Lisa Schrammel spielt Johanna von Orléans.

Foto: Georg Mayer

Wien – Als ein kauerndes, keuchendes Bündel liegt Lisa Schrammel als Johanna von Orléans im Scheinwerferlicht am Boden. Hinter ihr eine Richterbank, von der aus werfen ihr die drei Inquisitoren (Jens Claßen, Raphael Nicholas, Georg Schubert) Kleider zu. Vor die Wahl gestellt entscheidet sie sich für das eines Mannes. Das wird man ihr zum Vorwurf machen.

Die Geschichte der Johanna von Orléans (etwa 1412 – 1431) ist eine von Triumph und Zerstörung. Mit der Hilfe Gottes soll sie Frankreich im Hundertjährigen Krieg gegen England zum Sieg geführt haben. Doch der letzte Streich, die Eroberung von Paris, misslang ihr. Als Ketzerin stellt man sie nun vor Gericht.

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Die Prozessprotokolle hat Christian Himmelbauer zum Ausgangspunkt für Johanna. Eine Passion im Wiener Theater an der Gumpendorfer Straße genommen. Als Gegengewicht zur Geschichtsschreibung, die stets von den Siegern gemacht wird, und zu bisherigen literarischen Verfälschungen. In den Mund legt er seiner Heldin nur Originalaussagen über ihre Herkunft, ihre Visionen.

Diese Worte klingen klarer und klüger als einem bloß im Nähen und im Vaterunser unterrichteten Bauernmädchen zuzutrauen ist. Beseelt lächelt Schrammel dazu hoch ins Scheinwerferlicht und stiert kämpferisch, wenn sie ihren Verhörern in den biederen Strickpullis (Alexandra Burgstaller) mit fester Stimme entgegnet: "Fragen könnt ihr mich, was ihr wollt. Antworten werde ich, was ich will."

Das Ungebührliche braucht einen Namen

Zum einen wollen die 80 Minuten die Geschichte der Jeanne d‘Arc erzählen. Zum anderen handeln sie von der Unterdrückung der Frau durch den sich bedroht fühlenden Mann. Immer näher rückt das Richterpult an die sich nicht von ihrem Bühnenfleckchen rühren Könnende. Gehirntumor? Schizophrenie? Asexualität? So versuchen sich die Drei das Verhalten der selbstbewussten 19-Jährigen zu erklären. Das Ungebührliche braucht einen Namen.

Frivol-lustige Zwischenspiele mit Teufelshörnern und Riesenpenis gehören mit zu der Kritik am Patriarchat. Sie zerstreuen allerdings mehr als zu bereichern. Nach (vermeintlich) vollbrachtem Johanna-Zerstörungs-Werk sinken die drei Herren der Schöpfung backstage – und für uns per Videoeinspielung – mit nackten Oberkörpern und Bier auf eine Couch. Prost. Ein erstmal starker Moment, weil er unmittelbarer wirkt als manche zuvor. Aber im Motiv auch abgegriffen. Oder etwa doch nicht? (wurm, 9.11.2017)