Der Stollen mit der Versuchsanordnung.

Foto: nhm wien/D. Brandner

Einsetzen der Bronzespitze in die Klemmschäftung.

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Die Arbeit beginnt – Pickel an der Versuchsfläche.

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Pickeln mit der Klemmschäftung im Detail.

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Das mit einer Pickelspitze gebrochene Salz

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Das gebrochene Salz in der Waagschale

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Ohne Protokoll und exakte Dokumentation funktioniert ein Experiment nicht.

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Video der Abbauversuche

Video: NHM Wien/D. Brandner

Die Erhaltungsbedingungen im Salzbergwerk machen es möglich, dass der gesamte Betriebsabfall der prähistorischen Salzproduktion bis heute perfekt konserviert ist. Tausende bisher im Zuge der Ausgrabungen geborgene Werkzeuge, Geräte, Essensreste und sonstige Hinterlassenschaften der bronzezeitlichen Bergleute ermöglichen es, die Lebens- und Arbeitsverhältnisse vor über 3.000 Jahren in einer Detailgenauigkeit zu rekonstruieren wie an keinem anderen Ausgrabungsort.

Uns geht es aber nicht nur um die Rekonstruktion der Arbeitsabläufe – wir wollen es noch genauer wissen. Eines unserer Ziele ist, eine "Betriebskalkulation" für einen prähistorischen Großbetrieb aufzustellen. Wir wollen herausfinden, was beispielsweise für das Jahr 1243 v. Chr. an Lebensmitteln, Leuchtspänen, Werkzeugen und Geräten, Kleidung, Grubenholz und anderen Bedarfsgütern notwendig war, um den Salzbergbau zu betreiben. Dadurch, dass alles erhalten ist, können wir in Zusammenarbeit mit der TU Wien zum Beispiel Computersimulationen erstellen. Wie viele Pickelstiele, Kratzen und Fülltröge pro gebrochenem Kubikmeter Salz zerbrochen sind, konnten wir damit bereits berechnen.

Wissenschaftliche Fragestellungen

Außerdem wurde in einem "Sparkling Science"-Projekt, in denen mit Schulklassen wissenschaftliche Fragestellungen erarbeitet werden, mit dem Titel "Holz für Salz" der Frage nachgegangen, welcher Aufwand hinter dem Fällen und Liefern der benötigten Grubenhölzer für das Bergwerk stand.

Nun wollen wir noch einen Schritt weitergehen, um Einblicke in den Ressourcenbedarf zu erhalten. Unsere Fragen gehen dabei in zwei Richtungen: Wie viel Salz kann man mit einem Bronzepickel an einem Tag abbauen? Wie oft muss dabei die Pickelspitze aus der relativ weichen Bronze nachgeschärft werden? Und: Wie viel Material der Spitze geht dabei verloren? Wie viel Bronze verschleift man also zum Beispiel für die Produktion von einer Tonne Salz?

Aufwendiger Versuchsaufbau

Da diese Fragen allein in Simulationen nicht zu klären sind, haben wir einen recht aufwendigen Versuchsaufbau gewählt. Erst mussten die entsprechenden Geräte hergestellt werden. Die Archäotechniker Frank Trommer und Stefan Holdermann haben hierfür kurze Pickelspitzen in unterschiedlichen Legierungen – in der Variationsbreite der Originale – gegossen. Eine spezielle Klemmschäftung wurde geschmiedet, um die Spitzen befestigen und testen zu können. Mit dieser erleichtern wir uns das regelmäßige Tauschen der Spitzen zum Nachschleifen und schonen die aufwendig herzustellende Holzschäftung.

Im Bergwerk schließlich wurde die gesamte Messapparatur aufgebaut. Eine Fotostation mit Stativ, Licht, Maßstab zum Dokumentieren der Spitzen, vor und nach den Abbauetappen. Eine Feinwaage zum möglichst genauen Wiegen der Spitzen und eine Hängewaage zum Wiegen des gebrochenen Salzes. Eine Schleifmaschine zum Schärfen der abgestumpften Spitzen. Außerdem wurde die Abbaufläche in regelmäßigen Abständen per "Structure from motion"-Technologie dokumentiert. Hierbei wird aus Fotos ein 3D-Modell erstellt, mit dem unter anderem eine exakte Berechnung des Volumens des dokumentierten Objekts erstellt werden kann. Da wir in einem Bergwerk arbeiten, musste das Ganze natürlich auch noch entsprechend ausgeleuchtet werden.

