Berlin/London – Deutschland drohen laut Medienberichten als Folge des Brexit zusätzliche EU-Beitragszahlungen von fast vier Milliarden Euro. Die Zeitungen der Funke-Mediengruppe beriefen sich mit dieser Darstellung am Freitag auf eine Studie des EU-Parlaments. Damit würde Deutschlands Position als größter Nettozahler der Europäischen Union noch stärker.

Von den voraussichtlich netto 10,2 Milliarden Euro, die der Studie zufolge nach dem Austritt Großbritanniens im EU-Budget dauerhaft fehlen werden, müsste Deutschland bei ansonsten unveränderten Rahmenbedingungen rund 3,8 Milliarden Euro übernehmen. Damit würden die jährlichen Beitragszahlungen an die EU um 16 Prozent wachsen.

Verteilung ändert sich

"Der Brexit erhöht nicht nur die Finanzierungslast für die EU-27, sondern verändert auch die Verteilung der Belastungen", zitieren die Zeitungen die Studie. Deutschland und Länder wie die Niederlande und Schweden profitierten derzeit von einem Rabatt auf den "Britenrabatt", mit dem London seine Zahlungen reduzieren konnte. Diese Vergünstigungen fielen nach dem Brexit weg.

Frankreich müsste nach dem Brexit dem Bericht zufolge 1,2 Milliarden Euro mehr bezahlen, Italien rund eine Milliarde. Bisher zahlten Deutschland jährlich netto mehr als 14 Milliarden und Frankreich fünf bis sechs Milliarden Euro.

Höhe ungewiss

In welcher Höhe künftige Zusatzzahlungen tatsächlich anfallen werden, gilt aber als ungewiss, etwa wenn die EU nach dem Brexit ihre Ausgaben anpassen oder neue Einnahmen schaffen sollte. Österreich, ebenfalls ein EU-Nettozahler, wird in den zitierten Medienberichten nicht explizit erwähnt. Politiker wie Bundeskanzler Christian Kern (SPÖ) und Außenminister Sebastian Kurz (ÖVP) haben in der Vergangenheit jedoch gefordert, dass der Brexit nicht zu einer Mehrbelastung der Nettozahler führen solle.

Unterdessen hat der Bundesveband der deutschen Industrie (BDI) vor einem Treffen europäischer Wirtschaftsführer mit der britischen Premierministerin Theresa May vor den Folgen eines ungeordneten Ausstiegs aus der Europäischen Union gewarnt. "Die Gefahr eines sehr harten Brexits bleibt hoch", sagte BDI-Hauptgeschäftsführer Joachim Lang. Die deutschen Unternehmen bereiteten sich auf alle Szenarien vor. Klar sei schon jetzt: "Ein umfassendes Handels-, Investitions- und Wirtschaftsabkommen für das zukünftige Verhältnis wird unmöglich am 30. März 2019 verhandelt, vereinbart und ratifiziert sein." (APA, 10.11.2017)