Die Debatte in der westlichen Welt ist noch relativ jung, die Angelegenheit selbst um einiges älter: Bereits seit Anbeginn der Menschheit werden Personen mit beiden Geschlechtsmerkmalen – sogenannte Intersex-Personen – geboren. Dass es nicht nur männliche oder weibliche Menschen gibt, wurde schon etwa 385 vor Christus thematisiert.

Der griechische Philosoph Platon ließ in seinem "Sympósion" Männer bei einem Trinkgelage über die Liebe philosophieren. Dabei wird die ursprüngliche Natur der Menschen erwähnt – die ein drittes Geschlecht beinhalte. Rund zweihundert Jahre später wurde das "Manusmriti" verfasst, das einen Teil der Verhaltensregeln der Hindus bildet: "Ein männliches Kind wird durch eine höhere Anzahl an männlicher Saat erschaffen, ein weibliches Kind durch das Vorherrschen der Weiblichkeit. Wenn beides gleichermaßen vorkommt, entsteht ein Kind des dritten Geschlechts oder Zwillinge", ist dort zu lesen. Diese Ansicht überlebte in Indien bis zum Jahr 1871, als die britischen Kolonialherren die indischen Hijras ächteten – Angehörige des dritten Geschlechts.

Weibliche Psyche im männlichen Körper

In den 1860er-Jahren verwendete der deutsche Denker und Vorkämpfer der rechtlichen Gleichstellung von Homosexuellen, Karl Heinrich Ulrichs, den Begriff des "dritten Geschlechts" für Männer, die sich von Männern angezogen fühlen. Sie waren für ihn "eine weibliche Psyche, die in einen männlichen Körper gesperrt ist".

Den in vielen Ländern üblichen Zwang, Intersex-Kinder einem der beiden vorherrschenden Geschlechter per Operation zuzuordnen, gab es in den USA bis in die 1960er-Jahre nicht. Bis dahin war man der Ansicht, dass man ein Kind in einem sozialen Geschlecht erziehen kann, ohne den Körper zu verändern. Dann führte der Psychologe John Money die Begriffe "Geschlechtsidentität" und "Geschlechterrollen" ein. Für ihn war das Geschlecht bei Kindern wandelbar – er riet zu Eingriffen bei Intersex-Kindern.

Die Operationen, die schwere Folgen für Betroffene haben können, werden immer seltener durchgeführt. In Ländern wie Australien, Indien, Neuseeland, Nepal und nun auch Deutschland können Intersex-Personen ihr drittes Geschlecht bereits auf offiziellen Dokumenten eintragen lassen. Doch selbst wenn Österreich die binäre Geschlechterstruktur aufbrechen wird, hinkt die deutsche Sprache hinterher: Ein Personalpronomen für das dritte Geschlecht fehlt. (Bianca Blei, 9.11.2017)