Die Verhandlungen für die türkis-blaue Regierung laufen. Wer in den 25 Fachgruppen sitzt, hat die Rechercheplattform "Addendum" veröffentlicht. DER STANDARD zeigt, welche Gruppen vertreten sind, und stellt einige der Verhandler vor.

Harald Mahrer ist noch Wirtschaftsminister – einer neuen Regierung wird der gerade gekürte Chef des Wirtschaftsbundes nicht angehören.
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Die Minister

Vizekanzler und Justizminister Wolfgang Brandstetter verhandelt für die Schwarzen das Kapitel Justiz. Es ist noch nicht klar, ob Innenminister Wolfgang Sobotka in einer neuen Regierung vertreten sein wird. Seine Verhandlungsgegenstände sind innere Sicherheit und Landesverteidigung.

Auch die Zukunft von Finanzminister Hans Jörg Schelling ist ungewiss. Die Gruppenleitung des Clusters Standort hat Kurz-Vertraute Bettina Glatz-Kremsner inne, Schelling verhandelt aber das Kapitel Finanzen und Steuern. Wissenschaftsminister Harald Mahrer wird nicht mehr in der Regierung sein. Der künftige Chef des Wirtschaftsbundes und der Wirtschaftskammer führt aber die Gespräche zu den Themen Digitalisierung und Innovation.

Für Umweltthemen ist auf ÖVP-Seite Landwirtschafts- und Umweltminister Andrä Rupprechter federführend beteiligt. Der Tiroler möchte gerne EU-Kommissar in Brüssel werden und könnte dafür zumindest auf Zeit seinen Posten auf der Regierungsbank behalten.

ÖVP-Wien-Chef Gernot Blümel verhandelt das Thema Medien.
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Die Landespolitiker

Was beide Parteien eint: Die Länder wollen mitreden. Dementsprechend hoch ist die Zahl der Landespolitiker in den Verhandlungsteams. Auf freiheitlicher Seite der Wiener Landesparteichef Johann Gudenus (Europa und Außenpolitik). Der Welser Bürgermeister Andreas Rabl vertritt die Freiheitlichen bei den Themen Wirtschaft und Entbürokratisierung. Johann Tschürtz, stellvertretender Landeshauptmann des Burgenlands, verhandelt innere Sicherheit und Mario Kunasek, steirischer Landesparteichef und Landtagsabgeordneter, das Kapitel Landesverteidigung. Für die Kärntner Freiheitlichen ist der Kärntner Landesrat Christian Ragger nominiert, er ist an den Gesprächen zu Pensionen beteiligt.

Gleich doppelt vertreten sind die ÖVP Oberösterreich sowie die steirische Landesgruppe. Die oberösterreichische Landesrätin Christine Haberlander verhandelt das Thema Gesundheit, Finanzlandesrat Michael Strugl ist Mitglied der Fachgruppe Wirtschaft und Entbürokratisierung. Die steirische Landesrätin Barbara Eibinger-Miedl verhandelt in den Fachgruppen Arbeit und Wissenschaft, Landesrat Christoph Drexler im Bereich Kunst und Kultur. Stephan Pernkopf ist Vertreter der niederösterreichischen Landeshauptfrau Johanna Mikl-Leitner, er gehört der Fachgruppe Energie an. Die ÖVP Wien ist mit ihrem Obmann Gernot Blümel vertreten (siehe auch "Die Vertrauten").

Der ehemalige Rechnungshofpräsident Josef Moser gilt als heißer Kandidat für ein Ministeramt.
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Die Personalreserven

Wenig überraschend gelten einige der Mitglieder der Verhandlungsteams als heiße Kandidaten für Ministerämter. Bettina Glatz-Kremsner sitzt in der Steuerungsgruppe und leitet den Cluster Standort, in dem unter anderem über Finanzen und Wirtschaft diskutiert wird. Die Vorstandsdirektorin der Casinos Austria könnte dementsprechend Finanz- oder Wirtschaftsministerin werden. Der ehemalige Rechnungshofpräsident Josef Moser – er sitzt derzeit als Abgeordneter für die ÖVP im Parlament – ist als "Reformminister" im Gespräch. Moser verhandelt in der Gruppe Verwaltungsreform und Verfassung aufseiten der ÖVP. Ihm sitzt der FPÖ-Abgeordnete Harald Stefan gegenüber, der als Justizminister gehandelt wird. Auch die Salzburgerin Magdalena Svazek (Familie und Jugend) gilt als ministrabel.

