Spricht man über die Größen im Smartphone-Markt, so kommt man an Samsung und Apple eigentlich nicht vorbei. Der Hersteller mit dem obstigen Namen und Logo hat sich erfolgreich sein eigenes Ökosystem geschaffen und beherrscht damit rund 15 Prozent des weltweiten Geschäfts. Sein südkoreanischer Kontrahent kommt mit einer Vielzahl an Modellen auf einen noch einmal klar größeren Marktanteil, sieht sich aber auch zahlreichen direkten Konkurrenten ausgesetzt.

Einer davon, der in den vergangenen Jahre mit großen Schritten in die Weltspitze vorgedrungen ist, ist Huawei. Auch hier führt man allerlei Handys für unterschiedliche Ansprüche. Im Premium-Segment gibt es zwei Modelle, die Samsungs Galaxy-S- und Note-Reihe beziehungsweise Apples iPhones Paroli bieten sollen: die P- und die Mate-Serie. Letztere hat kürzlich mit dem Mate 10 ein Update bekommen. Insbesondere dessen Pro-Ausgabe soll zeigen, dass man den Marktführern etwas entgegenzusetzen hat. DER STANDARD hat das Gerät einem Test unterzogen.

Foto: derStandard.at/Pichler

Wasserfest, aber ohne Kopfhörerklinke

Einleitend ein paar Worte zu den Unterschieden zwischen Mate 10 und Mate 10 Pro. Die Hardware ist in weiten Teilen identisch. Beide setzen auf den Kirin-970-Chip, der von Huaweis eigener Tochterfirma Hisilicon hergestellt wird. Es handelt sich um eine Achtkern-CPU mit zwei Vierkernverbünden (4 x 2,4-GHz-Cortex-A73 und 4 x 1,8-GHz-Cortex-A53). Diese Aufstellung ist wiederum identisch mit dem Kirin 960, der etwa im Huawei P10 aus dem Frühjahr und dem Honor 9 steckt.

Er bietet allerdings eine stärkere Grafikeinheit und eine zusätzliche Recheneinheit für künstliche Intelligenz (Neural Network Processing Unit, NPU). Diese soll lernen, wie der Nutzer das Gerät verwendet, und entsprechend die Leistung optimieren können. Auch soll sie etwa der Kamerasoftware helfen zu erkennen, welches Motiv fotografiert wird, und entsprechend die Einstellungen für den Schnappschuss anpassen.

Während das Mate 10 "nur" spritzwasserfest ist, bringt das Mate 10 Pro IP67-Schutz, also Wasserdichtigkeit zu bis zu einem Meter Tiefe für wenigstens 30 Minuten, mit. Dazu gibt es ein Modell mit höherer Speicherausstattung (6 GB RAM, 128 GB Onboard) zur Auswahl und ein Display im beliebter werdenden 18:9-Format. Das führt zu einem schmaleren, länglicheren Handy, das sich leichter halten lässt. Dazu kommt anstelle eines LCD ein Amoled-Display zum Einsatz.

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Allerdings gibt es auch Unterschiede, die so gar nicht "pro" wirken. Nominell hat das Display mit sechs Zoll eine etwas größere Diagonale (statt 5,9 Zoll), mit 2.160 x 1.080 Pixel aber eine deutlich niedrigere Pixeldichte. Das normale Mate 10 setzt auf "Quad-HD", also 2.560 x 1.440 Pixel. Ob sich diese Differenz – beide Geräte liegen bei einer Dichte von über 400 Pixel pro Inch – wirklich sehen lässt, sei dahingestellt.

Was für einige Interessenten aber durchaus ins Gewicht fallen könnte: Das Mate 10 Pro spart auch den 3,5-mm-Klinkenstecker für Kopfhörer, Headsets und Lautsprecher aus. Es muss USB-C-Equipment – ein Headset liegt bei – oder ein Adapter genutzt werden.

Schmale Ränder, Premium-Look

Optisch geht das Mate 10 Pro in die Richtung, die man von vielen 2017er-Flaggschiffen kennt. Die Ränder wurden radikal verschlankt, was insbesondere an der Ober- und Unterseite zu erkennen ist. Eingepackt ist die Hardware in Metall und Glas. Auf der Rückseite liegt in einer schön anzusehenden, streifenförmigen Akzentuierung eine Doppelkamera mit Leica-Objektiven. Deren Einfassung steht rund einen halben Millimeter aus dem Gehäuse. Direkt darunter befindet sich der Fingerabdruckscanner, der beim Vorgänger noch unterhalb des Displays auf der Vorderseite platziert war.

