Thomas Szekeres fordert den Ausbau des niedergelassenen Bereichs.

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Bei kleineren Beschwerden sollten nicht gleich die Spitalsambulanzen aufgesucht werden, sind sich Gesundheitsökonomen einig.

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Wien – ÖVP und FPÖ haben am Dienstag unisono betont, dass sie im Falle einer Einigung auf ein Regierungsprogramm keine neue Ambulanzgebühr einführen wollen. Die ÖVP bezeichnete einen entsprechenden Artikel des STANDARD als "Falschberichterstattung". Wie berichtet gab es jedoch auf Expertenebene in den Untergruppen entsprechende Überlegungen, wie man übervolle Spitalsambulanzen entlasten könnte.

Ebenso unrichtig ist, dass nicht versucht worden sei, eine Stellungnahme einzuholen. DER STANDARD versuchte am frühen Montagnachmittag den Sprecher von ÖVP-Chef Sebastian Kurz zu kontaktieren, ein Rückruf erfolgte aber erst am Abend, woraufhin der Bericht auch um die Klarstellung der ÖVP ergänzt wurde.

Gegen fachlichen Rat

In der Sache geht es um Patienten, die auch bei kleineren Beschwerden nicht zum Hausarzt, sondern in die Spitalsambulanz gehen. Eine Überlegung – der im Artikel nicht namentlich erwähnten Experten – lautet nun: Immer dann, wenn Versicherte entgegen einem fachlichen Rat eine Ambulanz aufsuchen, könnte eine Gebühr anfallen.

Überlegungen in diese Richtung begrüßt auch Ärztekammer-Präsident Thomas Szekeres. Vorbild könnte die im Wiener AKH im Vorjahr eingerichtete Allgemeinmedizinische Akutversorgung sein. Dort werden weniger schwere Fälle an niedergelassene Fachärzte weiterverwiesen, um die Spezialambulanzen zu entlasten.

Nur mehr mit Überweisung

Szekeres könnte sich auch vorstellen, dass Patienten nur mehr mit Überweisung in Spezialambulanzen behandelt werden. Man würde also vom Prinzip, dass jeder fachärztlich begutachtet werden muss, abgehen. In diesem Zusammenhang kann er sich auch das erwähnte Modell einer Ambulanzgebühr vorstellen. Wer sich also nicht an das vorgeschriebene Prozedere halte, könnte mit einer Gebühr belastet werden. "Prioritär" sei das Thema für ihn aber nicht, wie Szekeres hinzufügt.

Und jedenfalls müsse man das Angebot an niedergelassenen Ärzten ausbauen, meint der Kammerpräsident. "Es geht ja niemand ins Krankenhaus, weil es dort so schön ist, sondern weil die Optionen außerhalb oft fehlen." Biete man den Patienten keine Angebote abseits der Spitäler, wären Ambulanzgebühren für ihn "unfair".

Mehr Planstellen gefordert

In diesem Zusammenhang erneuert er auch die Forderung der Ärzteschaft nach zusätzlichen Planstellen im niedergelassenen Bereich in Wien. Wie berichtet werden 300 zusätzliche Stellen gefordert, die Wiener Gebietskrankenkasse drängt bei den anstehenden Tarifverhandlungen ihrerseits auf eine Ausweitung der Ordinationszeiten.

Szekeres fordert die Regierung auf, sich bei den Koalitionsverhandlungen des Themas Entlastung der Spitalsambulanzen anzunehmen. "Wir brauchen eine vernünftige Steuerung." Ein Problem sei auch weiterhin, dass Menschen, die eigentlich in Pflegeeinrichtungen versorgt werden sollten, unnötig lange in Akutspitälern bleiben, weil diese für sie kostenlos sind. "Aus volkswirtschaftlicher Sicht sind die Akutspitäler aber natürlich viel teurer", sagt Szekeres, der dafür plädiert, dass die Sozialversicherung auch für die Pflege mitzahlt. "Das wäre für die Patienten besser und insgesamt auch günstiger." (Günther Oswald, 14.11.2017)