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Wikileaks-Gründer Julian Assange zerstört die Ideale seiner Transparenzplattform.

Foto: AP/Augstein

Wenn Donald Trump die US-Präsidentschaftswahl verliere, solle er behaupten, das Endergebnis der Wahl sei manipuliert worden: Diesen Ratschlag übermittelte das Twitter-Konto von Wikileaks am Wahltag an Trumps Sohn Donald Jr. Es war nicht der erste Kontakt zwischen dem Trump-Team und der Enthüllungsplattform, wie vergangene Woche publik wurde. Die Direktnachrichten auf Twitter sind nun Inhalt der Untersuchungsausschüsse im US-Kongress und wohl auch für Sonderermittler Robert Mueller von Bedeutung.

Abgesehen von der politischen und möglicherweise strafrechtlichen Komponente – Wikileaks soll seine Informationen von russischen Geheimdiensten erhalten haben – empört vor allem die Parteilichkeit der Plattform zahlreiche ehemalige Mitstreiter.

Mit autoritärem Kandidaten zusammenarbeiten

Der US-Journalist Barrett Brown, der im Zusammenhang mit gehackten und auf Wikileaks gelandeten Dokumenten sogar eine Haftstrafe verbüßt hat, warf Wikileaks-Gründer Assange vor, die Transparenzbewegung in Gefahr gebracht zu haben. Es sei eine Sache, gehackte E-Mails zu veröffentlichen – was durchaus im öffentlichen Interesse sein kann; aber etwas völlig anderes, "mit einem autoritären Kandidaten zusammenzuarbeiten, um die Öffentlichkeit hinters Licht zu führen", so Brown auf Twitter. Das Vorgehen von Wikileaks sei "nicht zu verteidigen und ekelhaft".

Fehde zwischen Clinton und Assange

Wikileaks-Chef Julian Assange behauptete während des US-Präsidentschaftswahlkampfs mehrfach, nicht aus persönlichen Motiven zu agieren. Doch Hillary Clinton hatte sich in ihrer Zeit als US-Außenministerin wegen der Publikation geheimer Dokumente mehrmals scharf gegen Wikileaks und Assange geäußert. Das Gerücht, dass Clinton Assange mittels Drohnenangriffs habe töten wollen, ist allerdings unbestätigt – dies wurde lediglich in einem äußerst rechten Blog behauptet und von Wikileaks weiterverbreitet.

Das Timing von veröffentlichten E-Mails der Demokraten auf Wikileaks ist ein Indiz dafür, wie parteiisch die Plattform vorging. Rund eine Stunde, nachdem ein Video aufgetaucht war, das frauenfeindliche Bemerkungen von Donald Trump zeigte, veröffentlichte Wikileaks gehackte E-Mails von Clintons Wahlkampfmanager John Podesta. Kritiker sahen dies als Versuch, die Aufmerksamkeit der Medien von Trumps sexistischen Aussagen wegzulenken.

Verschwörungstheorien

Dazu kommt, dass Assange selbst in den vergangenen Monaten – teils auf seinem privaten Account, teils über Wikileaks – Verschwörungstheorien verbreitet hat. Erst vor wenigen Wochen, als ein Massenmörder in Las Vegas über 50 Menschen erschoss, twitterte Assange, dass die meisten Anschläge auf Anweisung des FBI passierten.

Wikileaks versuchte während des Brexits, die Aussagen eines Zeugen zu diskreditieren, der angegeben hatte, die Politikerin Jo Cox sei von einem Brexit-Anhänger ermordet worden. Auch in das katalanische Unabhängigkeitsreferendum mischte sich Assange ein, dazu verbreitete er etwa gefälschte Fotos von Polizeigewalt (obwohl reale Bilder von brutalen Polizeieinsätzen existieren). Außerdem tätigte Assange antisemitische Aussagen.

Parteiisch

Die neuen Informationen über Wikileaks stellen Nutzer und Journalisten, die über Wikileaks-Enthüllungen berichten, vor ethische Probleme. So wurde bekannt, dass die Plattform die Trump-Kampagne bat, ihr geheime Informationen über Trump, etwa Steuerbescheide, zukommen zu lassen. Dann würde Wikileaks "unparteiisch" erscheinen, seine Clinton-Enthüllungen wären dadurch wirkungsmächtiger. Durch die Privatnachrichten mit Trump Jr. wird klar, dass Wikileaks nicht (mehr) Informationen veröffentlichte, um für Transparenz zu sorgen, sondern dass diese Infos als politische Waffe genutzt wurden.

Wer Inhalte von Wikileaks nutzt, sollte im Hinterkopf behalten, dass die Plattform mittlerweile eine klare politische Linie verfolgt, die oft mit den Zielen der russischen Regierung übereinstimmt. Zwar gibt es kaum Fälschungsvorwürfe gegen Wikileaks, die wohl von Geheimdiensten statt Whistleblowern erhaltenen Informationen und das Timing von deren Veröffentlichung machen Wikileaks zum politischen Akteur statt zur unabhängigen Plattform. (Fabian Schmid, 22.11.2017)