Aufgrund der schmalen Abmessungen lässt sich das Smartphone gut halten, auch wenn aufgrund der schieren Größe des Displays an einhändige Bedienung kaum zu denken ist. Daran ändert auch der eigene Modus für Einhandbedienung nichts, der sich per Wisch über die Navigationsleiste ein- und ausschalten lässt. Es sei denn, man hat wirklich große Hände.

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Was man allerdings nicht tun sollte, ist, das Gerät auf eine glattere Oberfläche – dazu zählt auch schon ein normaler Holztisch – zu legen und unbeobachtet zu lassen. Ist die Unterlage nicht exakt waagrecht, begibt sich das Mate 10 nämlich auf gefährliche Wanderschaft.

Dieses kollateralen Problems des edlen Designs scheint sich auch Huawei bewusst zu sein, weswegen eine klare und gut sitzende Silikonhülle im Lieferumfang enthalten ist. Der Zusatzschutz erfüllt noch einen weiteren Zweck: Auf ihm sind Fingerabdrücke weniger sichtbar. Denn die spiegelnde Rückseite zieht diese an.

EMUI 8.0

Sieht man davon ab, dass es niedriger auflöst als das LCD-Panel des herkömmlichen Mate 10, so spielt das Display die bekannten Stückln der Amoled-Technik: kräftige Farbdarstellung, starke Kontraste und hohe Helligkeit. Auch bei der Reaktionszeit gibt es keinen Grund für Kritik. Filmfreunde dürfen sich über die Unterstützung von HDR10 freuen – oder auch über den integrierten Infrarot-Transceiver zur Steuerung des TV-Geräts und anderen Heimequipments.

Vorinstalliert ist Android 8.0 in Huaweis eigener Oberflächenadaption EMUI 8.0, die mit der neuesten Generation des Google-Betriebssystem damit eine Angleichung der Versionsnummer erfahren hat. Unter Android 7 war zuletzt noch EMUI 5.1 aktuell.

Gute Nutzung des 18:9-Displays: der Dualscreen-Modus.
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EMUI ist recht offenkundig von Apples iOS inspiriert, lässt sich aber stärker anpassen. Seit EMUI 5.1 haben Nutzer etwa die Möglichkeit, einen Appdrawer zu aktivieren, statt alle Apps über die Homescreens zu verteilen bzw. alles in Ordner zu stecken. Konfus ist immer noch die Anordnung des Konfigurationsmenüs. War der Punkt "Sprache und Eingabe", in dem man unter anderem Anzeigesprache und Tastatur einstellt, zuvor noch unter den "Erweiterten Einstellungen" begraben, ist er nun unter "System" zu finden.

In den Optionen eines unveränderten Android-Systems scheint er bereits in der Optionsübersicht auf. Immerhin, wer weiß, welche Einstellung er sucht, kann sich Irrfahrten durch Untermenüs dank Suchfunktion ersparen.

Sieht man von den Einstellungen und alternativen Icons ab, findet man sich als Android-Kenner aber prinzipiell flott zurecht. Bei allen andern Elementen entspricht man grundsätzlich dem gewohnten Konzept. Dazu werden durchaus interessante Features wie eine "Safe" für Dateien und Apps geboten, die man mit Fingerabdruck- oder Codesperre zusätzlich vor Fremdzugriff absichern an. Etwa wenn man sein Handy kurz verborgt. Apropos Fingerabdruckscanner: Der am Mate 10 Pro installierte Erkennungssensor arbeitet extrem schnell und zuverlässig.

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Flott unterwegs, aber nicht das größte Grafikwunder

Bei der Optimierung wurde ordentliche Arbeit geleistet. Es gibt keine auffälligen Ruckler in der Navigation. Apps werden flott installiert und starten auch schnell. Der Kirin-970-Prozessor lässt sich auch von eifrigem Multitasking nicht überfordern. Benchmarks untermauern den Eindruck. Mit über 170.000 Zählern beim Allroundtest mit Antutu rangiert das Mate 10 Pro auf dem Niveau des Galaxy Note 8. Mit 2.800 bis 3.000 Punkten im 3D Mark (Slingshot Extreme) schneidet er jedoch etwas schlechter ab als die meisten Konkurrenten mit dem Snapdragon 835 von Qualcomm. Deren Adreno-GPU dürfte dem ARM-Mali-Chip des Kirin-Soc um einen guten Deut überlegen sein.

