Bitcoins – eine Ware, wenn man ihr vertraut.

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Die ungewöhnlich starke Wertsteigerung der "Kryptowährung" Bitcoin ist allgemein, aber insbesondere wissenschaftlich interessant. Soziologisch ist sie interessant, weil sie verschiedene Motive und Rollen der Beteiligten erkennen lässt.

Zu Beginn der kurzen Geschichte, als ein Bitcoin noch für weniger als einen US-Dollar zu haben war, herrschte die Ansicht vor, Bitcoin sei ein von Banken nicht kontrollierbares Zahlungsmittel für nicht immer saubere Geschäfte. Einige kleinere Betriebe wie Bars und Cafés, aber auch Buchhandlungen ließen sich auf die Bezahlung mit Bitcoins und die Aufstellung von Wechselautomaten ein. Diese Art der Verwendung von Bitcoins weitete sich in den vergangenen Jahren auf größere Unternehmen aus. Doch als die Preise aufgrund stärkeren Gebrauchs stiegen, wurde eine andere Seite deutlicher, nämlich die des raschen Geldmachens: Neben die kaufmännische Rolle trat die der Spekulanten.

Die damit noch rasantere Entwicklung rief eine neue Rolle hervor, die der Händler. Sie wurde von eigens eingerichteten Büros (Pseudobanken), Privatbanken und sogar von halbstaatlichen Unternehmen (wie der österreichischen Post) übernommen: Bitcoins waren zu einer Ware geworden. Diese drei Rollen hatten die primäre, nämlich die der Schöpfer des immateriellen Geldes, zur Voraussetzung – die Rolle der sogenannten Miner. Wir haben es also mit vier tragenden Figuren mit jeweils besonderen Interessen zu tun: Miner, Geschäftsinhaber, Spekulanten und Händler. Sie alle tragen zur Verbreitung und scheinbaren Legitimierung dieser und anderer mittlerweile verwendeter "Kryptowährungen" bei.

Elektronisches Falschgeld

Versuchen wir eine Charakterisierung: Die Miner sind bewusst oder unbewusst Betrüger. Sie schaffen elektronisch Falschgeld, wie die traditionellen Geldfälscher handwerklich. Warum Geldfälscher? Weil beide Fälscher ohne eigene Produktion von Gütern den Zugriff auf Wirtschaftsleistungen des legalen Wirtschafts- und Währungssystems ermöglichen, solange ihr Geld von Warenanbietern nicht als falsches erkannt wird. Die Geschäftsinhaber hingegen sehen ihren Vorteil darin, Bitcoins kontroll- und spesenfrei, ja eventuell sogar mit einer Chance auf Wertsteigerung des eingenommenen Zahlungsmittels einen Gewinn zu machen. Damit ist die Rolle der Spekulanten angesprochen. Vergleichbar mit einem besonderen Kunstwerk, also beispielsweise einem Van-Gogh-Gemälde, erwarten sie einen Vermögenszuwachs ohne eigene Arbeitsleistung. Schließlich die Händler: Sie kaufen und verkaufen Bitcoins oder andere "Kryptowährungen" wie Börsenmakler, Devisen- oder eben Kunsthändler.

Was sollte nun zum weiteren Verständnis der immateriellen "Währungen" (Währungen sind eigentlich nur gesetzliche nationale Geldsorten) beachtet werden? Zwei Umstände sind zuerst zu nennen: Die "Kryptowährungen" müssen mit legalem Geld gekauft werden, und es gilt, klar zu unterscheiden zwischen dem virtuellen Geld und dem seinem Gebrauch zugrunde liegenden technischen System, der "Blockchain". Diese ist zu verstehen als ein im Internet mit jedem Bezahlakt wachsendes Netz von Knoten. Alle Aktionen werden auf allen beteiligten Computern dokumentiert. Diese Technik beziehungsweise dieses elektronische System lässt sich auch von offiziellen Banken kostensparend oder für viele andere Vorgänge nutzen. Zum Beispiel könnte einem Auto ein Konto mit virtuellen Geldmitteln zugewiesen werden, von dem dann entsprechend programmiert ohne weiteres Zutun Geld fürs Tanken, für Versicherungen, Steuern, Mautgebühren et cetera abgebucht wird. In dieser Richtung werden in kurzer Zeit viele weitere Anwendungen des immateriellen Zahlungsverkehrs zu beobachten sein.

"Non aes sed fides"

Worauf es aber bei allen Geldarten ankommt, gleichgültig ob materiell in Form von Münzen und Scheinen oder immateriell in Form von elektronischen Impulsen, ist eines: Sie lassen sich nur verwenden, solange der Glaube oder das Vertrauen von Warenanbietern besteht, für das eigenommene Geld künftig Waren kaufen zu können. Diesen ganz entscheidenden Umstand scheinen die Währungshüter der Mittelmeerinsel Malta schon zu Beginn des 18. Jahrhundert erkannt zu haben; auf eine ihrer Münzen ließen sie prägen: "Non aes sed fides". Das ist Latein und bedeutet: Es kommt nicht auf das Metall wie Gold, Silber oder Kupfer an, sondern auf das Vertrauen. Damit sind die Risiken der "Kryptowährungen" angesprochen.

Sobald konkret oder auch nur gerüchteweise erfahren wird, dass das Geld ernsthaft gefährdet ist, schwindet das Vertrauen, was schnell zu einem Werteverfall – wie immer wieder, so auch kürzlich – oder gar zum Kollaps führen kann. Solche Gefährdungen können in Cyberkriminalität oder auch in der absoluten Abhängigkeit von elektrischem Strom gesehen werden. Stromausfälle können durch Wetterkapriolen, durch politisch oder sonst wie motivierte Eingriffe, aber auch durch den stark steigenden Stromverbrauch beim "Mining" und durch die zunehmenden Transaktionen lokal, regional oder auch kontinental verursacht werden. Allerdings führt über kurz oder lang eine andere Entwicklung dann zum totalen Zusammenbruch der illegalen Währungen, wenn die Notenbanken legales Geld über das System "Blockchain" in verschiedenen Geschäftsbereichen verwenden und verwenden lassen; statt Bitcoins etwa Dollars. Die weitere Entwicklung bleibt folglich nicht nur wissenschaftlich spannend. (Paul Kellermann, 17.11.2017)