Es muss nicht immer ein Kochtopf sein: Mit dem neuen Gerät von Miele lässt sich ein Fisch auch im Eisblock garen.

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Markus Miele (links) ist seit 2004 Geschäftsführer des Hausgeräte-Herstellers Miele. Reinhard Zinkanns Urgroßvater gründete 1899 mit Carl Miele das Unternehmen. Zinkann leitet gemeinsam mit Markus Miele die Firma.

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Mit Milchzentrifugen begründeten Carl Miele und Reinhard Zinkann 1899 das deutsche Unternehmen Miele. Heute wird nur noch mit Waschmaschinen geschleudert, die von Miele ebenso wie andere Haushaltsgeräte im hochpreisigen Segment angeboten werden. Wir trafen die beiden Urenkel der Firmengründer, die heute an der Spitze des Familienunternehmens stehen.

STANDARD: Was ist das wichtigste Gerät in der Küche?

Markus Miele: Das ist eindeutig der Herd, wobei das ja eigentlich ein Spezifikum in Deutschland und Österreich ist, diese Kombination aus dem Kochfeld und der gemeinsamen Steuerung über das Backofenfeld.

STANDARD: Gibt es international auch andere wesentliche Unterschiede?

Reinhard Zinkann: Natürlich, auch durch landesspezifische Kochgewohnheiten. In Asien wird stark mit Gas gekocht, dort ist der Wok etwas ganz Zentrales. Einen großen Unterschied macht der verfügbare Wohnraum aus. Bei Platzmangel muss man Geräte kombinieren, wie Dampfgarer mit Backofen. Je nachdem, ob es im jeweiligen Land üblich ist, dass beide Partner arbeiten und die Kinder in der Schule essen, unterscheiden sich auch die Koch- und Essgewohnheiten.

Miele: Es zählt auch die Bedeutung von manchen Gerichten im jeweiligen Land. In den USA beispielsweise ist der Truthahn ganz wesentlich. Wir dachten zunächst, dass ein 60-Zentimeter-Gerät ausreicht, weil wir auch in Europa Gänse oder Enten für mehrköpfige Familien darin zubereiten. Aber die Amerikaner möchten ein größeres Gerät haben, das muss für sie 30 Zoll (circa 76 Zentimeter) breit sein, selbst wenn bei einer Riesenfamilienfeier dann gar nicht selbst gekocht wird. Das ist häufig eine gewisse Vorstellung im Kopf, was sein sollte, und hat nicht unbedingt mit der eigenen Lebenssituation zu tun.

STANDARD: Küchen werden auch bei uns immer größer, teurer, schicker. Gleichzeitig bleibt weniger Zeit zum Kochen. Ist das nicht ein Widerspruch?

Miele: Die Küche verschmilzt immer mehr mit dem Wohnraum. Früher war das nur ein Arbeitsplatz, es musste eine Person möglichst effizient und nicht sichtbar arbeiten. Heute ist die Küche eine Kommunikationszentrale, man verbringt fast die meiste Zeit mit der Familie in der Küche, vom Schlafen abgesehen. Da ist Unterhaltung, Kommunikation, und gleichzeitig findet Essenszubereitung unter unterschiedlichen Vorzeichen statt. Während der Woche möchte ich schnell etwas zubereiten, wenn die Kinder aus der Schule kommen. Am Wochenende lädt man Freunde ein, hat drei Stunden Zeit und fängt schon mit dem Rotwein an. Das alles soll eine Küche heute leisten.

STANDARD: Was hat sich sonst verändert?

Zinkann: Der ganze Stellenwert von Kochen und Genuss, das sieht man auch an den vielen Fernsehformaten. Mit Automatikprogrammen oder dem Dialoggarer können selbst jene, die keine ambitionierten Hobbyköche sind, ihre Freunde beispielsweise mit einem Soufflé überraschen. Und aufgrund der Sichtbarkeit der Geräte spielen natürlich auch das Design und der Prestigefaktor einer Marke eine Rolle.

STANDARD: Apropos Dialoggarer: Dieser wurde auf der IFA als neues "Küchenwunder" um nicht gerade günstige 8.000 Euro vorgestellt. Was kann er?

Miele: Die Speisen werden bei der "M Chef" genannten Technologie durch elektromagnetische Wellen erwärmt, dies aber immer in Kombination mit einer herkömmlichen Zubereitungsart wie Ober- und Unterhitze oder Umluft. Mittels Antennen wird permanent gemessen, wie viel der ausgesandten Energie das Gargut tatsächlich aufgenommen hat. Es geht also um den Dialog zwischen Speise und Gerät, daher der Name. Wir arbeiten im Frequenzbereich um 915 Megahertz. Im Vergleich zu Mikrowellen dringt die Energie tiefer in die Speisen ein. Diese garen daher besonders regelmäßig, und die Kochzeiten verkürzen sich wesentlich.

STANDARD: Das klingt etwas kompliziert. Wie weiß ich, wie lange ein Gericht braucht?

Zinkann: Kunden, die ein Gerät bestellen, bekommen eine sehr ausführliche Einschulung. Weiters gibt es eine Vielzahl von Automatikprogrammen. Wir entwickeln mit internationalen Spitzenköchen permanent Rezepte. Diese haben auch Geräte zu Hause, um zu experimentieren. Die Datenbank wird also ständig umfangreicher. Mittels App lassen sich auch immer wieder neue Rezepte uploaden.

STANDARD: Stichwort Update via App: Was ist in Zukunft realistisch im smarten Home?

Miele: Vor allem geht es hier um intelligente Interaktion mit dem Nutzer: Dinge einfacher machen, ihm aber trotzdem noch die Wahl lassen. Aber natürlich überlegt man sich zuvor, ob man das selbst anwenden würde. Wir haben schon früh begonnen, unsere Geräte vernetzungsfähig zu machen, und verkaufen beispielsweise ein Kochfeld, das mit dem Dunstabzug kommuniziert. Wir haben eine Waschmaschine, die Waschmittel nachbestellen kann. Nicht automatisch, aber Sie bekommen eine Push-Nachricht aufs Handy und können entscheiden: auf die Einkaufsliste oder bestellen? Da nimmt man Kunden Arbeit ab, und diese Sachen werden sich auch durchsetzen. Zu den vielzitierten Auffüllsystemen für Kühlschränke: Wenn ich 20 Erdbeerjoghurts gegessen habe, will ich vielleicht danach nicht ein 21., sondern lieber Johannisbeerjoghurt.

STANDARD: Testen Sie neue Geräte auch selbst zu Hause?

Zinkann: Ja, alle Hausgeräte. Unsere Frauen tragen das "Leid", dass wir gelegentlich etwas Neues in der Küche montieren lassen. Ich sage das meiner Frau vorher gar nicht, weil ich erleben möchte, wie sie ohne Gebrauchsanweisung und ohne Einweisung mit einem Gerät zurechtkommt.

Miele: Also, meine Frau weiß Bescheid. Das habe ich auch von meinem Vater gelernt: Vor 30 Jahren kamen wir aus dem Urlaub zurück, und eine Prototypen-Waschmaschine funktionierte nicht, da war meine Mutter "not amused". Am nächsten Tag stand eine weitere Maschine da. Daher haben wir zu Hause jetzt auch zwei Maschinen und zwei Trockner. Ein Gerätepärchen davon ist immer aus der Serienproduktion. (Petra Eder, RONDO, 4.1.2018)

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