Der frühere Vizekanzler Norbert Steger verhandelt das Thema Medien, seine Tochter verhandelt ebenfalls für die FPÖ.
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Die Familien

Auf der blauen Seite gibt es nicht nur Wahlverwandtschaften, sondern auch familiäre Bande. So verhandelt der frühere freiheitliche Vizekanzler Norbert Steger das Kapitel Medien – er vertritt heute die FPÖ im ORF-Stiftungsrat. Seine Tochter Petra Steger, die seit 2013 ein Nationalratsmandat hat, ist bei den Untergruppen Sport, Frauen, Familie und Jugend und Wissenschaft und Forschung vertreten.

Außerdem haben die steirischen Brüder Eustacchio jeweils ein Verhandlungsmandat. Claudio Eustacchio, Kunsterzieher an einem Grazer Gymnasium und seit der Graz-Wahl auch in zwei Aufsichtsräten vertreten, soll beim Thema Kunst und Kultur mitreden. Sein Bruder Mario Eustacchio ist seit April diesen Jahres Vizebürgermeister der steirischen Landeshauptstadt und im Team Wirtschaft und Entbürokratisierung vertreten.

Die ehemalige Chefin des Belvedere, Agnes Husslein, steht der ÖVP beratend zur Seite.
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Die Experten

Sebastian Kurz hat sich ins Team der ÖVP-Verhandler einige Experten geholt. Diese sollen laut offiziellen Angaben die Verhandlungen aber nicht führen, sondern nur beratend zur Seite stehen. In der Fachgruppe Kunst und Kultur sitzt etwa die ehemalige Chefin des Belvedere, Agnes Husslein. Im Bereich Soziales und Konsumentenschutz steht Sozial- und Arbeitsrechtler Wolfgang Mazal beratend zur Seite. Die ehemalige Opernball-Organisatorin Elisabeth Gürtler berät im Bereich Tourismus, und der Runtastic-Gründer Florian Gschwandter in der Fachgruppe Digitalisierung und Innovation. Eine ehemalige Grünen-Politikerin findet sich unter den Beratern zum Thema Umwelt: Ökologin und Unternehmensberaterin Monika Langthaler.

Auf FPÖ-Seite verhandelt Rüdiger Schender den Bereich Justiz. Der frühere FPÖ-Abgeordnete und Anwalt hat gemeinsam mit dem ehemaligen Justizminister Wolfgang Böhmdorfer die Anfechtung der Bundespräsidentenwahl im vergangenen Jahr für die FPÖ vorbereitet. Und noch ein ehemaliger FPÖ-Politiker ist mit dabei: Der Mediziner und frühere Staatssekretär für Gesundheitswesen, Reinhart Waneck, berät in Gesundheitsfragen. Nahostexpertin Karin Kneissl sitzt für die FPÖ in der Fachgruppe Europa und Außenpolitik, die Wirtschaftswissenschafterin Barbara Kolm vom Hayek-Institut berät die Freiheitlichen beim Thema Steuern.

Gerald Fleischmann (links) ist Pressesprecher von Sebastian Kurz und für das Thema Medien zuständig.
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Die Vertrauten

Kurz setzt natürlich auch auf seine Vertrauten in den Teams. Für das heikle Thema Medien setzt Kurz gleich auf zwei Personen aus seinem engsten Kreis. Zum einen auf Gernot Blümel, Chef der Wiener ÖVP, zum anderen auf seinen Pressesprecher und Weggefährten Gerald Fleischmann. Das sorgt nicht nur bei Journalisten für Unbehagen. Fleischmann ist bekannt dafür, recht direkt in Redaktionen zu intervenieren und sich dabei einer Sprache zu bedienen, die nicht immer alle Regeln der Höflichkeit erkennen lässt.

