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Nato-Soldaten bei der militärischen Übung "Silberner Pfeil" in Lettland.

Foto: REUTERS/Ints Kalnins

Die beiden neuen Nato-Zentren, deren Standorte noch nicht festliegen, sollen die Logistik und die Verlagerung von Truppen über Land und zu See verbessern, sagte Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg am Mittwochabend in Brüssel.

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Brüssel/Wien – Mitunter können denkbar unspektakuläre Faktoren kriegsentscheidend sein. Die Geschichte kennt zahlreiche Beispiele, die belegen, welche wesentliche Rolle die Logistik, ein funktionierender Nachschub etwa, für den Verlauf einer Schlacht spielen kann. Insofern hat die Nato ein veritables Problem: Das stärkste Verteidigungsbündnis der Welt ist in derzeitigem Zustand nämlich nur bedingt abwehrbereit.

Der Nato fehlt es an so ziemlich allem: von den Offizieren über Transportwägen für Panzer bis hin zu den Brücken, die diese tragen können. Die für die Allianzpartner schlechte Nachricht lautet: Das Bündnis ist nicht fit für die Zukunft. Die gute aber verkündete der Nato-Generalsekretär den Verteidigungsministern im Laufe eines zweitägigen Treffens in Brüssel: All das soll sich nun ändern. Denn erstmals seit dem Ende des Kalten Krieges verstärkt die Nato ihre Kommandostruktur.

Am Mittwochabend hat Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg angekündigt, zur Verbesserung der Verteidigungsfähigkeit zwei neue Kommandostützpunkte aufbauen zu wollen. Die beiden Zentren, deren Standorte noch nicht feststehen, sollen die Logistik und die Verlagerung von Truppen über Land und zu See verbessern. Damit würde die Zahl der Einsatzzentren der Nato auf neun (siehe Grafik) steigen.

"Voll einsatztauglich" bleiben

Das erste Zentrum soll die schnellere Verlegung von Truppen innerhalb Europas verantworten. Das zweite die Marineeinsätze im Atlantik steuern können, um im Kriegsfall den Seeweg zwischen den USA und Europa freizuhalten. Damit leitet die Nato eine Kehrtwende ein: Neben Einsätzen außerhalb ihres Bündnisgebietes wie auf dem Balkan, in Libyen und Afghanistan baut die Nato nun wieder ihre Verteidigungspolitik aus, die sie in den vergangenen Jahrzehnten massiv zurückgefahren hatte. Von den ursprünglich 33 Kommandozentren sind etwa nur die derzeit sieben zurückgeblieben, die nun eben aufgestockt werden sollen.

Die Personalstärke der Hauptquartiere sank von 22.000 auf 6.800 und soll nun wieder erhöht werden, da das Bündnis seine derzeitige Struktur nicht mehr als ausreichend für die aktuelle Sicherheitslage ansieht. Jens Stoltenberg nannte den Schritt "entscheidend für die transatlantische Allianz". Das Bündnis müsse "robust, wendig und voll einsatztauglich" bleiben, erklärte er und: "Wir brauchen eine Kommandostruktur, die sicherstellen kann, dass die richtigen Truppen am richtigen Ort sind – mit der richtigen Ausrüstung und zur richtigen Zeit."

Der Norweger betonte zwar, die Maßnahme richte sich nicht gegen einen bestimmten Staat, er sagte allerdings auch: "Russland tritt aber wesentlich bestimmter auf und hat viel ins Militär investiert". Um eine glaubwürdige Abschreckung sicherzustellen, machte Stoltenberg klar, müssten sich aber auch die EU und die Privatwirtschaft an den Anstrengungen beteiligen. Europas Straßen, Schienennetze und Flughäfen müssten den militärischen Anforderungen entsprechen, weshalb EU-Außenbeauftragte Federica Mogherini kurz darauf ankündigte, bis Ende der Woche Vorschläge der EU-Kommission versprach, um den Truppentransport innerhalb Europas zu verbessern.

Afghanistan-Verstärkung

Dass die Nato erstmals seit dem Ende des Kalten Krieges in Europa ihre Präsenz verstärkt, liegt am militärischen Auftreten Moskaus. Dieses fand in der Annexion der Krim und dem Krieg im Osten der Ukraine 2014 seinen Höhepunkt und wird vor allem von den östlichen Nato-Staaten als aggressiv wahrgenommen. Das jüngste russische Großmanöver "Sapad" ("Westen") an der Grenze zu Nato-Staaten hat deren Unbehagen nicht gemildert. Dass die Allianz nicht in der Lage ist, einen Angriff aus Russland militärisch effizient abzuwehren, hat ein interner Bericht festgehalten, aus dem Spiegel kürzlich zitiert hat.

Die Nato mag Moskau zwar ökonomisch und militärisch überlegen sein, die eingerosteten Fähigkeiten aber, die Defizite im Bereich der Logistik, die ausgedünnte Kommandostruktur und bürokratischen Hemmnisse zwischen den Ländern, erschwerten eine schnelle Reaktion, heißt es darin.

Eine Verstärkung verkündete Stoltenberg am Donnerstag auch beim Einsatz der Nato in Afghanistan: Die Zusagen von 27 der 29 Mitgliedsstaaten erlaubten es, künftig mit rund 16.000 Soldaten die afghanischen Sicherheitskräfte auszubilden – was einem Plus von 3.000 zusätzlichen entspricht. (Anna Giulia Fink, 9.11.2017)