Die vergessene Taucheruhr, der selbstgebastelte Ohrhänger mit Selbstporträt, die Uhr von der Mondlandung und ein echtes Schmuckstück unter den Filmrequisiten. Wir haben vier Zeitgenossen gefragt, warum sie besondere Uhren oder ausgefallenen Schmuck tragen

Barbara Albert: "So lieblich bin ich nicht"

Ich trage auf dem Foto den Festschmuck meiner Protagonistin Resi. Sie gilt als Klavier-Wunderkind und legt das Stück in dem Film "Licht" an, wenn sie in der Wiener Gesellschaft des Jahres 1777 vorgezeigt und für Auftritte aufgemascherlt wird. Eng anliegende Schmuckstücke, oft Halsbänder, waren typisch für Mädchen dieser Zeit. Sie sollten die Eingeengtheit der Frauen von damals wohl noch unterstützen. Meine Schwester, die Kostümbildnerin Veronika Albert, hat viel dafür recherchiert. Als Quelle dienten ihr alte Gemälde, in einem Antiquitätengeschäft in London fand sie dann die passenden Perlen, die sie auf Stoff applizierte.

Schmuck hat im 18. Jahrhundert – wie auch der Fächer – eine andere Möglichkeit geboten zu kommunizieren. Viele von diesen Bedeutungen haben wir vergessen: Eine Witwe trug anderen Schmuck als ein junges Mädchen, und beide wussten ganz genau, was sie damit signalisieren. Auf dem Heiratsmarkt war Schmuck enorm wichtig, Frauen mussten sich andauernd damit befassen, wie sich nach außen wirken, um einen Mann zu bekommen.

Privat würde ich ein bisserl coolere Schmuckstücke tragen. Das von Resi ist halt doch sehr rosa, und so lieblich bin ich nicht. Ich behalte es mir vor, nur zu besonderen Anlässen Schmuck anzulegen. Ringe mag ich zum Beispiel, weil man damit spielen kann. Aber dafür müssen sie groß und klobig sein. Feiner Schmuck, den man kaum sieht, interessiert mich weniger – er sollte schon etwas hergeben. Im Alltag trage ich dennoch nur selten Schmuck, sogar ein Armband stört mich schnell einmal.

Da ich lieber hinter der Kamera stehe und nicht davor, hat es vielleicht auch nicht die Natürlichkeit, mit solchen Dingen umzugehen, wie ich es mir wünschen würde. Ich überlege mir oft lange, welchen Schmuck ich etwa bei einer Gala trage. Zum Glück besitze ich eine schlichte, schwarze Kunststoffkette, die ich mir bei solchen Gelegenheiten ganz schnell um den Hals schlingen kann – die geht immer!

Barbara Albert ist Regisseurin, Drehbuchautorin und Produzentin. Zuletzt führte sie Regie bei dem historischen Spielfilm "Licht", der am 10. November in die Kinos kommt.

Regisseurin Barbara Albert trägt nur selten Schmuck – welche Funktion er hat, interessiert sie aber sehr.

Foto: Christian Benesch

Gernot Kulis: "Ich bin notorisch verspätet!"

Andere bekommen ihre erste Uhr zur Firmung, ich bekam sie mit 30. Ich bin notorisch verspätet, also dachte sich meine Frau, das ist ein sinnvolles Geschenk. Ich bemerkte erst am Abend, was das Besondere daran ist: Die Uhr war zehn Minuten vorgestellt, damit ich auch einmal pünktlich bin. Trotzdem spiele ich noch immer SMS-Poker. Es geht bei dem Spiel darum, wer als Erster schreibt, dass er zu spät kommt. Ich warte meist bis zum Termin und hoffe, dass der andere schreibt: "Sorry, verspäte mich." Ich antworte dann: "Kein Problem, ich warte!" Danach ziehe ich mir gemütlich die Jacke an und gehe von zu Hause los. Ich habe den Eindruck, die Leute kommen gerne zu spät, das kommt mir entgegen.

Mir ist eine Uhr, die nicht die Zeit, sondern die Tiefe anzeigt, lieber. Das Modell, das ich trage, braucht man zum Tauchen und zeigt an, wie lange man noch unten bleiben darf. Einmal habe ich mich vier Stunden mit großer Vorfreude auf einen Tauchgang im Roten Meer vorbereitet. Alle sind im Zodiac rausgefahren – nur ich bin gleich wieder zurückgefahren. Weil ich die Uhr vergessen hatte. Und ohne darf man leider nicht runter. Ich versuche, eine Woche pro Jahr tauchen zu gehen, wage mich manchmal auch in Wracks hinein, bin aber eher ein Schönwettertaucher. Die Gesichtsausdrücke der Fische mag ich, weil sie sich in mein Kabarettprogramm einbauen lassen. Der Hammerhai ist super, der Thunfisch nicht so.

Eine Dreiviertelstunde kann beim Tauchen lange sein, wenn der Spot fad ist. Beim Strömungstauchen vergeht die Zeit aber wie im Flug, weil man mit Großfischen schwimmt, Selfies mit Haien macht – und immer hofft, dass irgendjemand die Fotos auch zu sehen kriegt.

Gernot Kulis ist bekannt für seine Scherzanrufe als "Callboy", die auf Ö3 gesendet werden. Vor wenigen Tagen ist sein zweites Solo-Kabarettprogramm "Herkulis" angelaufen.

Foto: Christian Benesch

Anna Kohlweis "Schmuck ist wie eine Fußnote"

Schrumpfplastik ist ein großartiges Material. Auf die Folie kann man zeichnen oder drucken, danach wird sie in den Backofen gelegt. Sie schrumpft auf ein Drittel, wird dick und hart – perfekt, um selbst Schmuck herzustellen.