Die Praxisrelevanz ist jedoch endenwollend. Reale Auswirkungen in Form von Bildruckeln oder anderweitigen Verzögerungen werden höchstens Spieler von grafisch extrem anspruchsvollen Games bemerken. Das durchaus hübsch anzusehende Rennspiel "Asphalt 8" ließ sich jedenfalls ohne Probleme spielen.

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Konkurrenzfähige Kamera

Bei der Kamera schließt das Mate 10 Pro dort an, wo Huawei dieses Jahr mit dem P10 angefangen hat. Wie beim ersten 2017er-Flaggschiff kombiniert man rückseitig einen 20-MP-Farbsensor mit einem 12-MP-Schwarz-Weiß-Sensor. Mit einer Apertur von f/1.6 (statt f/2.2) ist man allerdings ein gutes Stück lichtstärker unterwegs. Dazu gesellen sich optische Bildstabilisierung, ein Hybrid-Autofokus (Laser und Phase Detection, softwareseitig von Tiefen- und Kontrasterkennung gestützt) sowie ein Dual-Tone-LED-Blitz.

Die Qualität der Aufnahmen ist allerdings sowohl schwer mit dem P10, als auch mit jüngst erschienenen Geräten der Konkurrenz zu vergleichen. Denn sie wurden allesamt bei verhangenem Herbstwetter geschossen. Das erschwert nicht nur eine Beurteilung der dynamischen Bandbreite, sondern bedeutet allgemein erschwerte Bedingungen für die Kamera, der nur ein Teil des bei Schönwetter vorherrschenden Lichteinfalls zur Verfügung steht.

Unter den gegebenen Bedingungen schlägt sich die Kamera des Mate 10 Pro jedenfalls gut. Bilder werden flott ausgelöst, die Farben sind treffend, wenn auch wetterbedingt etwas fahl in der Abbildung. Das Detaillevel ist hoch, das Postprocessing neigt allerdings zu einer leichten Überschärfung des Ergebnisses. Makroaufnahmen gelingen auf wenige Zentimeter Distanz.

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Naturgemäß leidet die Qualität bei schwindendem Echtlicht, die Ergebnisse bleiben aber passabel. Es kommt beispielsweise auch unter reinem Kunstlicht (LED) nicht zu einem überbordenden Farbstich. Das Niveau der aktuellen iPhones oder des Samsung Note 8 erreicht man subjektiv zwar nicht, liegt aber bei Outdoorfotos sehr knapp dran und hält bei Kunstlicht sogar mit. Gelegentlich gibt es Probleme bei der Scharfstellung reflektierenden Oberflächen.

Zusatzmodi wie der Porträtmodus für stärkere Hintergrundunschärfe oder der künstliche 2x-Zoom arbeiten zuverlässig. Die Kamera-App setzt auf ein etwas ungewohntes Bedienkonzept, bietet aber zahlreiche Möglichkeiten. Wer will, kann nur mit einem der beiden Sensoren Bilder knipsen oder sämtliche Einstellungen manuell vornehmen. Videos können in "4K" (30 FPS) und Full-HD (1.920 x 1.080 Pixel, bis zu 60 FPS) aufgenommen werden.

Hunde- und Katzenerkennung

Die Kamera ist auch das einzige Feature, in dem der KI-Prozessor des Handys sichtbar wirksam wird. Nämlich in Form einer automatischen Szenenerkennung, die sich – sofern etwas erkannt wurde – nach dem Fokussieren eines Motivs mit einem kleinen Icon bemerkbar macht. Hier werden etwa Pflanzen-, Landschafts und Tieraufnahmen unterschieden, wobei das Mate 10 Pro sogar – Achtung, Killerfeature – eigene Szeneneinstellungen für Katzen und Hunde kennt. Der Mechanismus kann allerdings von Bildern in die Irre geführt werden, was im Alltag freilich irrelevant ist.

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Die Frontkamera ist mit einem Acht-Megapixel-Sensor bestückt. Auch hierfür bietet Huawei die Möglichkeit, Selfies mit künstlicher Tiefenunschärfe zu erstellen. Allerdings ist bereits an der Vorschau ersichtlich, dass die Erkennung der Konturen im Vordergrund längst nicht so gut klappt, wie bei der Hauptkamera. Davon abgesehen bietet die bildschirmseitige Kamera wirklich gute Qualität für ihre Klasse.

