Eames Demetrios inmitten der Sessel von Opa Charles und Oma Ray.

Foto: Heribert Corn

"Beim ersten Mal, als ich Charles und Ray allein besuchte, war ich acht Jahre alt. Die beiden wollten unbedingt ein Picknick machen. Sie liebten Picknicks. Charles war es wichtig, dass man an den Vorbereitungen teilnahm. Es war eine gemeinsame Sache, die gut organisiert werden musste, damit es allen gefällt. Ein Picknick als Design? Ja, warum nicht? Auch das Decken eines Tisches war für ihn ein Akt der Gestaltung.

Ray war übrigens nicht meine wirkliche Großmutter, da meine Mutter aus der ersten Ehe von Charles stammte. Ich habe aber immer beide als meine Großeltern empfunden. Ray hatte ein wundervolles Lachen, das man durch das ganze Haus hörte.

Bei den beiden gab es jede Menge Sachen zum Spielen. Spielzeug wurde von ihnen als eine Möglichkeit zum Experimentieren gesehen. Wenn sie an Colleges unterrichteten, mussten die Studenten als erstes einen Flugdrachen gestalten.

Ray und Charles Eames wollten immer allem auf den Grund gehen.
Foto: Eames Office LLC

Neben ihrem Haus war auch das Eames Office in Santa Monica ein fantastischer Ort, mit dem beide verwoben schienen. All die Modelle, die Filme, an denen gearbeitet wurde. Es gab dort sogar einen Oktopus, über den auch ein kleiner Film entstand. Der Grund dafür war, dass das Office an einem Entwurf für ein Fischereizentrum und ein Aquarium arbeitete. Der Oktopus erkannte Charles, wenn er ins Studio kam. Das Tier brauchte keinen Namen. Oktopus ist doch schon ein cooler Name.

Charles und Ray wollten immer allem auf den Grund gehen, vor allem auf andere Menschen waren sie sehr neugierig. Sie fragten: 'Welche Filme hast du gesehen? Welche Orte hast du besucht? Womit spielst du? Was denkst du über dies oder das?' Es war wichtig für sie, dass man etwas argumentierte.

Der Eames Plastic Side Chair DSW von 1950
Foto: Hersteller

Eine Geschichte, die mir besonders am Herzen liegt, erklärt sehr gut, wie Charles tickte. Als ich ungefähr zwölf Jahre alt war, kam er zu Besuch und schenkte mir eine Fotokamera. Ich hatte eine Mordsangst, dass ich sie verlieren oder kaputtmachen könnte. Großvater meinte, es wäre lediglich eine Kamera und man könne sie ersetzen. Es ging ihm nicht um die Kamera, sondern darum, dass ich rausgehen sollte, um Bilder zu machen. Und das tat ich dann. Diese Geschichte lehrt viel über seinen Designbegriff! Über die Frage: Was ist das wirkliche Bedürfnis? Ist es die Kamera oder ist es das, was man mit ihr tun kann?

Charles und Ray Eames von Stuhlgestellen "festgenagelt" (1947): Die beiden waren für so manches Späßchen zu haben.
Foto: Eames Office LLC

Als ich aufwuchs, war mir nicht bewusst, dass Charles und Ray berühmt waren. Abgesehen davon waren Designer damals noch nicht solche Rockstars, wie sie es heute teilweise sind. Bewusst wurde mir dies erst auf der Universität, wo in einer Lehrveranstaltung das sogenannte Eames-Haus gezeigt wurde. Es ist schon lustig, wenn da das Haus von Oma und Opa in einer Vorlesung auftaucht. Aber das Schöne war, dass ich die Welt da draußen nie brauchte, um zu wissen, dass die beiden cool und toll waren.

Was mich bis heute inspiriert, ist die Art, wie sie zu ihren Ideen standen, wie konsequent sie diese ausprobieren wollten, auch wenn es die Mittel nicht zu erlauben schienen. Vor allem die 1940er-Jahre waren nicht leicht. Trotzdem gaben sie ihr Bestes und das in vielen Bereichen – von Möbeln und Architektur über Film und Werbung, bis hin zu Textilentwürfen und Fotografie. Ein Credo von ihnen lautete: ,Versuch, Unterstützung zu bekommen, aber warte nicht darauf.'

Arlene Francis stellt 1956 in der NBC-Sendung "Home" Charles und Ray Eames und ihre Designs vor.
Herman Miller

Sie blieben sich selbst treu, auch wenn das pathetisch klingen mag. In den 50er-Jahren gab es eine Anfrage der Biermarke Budweiser. Sie wollten, dass Charles und Ray ihr Logo neu gestalten, was für viele Designer ein Traumjob gewesen wäre. Nach einer Zeit des Überlegens sind die beiden jedoch zu Budweiser gegangen und sagten: ,Hey, euer Logo ist großartig. Verändert es nicht!' Das zeigt, dass die beiden ihre Verantwortung gegenüber einem Kunden sehr ernst nahmen. Und sich selbst gegenüber. Und sie ergänzten sich großartig.

Ob es ein Objekt der beiden gibt, das mir besonders am Herzen liegt? Darauf gibt es viele Antworten, aber die schlichte Billy-Wilder-Chaiselongue ist etwas ganz Besonderes für mich. Ich kann mich erinnern, wie aufgeregt ich war, als sie in einer großen Kiste bei uns im Haus ankam. Meine Mutter hat beim Auspacken die Geschichte erzählt, dass meine Großeltern dem Regisseur das Möbel auf den Leib designten. Wilder wünschte sich eine Liege, die so schmal war, dass er die Arme über der Brust verschränken musste. Schlief er ein, fielen die Arme herab und er erwachte. Als meine Mutter starb, kam das Möbel zu mir.

Die Liege, die dem Regisseur Billy Wilder auf den Leib designt wurde.
Foto: Vitra Design Museum / Jürgen Hans

Ich denke, Charles und Ray würden heute so neugierig forschen wie seinerzeit. Sie würden die Materialien studieren und sich am Spielen mit dem Internet oder 3D-Druckern erfreuen. Wie wohl ihre Website aussähe? Sicher ganz besonders. Bestimmt hätten sie inzwischen Dinge erfunden, die es bis heute nicht gibt. Natürlich würde sie auch der Klimawandel sehr beschäftigen. Charles sagte einmal, die positive Zukunft des Planeten werde davon abhängen, ob sich die Regierungen dieser Welt weiterhin dafür entscheiden, ihre Geheimnisse zu haben. Auf der anderen Seite würde er nach Wegen suchen, wie die Menschen sich Wissen aneignen könnten, um aufgrund der vielen Informationen bessere Entscheidungen treffen zu können. Er sagte einmal, nach dem Zeitalter der Informationen wird die Epoche der Auswahlmöglichkeiten kommen. Und die sollten Sinn machen.

Natürlich war es furchtbar, als Charles starb. Ich war damals 16. Es war wie ein Schlag in meine Magengrube. Und der Schmerz wurde noch schlimmer durch den Umstand, dass ich im Jahr darauf einen Sommer bei ihm im Office hätte arbeiten dürfen." (Michael Hausenblas, RONDO, 28.11.2017)