Meine Mutter hat mir vor zwei oder drei Jahren einen Ohranhänger daraus gebastelt. Das Motiv darauf ist eine Kinderzeichnung von mir: angeblich mein erstes Selbstporträt. Es ist nicht unbedingt das alltagstauglichste Stück als Ohrgehänge. Obwohl es leicht ist, kann es ein wenig nerven. Ich fahre oft mit dem Fahrrad, da fliegt das Ding dann in der Luft herum. Das Material hat keinen Wert, aber ich finde es großartig als Statement-Piece. Humorvolle Nostalgie und kreative Projekte sind typisch für meine Familie. Schon mein Großvater hatte das Talent, aus Alltagsgegenständen etwas Lustiges zu machen. Ich muss jedes Mal lachen, wenn ich den Ohrring von meiner Mutter anschaue – ein echtes Familienjuwel.

Ich habe Phasen, in denen ich mehr Schmuck trage, meistens im Herbst und im Winter. Im Sommer habe ich dagegen das Gefühl, alles, was man auf der Haut hat, ist zu viel. Meinen Ehering trage ich meistens, außer ich vergesse ihn irgendwo. Das passiert ab und zu. Und ich besitze ein paar Erbstücke, die ich sehr gerne trage: Ringe von meiner Großmutter oder eine Kette, die mir eine Tante zu einer guten Zeit in meinem Leben geschenkt hat. Ich mache beim Tragen von Schmuck keinen Unterschied zwischen privaten Gewohnheiten und Bühnenoutfits. Viele meiner Kleider schneidere ich selbst und konzipiere sie für die Bühne. Und dann denke ich mir: "So oft spielst du auch wieder nicht Konzerte." Also trage ich die Sachen im Alltag – beim Schmuck ist das ganz ähnlich.

Egal, ob es sich um Schmuck oder Kleidung handelt: Mode interessiert mich. Zum einen ist sie künstlerische Ausdrucksweise, zum anderen eine sehr persönliche Art, sich für die Welt zu wappnen. Schmuck fällt einem erst auf, wenn man jemandem Auge in Auge gegenübersteht. Er funktioniert wie die Fußnote zu einer Person.

Anna Kohlweis ist Musikerin und veröffentlichte drei Alben unter dem Pseudonym Paper Bird. Am 3. November erscheint ihr neues Album "Squalloscope – Exoskeletons for Children".

Die Musikerin Anna Kohlweis schätzt "echte Familienjuwelen" und meint damit selbstgebastelten Schmuck.

Foto: Christian Benesch

Peter Kogler "Meine Uhr ist anachronistisch"

In zwei Jahren ist es 50 Jahre her, dass diese Uhr auf dem Mond war – nicht meine, aber dieses Modell. Die Mondlandung bot damals unvergessliche Fernsehbilder. Die meisten aus meiner Generation wissen noch genau, wo sie zu diesem Zeitpunkt waren. Irgendwann, ich glaube vor 20 Jahren, habe ich mir die Uhr selber gekauft. Diese Kindheitserfahrung hat vermutlich mein Verhältnis zu Technik geprägt. Als ich die Uhr schließlich erwarb, war es bereits anachronistisch, ein mechanisches Modell zu haben. Ich schaue manchmal drauf, um zu wissen, wie spät es ist. Ein Handy muss man dafür aus der Hosentasche ziehen, das ist umständlich. Aber ich kontrolliere manchmal mit dem Handy, ob meine Uhr richtig geht.

In Galerien wird man nur selten durch eine Uhr daran erinnert, wie spät es ist. Im Ausstellungskontext spielen Aspekte wie Muße oder die Verfügbarkeit von Zeit eine Rolle. Kunst zu schaffen ist eine Tätigkeit, die man wahrscheinlich nicht hektisch ausüben sollte. Früher konnte man auch als Besucher im Kunsthistorischen Museum einfach dasitzen und lesen.

Es gibt natürlich einige Kunstwerke, die mit Uhren zu tun haben. Da fällt mir spontan Félix González-Torres ein mit seiner Arbeit Perfect Lovers. Das sind zwei analoge Uhren, die absolut synchron gehen. Eine andere sehr bekannte Arbeit zu dem Thema stammt von Christian Marclay und heißt The Clock: eine 24-stündige Videoinstallation, die selbst wie eine Uhr funktioniert, mit berühmten Filmszenen, in den Uhren zu sehen sind. Wer etwa um 15 Uhr in die Ausstellung kommt, sieht eine Filmszene mit einer Uhr, die ebenfalls 15 Uhr anzeigt. Oder um Punkt zwölf schwenkt die Kamera auf die Standuhr von Gary Cooper in High Noon. Die Zeit aus dem Film deckt sich also mit der realen Tageszeit.

Meine Computeranimationen sind in der Regel Loops, insofern spielt der Zeitfaktor für mich eine Rolle. Es sind ständig wiederkehrende Abläufe, die ähnlich funktionieren wie ein Uhrzeiger, der sich im Kreis bewegt.

Peter Kogler ist Multimediakünstler. Bekannt wurde er etwa durch riesige gedruckte Ameisen auf der Documenta 1992 und die Arbeiten am Grazer Hauptbahnhof im Jahr 2003.

Der Künstler Peter Kogler trägt das Uhrenmodell, das auf dem Mond war. Er selbst wollte nie dorthin.

(Sascha Aumüller, RONDO exklusiv, 11.11.2017)

Foto: Christian Benesch