Elisabeth Köstinger, seit Donnerstag Nationalratspräsidentin, ist in der Untergruppe Europa und Außenpolitik vertreten. Stefan Schnöll sitzt in der Gruppe Pensionen. Er hat im Mai die Leitung der Jungen ÖVP von Kurz übernommen.


Die Bünde

Zwar betont Kurz seine Unabhängigkeit von den Teilorganisationen der ÖVP. Einige Vertreter der Bünde haben es dann aber doch in den Kreis der Verhandler geschafft. Der Generalsekretär des Wirtschaftsbundes, Peter Haubner, ist Mitglied der Fachgruppe Sport. Haubner war bis 2011 Sportsprecher seine Partei. Und noch ein Generalsekretär verhandelt auf ÖVP-Seite: Karl Nehammer übt diese Funktion für den ÖAAB aus und sitzt in der Gruppe Landesverteidigung. Mit August Wöginger ist auch der Chef des ÖAAB vertreten – Wöginger ist zugleich geschäftsführender Klubobmann der ÖVP im Parlament. Er gilt als Vertrauter von Kurz. Mit Ingrid Korosec verhandelt die Chefin des Seniorenbundes das Thema Pensionen.

Axel Kassegger ist einer der vielen Burschenschafter im FPÖ-Verhandlungsteam.
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Die Burschenschafter

Vierzig Prozent der FPÖ-Abgeordneten sind in studentischen Verbindungen organisiert, auch unter den Verhandlern findet sich eine Vielzahl von ihnen. Stellvertretend werden hier nur einige genannt. Harald Stefan (siehe auch Personalreserven) und Norbert Nemeth (Steuerungsgruppe) gehören beide der Burschenschaft Olympia an. Ebenfalls korporiert sind Axel Kassegger (Energie), Christian Höbart (Sport), Wendelin Mölzer (Bildung), Reinhard Eugen Bösch (Landesverteidigung). Walter Rosenkranz (innere Sicherheit) gehört der Libertas Wien an, und Norbert Hofer – er sitzt in der Steuerungsgruppe – ist Ehrenmitglied der Marko-Germania Pinkafeld. Anneliese Kitzmüller (Familie und Jugend) ist Mitglied einer akademischen Mädelschaft.

Die ehemalige Spitzensportlerin Kira Grünberg ist für die ÖVP ins Parlament eingezogen.
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Die Quereinsteiger

Auch einige der Quereinsteiger von Kurz' Liste finden sich in den Verhandlungsteams wieder. Die ehemalige Leichtathletin Kira Grünberg ist an den Gesprächen zum Thema Sport beteiligt. Psychoanalytiker Martin Engelberg und Opernball-Organisatorin Maria Großbauer beraten über den Komplex Kunst und Kultur.

Quer eingestiegen – allerdings von anderen Parteien – sind Efgani Dönmez und Robert Lugar. Dönmez, früherer Bundesrat der Grünen, vertritt die ÖVP beim heiklen Thema Integration. Robert Lugar, der seine Karriere bei den Freiheitlichen startete, aber zwischendurch auch beim BZÖ und beim Team Stronach Station machte, ist wieder blau und als Verhandler im Komplex Steuern und Finanzen nominiert.

Genetiker Markus Hengstschläger berät in Sachen Wissenschaft und Forschung.
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Drei Bestsellerautoren und ein Weltmeister

Die ÖVP hat sich einige Autoren zur Beratung in die Fachgruppen geholt. Im Bereich Familien ist das Martina Leibovici-Mühlberger, sie hat den Elternratgeber "Wenn Tyrannenkinder erwachsen werden. Warum wir nicht auf die nächste Generation zählen können" geschrieben. Andreas Salcher ("Der talentierte Schüler und seine Feinde") steht als Bildungsexperte zur Verfügung und Genetiker Markus Hengstschläger ("Die Durchschnittsfalle") als Berater im Bereich Wissenschaft und Forschung. Der ehemalige Skirennläufer und Abfahrtsweltmeister Michael Walchhofer ist für das Kapitel Sport zuständig. (Marie-Theres Egyed, Lisa Kogelnik, 11.11.2017)