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Mit Washington läuft es für die Türkei nicht so gut, also wendet sich Tayyip Erdoğan seinem russischen Kollegen Wladimir Putin zu.

Foto: AP / Burhan Ozbilici

Sotschi/Ankara – Zumindest ein Glas Schwarztee bester Qualität kann sich Tayyip Erdoğan erwarten, wenn er den russischen Präsidenten trifft – wie am Montagnachmittag in Sotschi. Erdoğans Regierungschef Binali Yıldırım und dessen kleine Delegation dagegen hatten nicht einmal ein Glas Wasser auf dem Tisch, als sie vergangene Woche im Weißen Haus US-Vizepräsident Mike Pence gegenübersaßen. Wasser stand nur für die amerikanische Seite bereit.

Die Wasserglasepisode mag eine Illustration für die Nachlässigkeit der Führung in Washington sein – oder auch für das durch viele Streitpunkte angespannte Verhältnis zwischen der Türkei und den USA. Der türkische Staatspräsident Erdoğan aber machte am Montag das halbe Dutzend Treffen mit Putin in diesem Jahr bisher voll. Auch wenn Erdoğans Premier nach der weitgehend enttäuschenden Reise in die USA das Gegenteil beteuerte: Für die Türkei ist der Nato-Verbündete USA längst nicht mehr der wichtigste Partner. Erdoğans Türkei bewegt sich nämlich weiter auf Russland zu.

Uneinigkeit wegen Kurden

Zwar hat die türkische Führung nun dasselbe Problem mit Moskau wie mit Washington: Beide unterstützen die kurdische Miliz YPG in Syrien. Für Ankara ist sie ein Teil der PKK und damit eine Terrororganisation, die letztlich gegen den türkischen Staat kämpft. Putin jedoch will die YPG bei einer großen Syrien-Konferenz, möglicherweise noch diesen Monat, dabei haben.

An einem Tisch mit den syrischen Kurden der Volksstreitkräfte zu sitzen erscheint den Türken unmöglich. Erdoğan bemüht sich deshalb um eine gesichtswahrende Lösung – wohl auch, so wird spekuliert, im Austausch gegen weitere Vereinbarungen mit Russland über die Operationen der türkischen Armee in Nordsyrien gegen Afrin, eine weiter westlich gelegene Stadt und ein Areal, das vom kurdisch kontrollierten Gebiet abgeschnitten ist.

"Taktische Allianz"

Auch die USA halten weiterhin zu den Kurden in Syrien, musste Yıldırım schon in Washington feststellen. Die Allianz sei taktischer Natur, soll Pence seinem türkischen Gast gesagt haben; dennoch werde sie auf absehbare Zeit bestehen bleiben.

Noch bevor Yıldırım zurück in die Türkei flog, erließ die Staatsanwaltschaft in Istanbul einen Haftbefehl gegen einen weiteren US-Staatsbürger. Dieses Mal ist es Henri Barkey, ein Türkei-Experte und ehemaliger Mitarbeiter im Planungsstab des US-Außenministeriums. Barkey, ein Universitätsprofessor und Bücherwurm, soll im vergangenen Jahr im Auftrag der CIA ein Treffen mit türkischen Hochschulkollegen auf der Insel Büyükada vor Istanbul organisiert und dabei den Putsch am 15. Juli 2016 koordiniert haben.

Die Anschuldigungen klingen fantasievoll, sollen aber laut türkischen Regierungsmedien Teil der angeblichen Verschwörung sein, an der auch Metin Topuz, der langjährige Mitarbeiter im US-Konsulat in Istanbul, und Osman Kavala, der Geschäftsmann und liberale Förderer der Zivilgesellschaft in der Türkei, beteiligt wären. Topuz und Kavala sind bereits seit Wochen in U-Haft.

Retourkutsche

Barkey hat die konservativ-islamische Führung in Ankara schon lange im Visier, ebenso wie Michael Rubin, einen ehemaligen Pentagon-Mitarbeiter, dessen kritische, oft polemische Äußerungen über Erdoğans Türkei den Präsidentenpalast sehr ärgern.

Die andauernden Ermittlungen und Festnahmen der türkischen Justiz werden in Washington als Retourkutsche gesehen. Die Auslieferung des Predigers Fethullah Gülen macht keine Fortschritte. Zwei Wochen sind es auch nur noch bis zum Beginn des Prozesses in New York gegen Reza Zarrab und Mehmet Hakan Atilla, den iranisch-türkischen Goldhändler und den Vizedirektor der staatlichen türkischen Halkbank. Beide sollen mit Wissen Erdoğans jahrelang Sanktionen gegen den Iran umgangen und dabei amerikanische Banken benutzt haben. (Markus Bernath, 13.11.2017)