Eine oberösterreichische Mutter an Thomas Stelzer: "Ich werde nämlich Ihre Rolle als LandesVATER sehr ernst nehmen und meine Tochter bei Ihnen abgeben. Mangels Alternativen."

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Die Vorgeschichte: Neun Jahre lang ist der beitragsfreie Kindergarten für Eltern in Oberösterreich Realität. Familien nehmen ihn in Anspruch, sie organisieren sich und ihr Erwerbsleben danach. Wie ein Blitz aus heiterem Himmel trifft viele nun Ende Oktober die Nachricht, dass ab Februar 2018 für den Nachmittag wieder zu zahlen ist.

Was passiert nun? Eltern rechnen, ob es sich auszahlt, die Kosten zu schultern, oder ob man für die paar Tage, wo man wirklich Betreuung fürs Kind braucht, nicht doch Oma und Co einspannen könnte. Viele werden das tun. Und es werden jene Eltern übrigbleiben, die keine Großeltern oder kein soziales Netzwerk zur Verfügung haben. Auch Tagesmütter sind ob der überschaubaren Entlohnung rar.

Keine Wahlfreiheit

Eine dieser betroffenen, mit der Betreuungsaufgabe für ihr Kind alleingelassenen Mütter ist Christine S.. Sie habe, so schreibt sie in ihrem Brief an den oberösterreichischen Landeshauptmann Thomas Stelzer, alles "richtig" gemacht. Sie ist verheiratet, hat eine gute Ausbildung, einen guten Job, ein Kind und ein Haus.

Weil der Kindergarten in ihrer Heimatgemeinde sehr klein ist, werde es nicht mehr gelingen, die für eine Nachmittagsbetreuung erforderliche Mindestanzahl von zehn Kindern zusammenzubringen. S. sieht das Ende ihrer Wahlfreiheit gekommen. Sie ist verzweifelt. Die junge Frau, die drei Tage die Woche insgesamt drei Stunden für ihren Arbeitsweg nach Linz in Kauf nimmt, schreibt dem Landeshauptmann. "Ich hoffe, Sie haben im Landhaus einen netten Raum mit viel Spielzeug und eine gut ausgebildete Fachkraft für Kinderbetreuung sobald diese Maßnahme in Kraft tritt. Ich werde nämlich Ihre Rolle als LandesVATER sehr ernst nehmen und meine Tochter bei Ihnen abgeben. Mangels Alternativen." Dieser Brief erregt Aufsehen.

Dreiste Reaktionen

Viele solidarisieren sich. Es gibt aber auch viele, die beginnen, an der Lebensführung der jungen Mutter herumzumäkeln. Muss sie denn so weit zur Arbeit fahren? Braucht sie das Geld wirklich? Warum hat sie Schulden? Warum gründet sie keine Mütterinitiative, statt den Landeshauptmann zu belästigen? Warum kauft sie nicht lieber auf Willhaben, dann hätte sie nicht so viele Schulden? Diese und viele anderen Dreistigkeiten muss sie sich nun gefallen lassen. Und das alles nur, weil sie etwas eingefordert hat, was scheinbar schon einmal gesellschaftlicher Konsens war: nämlich dass Kinderbetreuung auch Aufgabe des Staates ist.

Es gäbe noch viel über den unüberlegten Entwurf zur Einführung der Nachmittagsgebühr im Kindergarten zu sagen. Wer überlegt sich beispielsweise, wie es den Kindern geht, wenn nun schon vor 13 Uhr sowohl Mittagessen wie auch Mittagsrast erledigt sein muss? Wer denkt daran, dass die Kinder aus ihren Stammgruppen herausgerissen werden und zu Restsammelgruppenkindern mutieren? Wie muss es sich für Kinder anfühlen, wenn der beste Freund, die beste Freundin nachmittags nicht mehr zum Spielen da ist? Wer denkt an die Pädagoginnen, Pädagogen und Helferinnen, die zukünftig auf 25-Stunden-Jobs ihre Existenz aufbauen müssen? In der oberösterreichischen Landesregierung anscheinend niemand, sonst wäre ein so unüberlegter Entwurf, der einer reinen Ideologie – die Kinder gehören am Nachmittag sowieso nach Hause – geschuldet ist, nicht zustande gekommen. Schade für Oberösterreich, schlimm für Eltern und Kinder. (Susanne Pollinger, 16.11.2017)