Ran an den Bronzepickel

Nachdem diese Vorbereitungen abgeschlossen waren, konnte es endlich losgehen. Die erste Bronzespitze in die Klemmschäftung und ran an die ausgewählte Versuchsfläche – einen modernen Stollen durch einen Kernsalzzug. Abwechselnd war immer einer oder eine von uns am Werk und schlug mit dem Bronzepickel eine Schram, also eine Rille in das Salz. Legt man mehrere dieser Schräme nebeneinander an, bricht das Salzgestein dazwischen in Brocken aus.

Durch die Vorversuche der letzten Jahre sind wir keine Neulinge am Bronzepickel, aber es dauerte dennoch wieder einige Zeit, bis man sich an das Werkzeug gewöhnt hat. Doch dann ging es erstaunlich gut, schnell erhöhte sich die Treffsicherheit und Effizienz der Schläge. In der Dokumentation wurde alles so genau wie möglich festgehalten. Die Arbeitsdauer mit jeder einzelnen Spitze, die Menge an gebrochenem Salz, das Gewicht vor und nach der Arbeit und dem Schleifen.

Eine Tonne Salz am Tag

Zu unserer Enttäuschung war die erste ausprobierte Spitze bereits nach sieben Minuten stumpf. Dies entsprach einer abgebauten Salzmenge von nicht einmal 500 Gramm. Doch dank steigender Präzision der Schläge konnten wir die Dauer bis zum Nachschleifen der Pickelspitze innerhalb weniger Versuche auf über 50 Minuten erhöhen. Damit waren wir bei einer Förderleistung von fast 15 Kilogramm Salz angelangt. Der Versuch mit der zweiten Pickelspitze verlief sogar noch besser, und wir erreichten damit eine Spitzenleistung von 90 Minuten und fast 22 Kilogramm gebrochenem Salz. Pro Schleifvorgang verliert die Spitze zwischen ein und drei Gramm. Das entspricht in unserer Arbeitszeit von rund acht Stunden bereits einem Materialverbrauch von circa 15 Gramm Bronze. Das mag nach heutigem Maßstab nach wenig klingen, bedenkt man den Aufwand der Gewinnung, des Transports und der Verarbeitung von Bronzegeräten, sieht man diese Menge allerdings in anderem Licht.

Wir waren erstaunt, wie viel Salz man sogar als relativ Ungeübter in kurzer Zeit abbauen kann. In acht Stunden reiner Arbeitszeit haben wir rund 115 Kilogramm Salz gebrochen. Da unsere Treffsicherheit und Technik sicher noch zu verbessern ist, müssen wir davon ausgehen, dass prähistorische Bergleute problemlos weit über 100 Kilogramm am Tag schaffen konnten. Damit konnte eine kleine Gruppe von Arbeitern oder Arbeiterinnen über eine Tonne Salz am Tag brechen und an die Oberfläche liefern. Zum Vergleich: Heute sind Fördermengen von über 3.000 Tonnen pro Tag möglich.

Verschleiß an Bronzebeilen

Wer sich an dieser Stelle fragt, warum wir nicht die letztes Jahr vorgestellte, mögliche Pickeltechnik verwenden: Für den Versuch mit der Frage nach dem Materialverbrauch war es notwendig, eine möglichst effiziente Abbaumethode zu wählen. Dadurch haben wir uns für den uns bekannten und vertrauten Werkzeuggebrauch entschieden, bei dem eine hohe Genauigkeit und Treffsicherheit garantiert war.

Versuche dieser Art wurden noch nicht oft durchgeführt. Wir wissen, dass in der Bronzezeit alles mit Werkzeugen aus ebendieser Legierung aus Kupfer und Zinn hergestellt wurde. Wie viele Bronzebeile aber zum Beispiel für den Bau eines Hauses verschlissen wurden, ist nicht bekannt. Nun sind wir in Hallstatt drauf und dran, einen Wert festlegen zu können, wie viel Gramm der Rohstoffe Kupfer und Zinn für den Abbau einer Tonne Salz notwendig waren.

Wir haben bei den diesjährigen Versuchen auf jeden Fall viel dazugelernt und arbeiten schon daran, sie für das nächste Jahr zu verbessern und weiterzuführen. Ein erster Schritt dazu war die Anschaffung einer noch feineren Waage, mit der der Verbrauch der Bronze genauer festgestellt werden kann. Außerdem werden die Daten analysiert und aufgearbeitet, damit wir die Fragestellungen für die nächsten Versuche anpassen und verfeinern können. (Hans Reschreiter, Fiona Poppenwimmer, 9.11.2017)