Das High-Altitude Water Cherenkov (HAWC) Gamma-Ray Observatory in Mexiko besteht aus mehr als 300 großen Wasserbehältern. Mit der Anlage in über 4.000 Metern Seehöhe lassen sich Gammastrahlen-Quellen im All näher untersuchen.

Foto: HAWC/Jordan A. Goodman

Salt Lake City / Wien – Im Jahr 2008 stellten zwei Weltraumteleskope im Orbit eine ungewöhnlich große Menge von Antimateriepartikeln fest, die aus dem All auf die Erde einströmten. Der Ursprung dieser unerwarteten Positronenflut, dem Anti-Pendant zum Elektron, war zunächst unklar. Nach weiteren Beobachtungen kristallisierten sich jedoch allmählich zwei unterschiedliche Erklärungen heraus: Entweder die Positronen stammen von sehr rasch rotierenden erdnahen Pulsaren, oder aber sie entstanden bei einem bisher noch unbekannten kosmischen Prozess. Nun gibt es neue Hinweise darauf, dass womöglich Letzteres zutrifft.

Wassertank-Observatorium

Auf mehr als 4000 Metern Höhe an der Flanke des Vulkans Sierra Negra im mexikanischen Bundesstaat Puebla steht ein Gammastrahlenobservatorium, das auf den ersten Blick eher einer großen Ansammlung von Wassertanks gleicht – und eigentlich ist es genau das: Das High-Altitude Water Cherenkov (HAWC) Gamma-Ray Observatory besteht aus mehr als 300 tonnenförmigen Behältern. Treffen hochenergetische Gammastrahlen auf die oberen Atmosphärenschichten, werden dabei Atome in Stücke geschlagen.

Die Folge ist eine umfangreiche Kaskade von beinahe lichtschnellen Teilchen, die Richtung Erdboden rasen. In den Tanks des Observatoriums verursacht dieser Teilchenschauer blaue Blitzlichter, aus denen Forscher die Energie und den Ursprung der Strahlen bestimmen können.

Ein Team um Anushka Udara Abeysekara von der University of Utah (Salt Lake City) hat sich nun mit dem HAWC-Observatorium die Gammaemissionen zweier Pulsare genauer angesehen. Die beiden Neutronensterne rotieren mit enormen Geschwindigkeiten und schleudern dabei unter anderem auch Positronen fort. Man hatte bisher vermutet, dass es diese Antiteilchen bis zur Erde schaffen. Ihr Alter würde passen und auch ihre Distanz ließ sie als Quelle der hier eintreffenden Antimaterie infrage kommen.

Dunkle Materie als mögliche Quelle

Doch Abeysekaras Messungen sprechen dagegen: Wie er und seine Kollegen im Fachjournal "Science" berichten, passt das Profil der Gammastrahlung der beiden Pulsare nicht zu dieser Annahme. Vielmehr deuten die HAWC-Daten darauf hin, dass beide Objekte von dichten Materiewolken umgeben sind, die nur sehr wenige Positronen durchlassen würden. Dass eine größere Anzahl von dort den Weg bis zur Erde findet, sei demnach auszuschließen.

Aber was ist dann verantwortlich für die zusätzlichen Positronen, die unseren Planeten erreichen? Hao Zhou, Koautor der Studie, vermutet einen wesentlich exotischeren Ursprung: Möglicherweise entstehen sie beim Zerfall jener nach wie vor mysteriösen Partikel, aus denen sich die Dunkle Materie zusammensetzt. (Thomas Bergmayr, 16.11.2017)