Gastarbeiter wurden nicht immer mit offenen Armen empfangen.

Schenkung des Dachverbandes für serbische Vereine in Wien, 2015, © Jovan Ritopečki

Viele engagierten sich politisch.

Schenkung des Vereins für österreichisch-türkische Freundschaft / Avusturya Türkiye Dostluk Derneği, 2016, © Lisbeth Kovačič

Vasilija Stegić kaufte zunächst zwei Email-Töpfe. Später kam dieser Teller dazu. Für die Ausstellung klebte sie ein Foto ihrer Zeit als Hausbesorgerin hinein.

Schenkung von Vasilija Stegić, 2015, © Wien Museum

Dieser Ceylon Tee ist in der Türkei nicht erhältlich, aber sehr beliebt.

Karedeniz Tee, 2015, © Wien Museum

Wien – In vielen Supermärkten gibt es eigene Regale, in welchen internationale Produkte angepriesen werden – japanische Reisnudeln finden sich dort zum Beispiel. Der Eindruck, dass es sich dabei um authentische Lebensmittel handelt, importiert aus den jeweiligen Herkunftsländern, kann sich allerdings als trügerisch erweisen.

So etwa beim Ece-Schwarztee in goldener Verpackung, dessen Etikett auf Türkisch gehalten ist. Dass der Tee Karedeniz heißt – was dem Namen der türkischen Schwarzmeerregion Karadeniz zum Verwechseln ähnlich ist –, könnte diesen Eindruck noch unterstreichen. Eigentlich wird der Ceylon-Tee aber in Sri Lanka gepflückt und vom Großhandelsunternehmen Orient mit Sitz im 23. Bezirk in Wien vertrieben. Zielgruppe sind vor allem in Wien lebende Türkinnen und Türken.

Nur scheinbar türkisch

Interessant ist das deshalb, weil Menschen mit Migrationshintergrund den Urlaub im Herkunftsland gerne auch dazu nutzen, um Lebensmittel mitzunehmen, die es in Österreich nicht zu kaufen gibt. Mit dem Karedeniz-Tee verhält es sich aber genau umgekehrt: Weil er – nur scheinbar türkisch – in der Türkei gar nicht erhältlich ist, ist er zu einem beliebten Mitbringsel für die dortige Verwandtschaft geworden.

Geschichten wie diese werden aktuell im Wien-Museum erzählt. Die Ausstellung "Geteilte Geschichte. Viyana – Beč – Wien" beschäftigt sich noch bis 11. Februar 2018 mit der Arbeitsmigration aus Jugoslawien und der Türkei seit den 1960-er Jahren. Sie ist Resultat und Materialauszug des Projekts "Migration sammeln", das initiiert wurde, um eine "Leerstelle in der Sammlung des Wien-Museums zu füllen", sagt Ausstellungskurator Gerhard Milchram. Ziel sei, das Material nach der geplanten baulichen Erweiterung des Wien-Museums – DER STANDARD berichtete – in die Dauerausstellung zu integrieren. Derzeit sei darin allein die Migration nach Wien im 19. Jahrhundert präsent. Das solle sich ändern.

Vereinstransparent und Emailtopf

Herz der Ausstellung sind große, von der Decke hängende Leinwände: Jede zeigt eine Person, die ihre persönliche Geschichte im Videointerview erzählt. Darunter die Nationalratsabgeordnete Nurten Yilmaz (SPÖ), die unter anderem von der Gründung des Vereins für österreichisch-türkische Freundschaft berichtet. Eine dazugehörigen Schenkung schmückt die Museumswand: ein großes Vereinstransparent aus den 1980-er Jahren mit den Worten "Kommunales Wahlrecht". Dafür, dass Drittstaatsangehörigen mit Lebensmittelpunkt in Wien das Wahlrecht auf Gemeinderatsebene zugesprochen wird, habe man schon damals gekämpft, erzählt Yilmaz – auch sie als "selbstbewusste Arbeitertochter", wie sie sich selbst bezeichnet.

Vasilija Stegić hat dem Museum einen blassblauen Topf aus Email geschenkt. Sie hatte ihn im Jänner 1973 gekauft – nur wenige Tage nachdem die Kroatin am Wiener Südbahnhof angekommen war. Sie arbeitete in einer Kleiderfabrik. In der Woche, in der sie das Geschirr erwarb, hatte sie kaum noch Geld übrig, um darin Essen zu kochen, erzählt sie im Interview. Sie nahm einen weiteren Job an, wurde später Hausbesorgerin, um ihre Wohnsituation zu verbessern – und fand schließlich einen Job, der ihrer Qualifikation entsprach. Sie ist von Beruf technische Zeichnerin.

Persönliches mit politischem Kontext

45 Menschen schenkten dem Museum persönliche Gegenstände, die sie als bezeichnend für ihre Erfahrungen als Gastarbeiterinnen und Gastarbeiter in Wien empfanden. Eine Musikkassette etwa, die mit Sprachnachrichten an die Familie bespielt wurde – und von der Angst vor der politischen Verfolgung der Kurden in der Türkei erzählt. Oder ein eingerahmtes Dienstzeugnis, das vom Stolz auf die in 20 Jahren geleistete Arbeit zeugt – und ganz nebenbei davon erzählt, dass sich die Menschen, die als temporäre Arbeitskräfte angeworben wurden, nicht nur dauerhaft in Wien niederließen, sondern auch zum österreichischen Wohlstand beitrugen. Von Diskriminierung berichtet etwa eine Fotografie von einem Zettel an einer Lokaltür: "Für jugoslawische Gastarbeiter ist ab 29. 11. 1970 der Eintritt verboten!", steht dort handschriftlich auf Deutsch und Serbisch geschrieben.

Es sind "Geschichten, die bisher öffentlich nicht erzählt wurden, aber erzählt werden wollen", sagt Kurator Milchram – "auf Augenhöhe". Das sei wichtig, damit sie wahrgenommen werden und Wertschätzung finden, aber auch, um zu zeigen, dass sie nicht "so anders sind als das, was andere erleben". So könne sich eine gemeinsame Identität ausbilden. Das "geteilt" im Ausstellungsnamen sei doppeldeutig, erklärt der Kurator. Teilen kann Entzweien oder Trennen bedeuten, es steht aber auch für Vermehren – und Geschichten wie diese gibt es viele. (Christa Minkin, 15.11.2017)