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Foto: AP Photo/Michel Euler

Eigentlich war Audrey Azoulay als Außenseiterin ins Rennen gegangen. Dass die 45-jährige Französin heute, Mittwoch, die Nachfolge der Bulgarin Irina Bokova als Generaldirektorin der Unesco antritt, liegt vor allem an der Zerstrittenheit der Araber. Die diskrete Französin obsiegte in einem früheren Wahlgang gegen eine ägyptische Widersacherin, die von den Katarern abgelehnt wurde. In der Schlusswahl vor einem Monat wurde der Kandidat der Katarer dagegen von den Ägyptern und Saudis boykottiert, sodass Azoulay überraschend gewählt wurde.

Sie steht damit von Beginn an zwischen den Fronten. Kurz vor ihrer Wahl hatten die USA und Israel ihren Austritt aus der Unesco angekündigt. Sie protestierten damit gegen die Aufnahme der nahöstlichen Stadt Hebron in das Weltkulturerbe – und mit Verzögerung gegen die 2011 erfolgte Aufnahme Palästinas als Vollmitglied der Unesco. Azoulay, die jüdischer Herkunft ist, muss zugleich den Sparhebel ansetzen, da die USA für rund ein Fünftel des Unesco-Budgets aufgekommen waren.

Eine Aufgabe, bei der der Französin ihre Lernfähigkeit zugutekommen kann, die sie auch als Kulturministerin von Ex-Präsident François Hollande bewiesen hat. Politisch steht die Tochter eines Chefberaters des marokkanischen Königs links. In Paris absolvierte Azoulay Eliteschulen, wo sie auch, wie sie später erzählte, erstmals auf den "französischen Antisemitismus alter Schule" stieß. Nach einem kurzen Einstand als Bankmanagerin widmete sie sich ihrer Leidenschaft, dem französischen Film. Sie wurde Vizevorstand des Filmförderrats CNC, lernte dort Hollandes Geliebte Julie Gayet kennen. 2016 machte sie der Staatspräsident zu seiner Kulturministerin. Zwar trat die verheiratete Mutter zweier Kinder öffentlich wenig in Erscheinung, ihre Vorlagen brachte sie aber durch.

Azoulay muss nun versuchen, die USA in die Kulturorganisation zurückzuholen. Gelingen wird ihr das nur, wenn sie die Interessen Israels schützt. Damit würde sie aber viele Schwellen- und Entwicklungsländer gegen sich aufbringen. Ihr Vorsitz wird damit zu einer permanenten Gratwanderung entlang der geopolitischen Machtverhältnisse. Erfolgschancen hat die neue, politisch denkende Generaldirektorin paradoxerweise nur, wenn sie die Unesco entpolitisieren kann. Das heißt letztlich: Konzentration auf die Grundaufgaben wie Bildung und Kultur für die Ärmsten dieser Welt. (Stefan Brändle, 14.11.2017)