Mit der Verwendung der automatischen Verschönerungsfunktion, die standardmäßig auf mittlere Stufe gestellt ist, sollte man alllerdings vorsichtig sein. Sie radiert nicht nur Hautunebenheiten, sondern auch Umgebungsdetails und andere Dinge radikal aus und richtet besonders bei Bärten ein wahres Weichzeichnungsmassaker an.

Solide in den Basics

Neben Spielen, Surfen und Fotografieren lässt sich mit Huaweis neuem Spitzenhandy freilich auch Telefonieren. An der Empfangsstärke gab es während des Tests dabei nichts auszusetzen. Mobilfunk- und WLAN-Verbindung (LTE wird bis zu Cat. 16 unterstützt, weiters an Bord sind ac-WLAN und Bluetooth 4.2) waren stets stark und stabil.

Auch die Audioqualität bei Sprachtelefonie ist überzeugend, wenn auch nicht überwältigend. Das Gegenüber ist ausreichend klar und laut im Ohrhörer wahrzunehmen. Man selbst kommt mit leichtem Rauschen und Überbetonung tiefer Frequenzen an. Alles in allem ist aber auch hier Verständlichkeit auch bei Hintergrundlärm gegeben.

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Subjektiv etwas klarer ist die Sprachübertragung über das mitgelieferte USB-C-Headset, das frappierende Ähnlichkeiten zu Apples Earpods aufweist. Jedoch ist es klanglich deutlich besser, als die iPhone-Beilage, sowohl bei Telefonie, als auch Musik. Schwachbrüstig ist es bei höheren Tönen, weswegen Bassanteile recht dominant klingen. Spielt man Audio direkt über das Handy ab, so nutzt dieses nicht nur den unterseitigen Lautsprecher, sondern auch den Ohrhörer, um einen Stereoeffekt zu erzeugen. Das klappt aufgrund der Lautstärkedifferenz nur halb überzeugend, klingt aber dennoch deutlich besser, als bei den meisten anderen Smartphones.

Lange Akkulaufzeit

Zumindest am Spezifikationszettel üppig bestückt ist das Mate 10 Pro hinsichtlich seines Akku. Dieser wird mit sehr ordentlichen 4.000 mAh ausgewiesen und lässt sich dank Huaweis eigenem "Supercharge"-System schnellladen. Der Test aufs Exempel brachte ein anwachsen des Ladestandes von zwei auf 55 Prozent binnen 30 Minuten. Aufgeladen wird über einen USB-3.1-Port (Typ C), der gleichzeitig auch zum Zugriff auf den Telefonspeicher dient.

Mit den 4.000 mAh kommt man eine gute Weile durch, denn selbst bei intensiverer Nutzung kommt man mit einer vollen Ladung komfortabel bis in die Nacht. Wer das Handy nicht andauernd verwendet, sollte realistischerweise auf eine Laufzeit von 1,5 bis zwei Tagen mit einer vollen Ladung hoffen können.

Fazit

Huawei liefert mit dem Mate 10 Pro ein interessantes Flaggschiff ab, das auf Augenhöhe mit der Konkurrenz von Samsung und Co spielt. Bei Verarbeitung und Display muss man sich ebenso wenig verstecken wie bei der Kamera, wo der Rückstand nur minimal ausfällt – wobei das Urteil aufgrund der Wettersituation noch kein abschließendes ist. Als Versprechen für die Zukunft zeigt sich hier der Zusatzprozessor für künstliche Intelligenz, dessen Wirken sonst noch nicht aktiv wahrnehmbar ist.

Die restliche Ausstattung entspricht in etwa der Konkurrenz. Die Grafikeinheit ist schwächer als jene in den Snapdragon-Chips, Bluetooth 5.0 gibt es noch nicht. Dafür wurde ein extrem zuverlässiger und schneller Fingerabdruckscanner verbaut. Mit dem integrierten Infrarot-Transceiver hat man den meisten anderen Flaggschiffen etwas voraus. Für gemischte Gefühle sorgt das Fehlen der Kopfhörerklinke. Lob darf das Huawei Mate 10 Pro für seine beachtliche Akkulaufzeit einstreichen.

800 Euro will Huawei für dieses Paket sehen, womit man sich auf dem Niveau des Samsung Note 8 und des iPhone 8 befindet. Ein Preispunkt, den man durchaus für "gewagt" befinden kann. Wer ohnehin plant, eine derartige Investition für sein nächstes Smartphone zu tätigen, und Stift-Support und Kopfhörerstecker nicht als "Muss" versteht, kann dieses Handy auf jeden Fall in die engere Wahl nehmen. (Georg Pichler, 16.11.2017)

Testfotos

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