Proteste gegen die Steuervermeidung von Weltkonzernen vor einem Apple-Store in Paris.

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Die neuesten Enthüllungen der Steuerkonstrukte der großen Firmen und der Reichen ("Paradise Papers") zeigen einmal mehr, dass die bestehenden Steuergesetze nicht ausreichen, um Steuervermeidung gigantischen Ausmaßes zu verhindern. Spezialisierte Beratungskanzleien "optimieren" die Steuern der Mächtigen durch Ausnutzung der unterschiedlichen Gesetzgebungen in einzelnen Ländern. Das mag alles legal sein in dem Sinne, dass (meist) keine bestehenden Gesetze gebrochen werden, aber es zeigt eben genau die Schwäche jener Gesetze – und die Verantwortung der Politik.

Die Versuche der G20-Länder, der OECD und auch der EU, Teile dieser Steuervermeidung einzudämmen, zeigen aber auch die Schwächen dieser Versuche auf: Zwar ist es gelungen, zwischen Steuerbehörden Datenaustausch zu organisieren, aber viele vor allem schwächere Länder sind technisch-organisatorisch nicht in der Lage, mit dieser Datenflut etwas Sinnvolles anzufangen; zwar hat die OECD versucht, gemeinsame Verrechnungsstandards einzuführen, aber die USA als größte Wirtschaft tun da nicht mit, und die anderen Länder verzögern die Implementierung; zwar versucht sich die EU über das Beihilfenrecht (das keine Einstimmigkeit erfordert) in halbherzigen Bekämpfungsmaßnahmen, aber schon die Klassifizierung in "schädlichen" und "nicht schädlichen" Steuerwettbewerb zeigt, dass hier großer Verhandlungsspielraum der einzelnen Mitgliedstaaten besteht, ihre je eigenen Steuervergünstigungen herauszuhalten. Die Absurdität, in einem gemeinsamen Währungsraum, im Binnenmarkt einander durch Steuerbegünstigungen Investitionen abzujagen, wird erst gar nicht apostrophiert.

Einfluss der Wirtschaftslobbys

Und warum geht da nichs weiter? Wie gesagt, es geht um falsch verstandene "Standortkonkurrenz", die das eigene Land attraktiver machen will. Der Einfluss der Wirtschaftslobbys auf die Steuergesetzgebungen wird mit dem Rechtsruck immer größer: Wer die Macht hat, macht die Gesetze. Die Großen haben bisher verhindert, dass Gesetze an die heutigen Möglichkeiten, global freien Kapitalverkehr digital zu nutzen, angepasst werden. Der "Kollateralschaden", dass dadurch der gesellschaftliche Zusammenhalt zerbricht, wird zugunsten der je eigenen Steueroptimierung in Kauf genommen.

Und Österreich? Hier lobt man sich dafür, dass bisher nur zwei österreichische Namen in den Paradise-Files aufgetaucht sind: Also geht uns das Ganze nix an, wir sind ja sowieso Musterknaben. Vergessen sind der lange österreichische Kampf gegen den automatischen Informationsaustausch, die Rückzugsgefechte gegen die Aufhebung des Bankgeheimnisses, vergessen der Misserfolg des österreichischen Finanzministers, endlich die lange geforderte Finanztransaktionssteuer auf den Weg zu bringen. Einen Aufschrei der dafür "zuständigen" NGO Transparency International Austrian Chapter sucht man vergebens: Dort hat man sich von den diese Angelegenheiten verfolgenden Mitgliedern vor einiger Zeit im Zwist getrennt (der Autor dieser Zeilen war Teil jener Gruppe). (Kurt Bayer, 7.11.2017)