vermarktet den Look des 84-jährigen Designers.
Foto: Karl Lagerfeld

Designer-Glamour zu günstigen Preisen, dass dieses Konzept derzeit funktioniert, haben Firmen wie Michael Kors oder Tory Burch bewiesen: Der US-Amerikaner hat mit leicht verkäuflichem Design und seinen Taschen ein Lifestyle-Imperium aufgebaut. Nicht anders tickt die Karl Lagerfeld Group B.V. Gerade wird die Hotelsparte zu einem eigenen Geschäftsfeld erweitert – es gibt wenig, was sich nicht in Lagerfelds Namen verkaufen ließe.

Aber wie lassen sich der Hype um den Designer und seine späte Karriere als Instagram-taugliche Comicfigur erklären? Lagerfeld ist mit 84 immerhin älter als die meisten Großväter der Millennials, schon länger wird über seine Nachfolge bei Chanel spekuliert. Und was passiert, wenn der Deutsche stirbt?

Righi wischt derlei Bedenken mit einer Handbewegung weg. Lagerfeld sei Lagerfeld und eine ganz eigene Kategorie. Die Marke werde auch den Designer überleben. Und bis es so weit sei, bleibe Lagerfeld trotz seines Alters ein Vorreiter oder, wie Righi das ausdrückt, "the leader of the pack": Als Lagerfeld vor elf Jahren mit H&M kooperiert habe, habe die Modewelt noch einen halben Herzinfarkt erlitten, erinnert Righi. Zuletzt ging Karl Lagerfeld eine Kooperation mit dem Sneaker-Hersteller Vans ein. Großen Wirbel machte sie nicht. Für die Millennials ist das eine Selbstverständlichkeit. (Anne Feldkamp, RONDO, 27.11.2017)


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