Wien – 628 Millionen Euro erwartet der ORF heuer aus GIS-Gebühren, 2018 dürften es an die 650 Millionen werden. Mit dem Geld muss der öffentlich-rechtliche Rundfunk die Aufträge des ORF-Gesetzes erfüllen. Ob er das zur Gänze tut, muss nun die Medienbehörde KommAustria prüfen.

Der Verband der Privatsender (VÖP) hat sich nach Informationen des STANDARD bei der Behörde beschwert: Der ORF verletze die Vorschrift des Paragrafen 4 Absatz 3, dass "jedenfalls in den Hauptabendprogrammen (20 bis 22 Uhr) in der Regel anspruchsvolle Sendungen zur Wahl stehen" müssen.

Der Privatsenderverband bestreitet das in seiner Beschwerde. "Das bedeutet für den ORF einen Vorteil im Wettbewerb mit anderen Sendern", sagt Verbandsgeschäftsführerin Corinna Drumm.

"Sonst macht das Gesetz keinen Sinn"

Wenn das ORF-Gesetz vom ORF bestimmte Leistungen verlangt, mit denen es die Rundfunkgebühren rechtfertigt, dann sollte er diese Vorgaben auch einhalten, erklärt Drumm auf STANDARD-Anfrage: "Sonst macht das Gesetz ja keinen Sinn."

Der Privatsenderverband analysierte das ORF-Fernsehprogramm und kam zu dem Schluss, "dass sich der ORF nicht an die Bestimmung hält", erklärt Drumm.

Der ORF sieht die Anforderung erfüllt, will sich zum laufenden Verfahren aber nicht äußern. Die Medienbehörde bestätigt auf Anfrage lediglich den Eingang der Beschwerde (im August). Sie steht nun vor kniffligen Fragen.

Wie oft ist in der Regel?

Ab welcher Frequenz, ab welchem Ausmaß kann man von "in der Regel" sprechen? Jeden zweiten Tag oder an allen Tagen bis auf eine Handvoll Ausnahmen?

Die Regel könnte für die vier ORF-Fernsehprogramme gesamthaft gelten und nicht allein für ORF 1 und ORF 2 oder gar pro Kanal. Das hat der Verwaltungsgerichtshof jedenfalls bei der ersten großen Beschwerde der Privatsender zum öffentlich-rechtlichen Gesetzesauftrag festgestellt.

Nicht die erste Beschwerde

Da ging es um Absatz 2 desselben Paragrafen, der verlangt, dass Information, Kultur, Unterhaltung und Sport in angemessenem Verhältnis zueinander vorkommen müssen. Eine weitere Beschwerde der Privatsender über die angemessene Verteilung der Programmgenres im ORF-Radio liegt noch (und schon lange) beim Bundesverwaltungsgericht als zweite Instanz, die Medienbehörde wies die Privatsender in dieser Frage ab.

Der Anspruch von "Soko Donau"

Nach der jüngsten Beschwerde muss die Medienbehörde zudem klären: Wann ist eine Sendung anspruchsvoll? Der ORF dokumentiert diesen Anspruch – in ORF 1 und ORF 2 – in seinen Jahresberichten an das Kanzleramt und den Nationalrat über die Erfüllung des Auftrags etwa mit Thema, Report, Am Schauplatz und Dokeins-Doku, mit Universum, Tatort, Mei Liabste Weis, mit Soko Kitzbühel und Soko Donau.

In der Regel Anspruch im Hauptabend: Samstag in ORF 2 wäscht Hansi Hinterseer (mit Karin Ried) auch fremde Mähnen. ORF 1 zeigt "Türkisch für Anfänger".
Foto: ORF/Interspot

Auftrag und GIS-Gebühr

Der öffentlich-rechtliche Auftrag dürfte auch die Medienpolitik der nächsten Bundesregierung beschäftigen. FPÖ-Mediensprecher Herbert Kickl vermisste im Interview mit dem STANDARD öffentlich-rechtliches Programm in ORF 1 und ORF 2, ebenso in Ö3.

Thema bei ÖVP-Mediensprecher Gernot Blümel wie bei der FPÖ ist, die Rundfunkgebühren (und Medienförderungen) neu zu verteilen. Beide verweisen da auf öffentlich-rechtliche Programme auch in privaten Kanälen (bisher mit 15 Millionen Euro für kommerzielle Sender gefördert).

Die ORF-Redakteure warnten Freitag vor Eingriffen der nächsten Regierung im ORF – mehr zu ihrer Resolution hier.

Die Landeshauptleute forderten am Freitag, sie wollten die neun Mandate im ORF-Stiftungsrat für die Bundesregierung weiterhin – die FPÖ will die Sitze der Länder dort streichen oder verringern. (fid, 10.11.2017)