In einem symbolischen Schritt wird Christian Kern nun Alfred Gusenbauer als Präsident des Renner-Instituts ablösen, des "think tank" der SPÖ. Dass Gusenbauer Christian Kern den "tricky Tal" (Silberstein) eingeredet hat, ging dramatisch schief.

Gusenbauer ist eine mittlere Tragödie. Er ist ein hochgebildeter Intellektueller, der mehr durch Zufall SPÖ-Vorsitzender wurde (nach dem Abgang von Viktor Klima) – und mehr durch die Fehler des ÖVP-Chefs Wolfgang Schüssel als durch die Künste des damals schon engagierten Silberstein 2006 Wahlsieger und danach Bundeskanzler. Dass er schon nach zwei Jahren durch den idealtypischen Wiener SPÖ-Funktionär Werner Faymann verdrängt wurde, hat ihn tief gewurmt. Er beschloss, sich zu rächen, indem er reich wurde. Mithilfe zentralasiatischer Despoten und fragwürdiger Businessmen. Das geht nicht für einen Sozialdemokraten.

Die Frage ist, wie das neue Kapitel aussehen muss, das nun Christian Kern schreiben muss. Die Probleme der SPÖ sind die vieler sozialdemokratischer Parteien in Europa. Die Arbeiter sind zu den Rechtspopulisten davongelaufen, es bleiben Pensionisten und öffentlich Bedienstete.

Die Gewerkschafter – und die Funktionäre in der Sozialbürokratie und in der Arbeiterkammer – gelten als strukturkonservative Verhinderer, die keine Antwort auf die beiden großen Herausforderungen – Globalisierung und Migrationsdruck – haben. Das heißt, sie hatten und haben schon eine Antwort: nämlich Umverteilung. Die damit verbundenen Besteuerungsideen vertreiben aber die aufstiegs- und leistungsorientierte Mittelschicht.

Die klassischen SPÖ-Wähler waren (und sind es teilweise noch) jene, die stark vom großen österreichischen Umverteilungsstaat abhängig sind. Es geht ihnen gar nicht so schlecht, aber sie fürchten sich. 62 Prozent der Österreicher halten den "Kampf gegen den Sozialmissbrauch" für das "dringlichste Problem (Market-Institut).

Das ist wenig zukunftsorientiert, ist statisch, defensiv. Im Grunde geht es darum, dass die SPÖ jetzt – erlöst von den Zwängen des Regierens – die Gelegenheit hat, neue Orientierungen für den Globalisierungs- und Migrationsdruck zu erarbeiten.

Gusenbauer wollte übrigens ein Modernisierer sein, hatte aber zu wenig Zeit und war auch nicht überzeugend genug. Kern hat sich zu lange Zeit gelassen. Aber der Modernisierungsprozess ist schon einmal geglückt. Als die alte SPÖ, eine Partei der Arbeiter, 1966 aus der Regierung flog, nutzte der neue Parteivorsitzende Bruno Kreisky das, um mithilfe von "1400 Experten" (es waren viel weniger) die SPÖ – und Österreich – aus einer vermufften, tief konservativen, abwehrenden Atmosphäre zu befreien. Das wäre vielleicht kein schlechtes Vorbild – ein Gegenmodell zur konservativen Revolution, die offenbar Sebastian Kurz vorhat.

Der SPÖ-Klub ist mit Kern, Drozda, Rendi-Wagner und anderen gar nicht so schlecht aufgestellt. Mehr "brain power" ist aber an den Rändern der Partei nötig. Die SPÖ braucht wieder Modernisierer. (Hans Rauscher, 11.11.2017)