Wien – "Ready! Go! Hut!", schreit Lukas Sulan, Quarterback der Uni Wien Emperors. Sobald er die letzte Silbe gesprochen hat, bekommt er von seinem Vordermann den eiförmigen Football. Die Helme von Offensive und Defensive krachen aneinander, Spieler fallen auf den kalten Boden. Sulan wirft den Ball zu seinem Mitspieler an die Zehn-Yard-Linie. Cheftrainer Matthias Neumann nickt zufrieden. Im Match würde das ein First Down bedeuten, das Team hätte vier weitere Versuche, um die nächsten zehn Yard Raum zu erobern. Doch noch ist es kein Match. Noch wird auf dem Sportgelände in der Ravelinstraße trainiert.

DER STANDARD

"G'scheit zupacken! Die von der Med-Uni hauen sich nachher eh die Schmerzmittel rein", ruft der Trainer der Defensive und gibt damit bereits die Marschrichtung für das Spiel der Uni Wien Emperors gegen die Med-Uni Serpents um den Einzug in das Football-Finale der Austrian College Sports League, kurz ACSL, vor.

Dass es dieses Finale überhaupt gibt, liegt an Einfallsreichtum, Engagement und Umsetzungskraft der sportfanatischen Studenten. Anders als bei den fast schon profimäßig geführten College-Teams in den USA sind in der ACSL selbst die Trainer Studenten. Auch Emperors-Trainer Neumann musste nicht lange davon überzeugt werden, sich zweimal in der Woche ehrenamtlich auf den Platz zu stellen und mit der Mannschaft Spielzüge einzustudieren: "In der Football-Community kennt man sich. Als ich gefragt wurde, war ich dabei." Die wenigsten, die auf dem Platz stehen, sind Football-Neulinge. Viele spielten in Vereinen, konnten ihre Vereinskarriere neben dem Studium aber nicht fortsetzten. So ging es auch Jus-Student Martin Herberstein: Aus St. Pölten zum Studieren nach Wien gekommen, blieb ihm für Football keine Zeit. In einer Großstadt wie Wien auf Anhieb Leute mit ähnlichen Interessen und Hobbys kennenzulernen ist schwer. "Als ich auf die Uni gekommen bin, saß ich mit 600 anderen im Hörsaal, da ist es schwer, Kontakte zu knüpfen."

Damit spricht er das aus, was sich die Studenten Lawrence Gimeno und Colin Fuchs-Robetin gedacht haben, als sie 2015 die ACSL gegründet haben. Sie wollten einen Ort schaffen, an dem Studenten zueinanderfinden.

Vom runden Ball zum Ei

Begonnen hat alles mit Basketball. Gimeno hatte ein Auslandssemester in den USA verbracht und dort mitbekommen, was es heißt, wenn eine ganze Uni hinter einem Team steht. Danach war er von der Idee, auch in Österreich etwas Ähnliches zu etablieren, nicht mehr abzubringen. Zu seinem Geburtstag mietete er einen Turnsaal und ließ seine Freunde, die er aus dem Basketball-Nachwuchs in Traiskirchen kannte, gegeneinander spielen. "Ich dachte: Das muss doch auch hier in Wien gehen."

Die Austrian College Sports League wird von Studenten selbst organisiert.
Foto: Christian Fischer

Die Basketball-Community ist klein, und so kannten Gimeno und Fuchs-Robetin auf jeder Uni ein paar ehemalige Vereinsspieler. "Die haben wir zusammengetrommelt und mal ein paar Spiele veranstaltet." Zum ersten Event im Juni 2015 erschien nur die Community (rund 200 Personen) in der Mollardgasse. Ein paar Monate später waren es schon doppelt so viele.

Gimeno, der statt BWL eigentlich Design studieren wollte, begann die Dressen und Logos der Teams selbst zu gestalten, designte den Webauftritt der ACSL und dachte sich für jedes Team einen Namen aus. Im Oktober wurde die erste große ACSL-Basketball-Saison gespielt. Mit dabei waren je sechs Herren- und Damenteams. "Danach kamen Footballer zu uns und meinten, sie wollen das auch machen", erzählt Fuchs-Robetin. Einen Tag später begannen sie, die Football-Liga aufzubauen.

"Die Organisation von Football-Events ist dann doch ein Stück aufwendiger", betont Fuchs-Robetin. "Die Football-Community hat uns aber mit offenen Armen empfangen", fügt Gimeno hinzu. Security, Sanitäter, Notarzt, Zusatzversicherungen für Spieler – all das muss bezahlt und organisiert werden. Um die Kosten zu decken, werden bei den Veranstaltungen Speisen und Getränke verkauft, bei Football-Spielen kommt die ACSL nicht um einen Eintritt von fünf Euro herum. Dafür ist bei Football-Spielen das Angebot ein größeres, es gibt eigene Cheerdancer – ebenfalls Studentinnen, die sich selbst trainieren – und eine Halftime-Show.

Selbstfinanziert

Ums Geld geht es den beiden jedenfalls nicht. Sie arbeiten gratis 80 bis 90 Stunden pro Woche. Durch Mitgliedsbeiträge finanzieren die Spieler ihre Trainingsplätze selbst, bei der Football-Ausrüstung greift so manche Hochschülerschaft unterstützend ein.

Auch der Coach der Uni Wien Emperors, Matthias Neumann (ohne Helm), arbeitet ehrenamtlich.
Foto: Christian Fischer

Gimeno und Fuchs-Robetin haben mit der ACSL die erste College-Liga Österreichs erschaffen – aus dem Stand. An den Basketballbewerben nehmen mittlerweile Teams von zwölf verschiedenen Universitäten aus ganz Österreich teil, im Football sind es vier. Möglich gemacht wurde das durch Unmengen an Engagement und Freizeit, die alle Beteiligten bereit waren zu investieren. (Jakob Sturn, 16.11.2017)