Geri Winkler vor seiner Maskensammlung

Foto: Geri Winkler/Reisekamerad

Geri Winkler in Afghanistan

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In Korowai im indonesischen Teil der Insel Neuguinea

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Gemeinsam mit Sylvia Alfery am Kratersee Quilotoa

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Geri Winkler beim Aufstieg auf den Mount Vinson

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Beim Volk der Somba in Benin

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Radtrekking in der Wüste von Belitschistan

Foto: Geri Winkler/Reisekamerad

Geri Winkler kommt gerade aus Angola in die Enge seiner Wiener Wohnung. Das Penzinger Zuhause verrät nur wenig von der großen weiten Welt. Eine Landkarte im Arbeitsraum, gespickt mit Fähnchen, und die weiße Wand im Vorraum, geschmückt mit exotischen Masken, sind die einzigen Hinweise auf Winklers eben abgeschlossenes Projekt: Der 61-Jährige hat alle 193 Staaten der Erde bereist.

"Ich war schon mal vor 21 Jahren in Angola, bekam aber beim Grenzübertritt von Namibia keinen Stempel in den Pass. Also bin ich jetzt wieder hingeflogen", sagt er. Auf das Visum für den Staat, der ihn endgültig zum Weltreisenden im Wortsinn macht, musste er wochenlang warten, vorab jede Hotelbuchung und ein polizeiliches Führungszeugnis beibringen. "Als Tourist würden Sie vermutlich nicht hinfahren, zu mühsam", meint er. Und doch schwärmt er von den neuen Eindrücken während seines zweiwöchigen Aufenthalts. "Einfach nur Länder zu sammeln war nie mein Ding, ich möchte überall ein bisserl länger bleiben."

Nach Hamburg, der Liebe wegen

Winkler wächst in Döbling als Sohn eines Gerichtssachverständigen für Verkehrsunfälle auf, die Mutter hilft dem Vater im Büro. Mit vier Jahren verlässt Geri zum ersten Mal Österreich – nach landestypischer Manier geht es nach Jesolo. "Mit 17 stand ich auf der Hadikgasse und streckte meinen Daumen raus", sagt Winkler über den eigentlichen Beginn seiner Abenteuerlust. "Ich hatte mich in ein Mädchen verliebt und wollte zu ihr nach Hamburg." Sein Vater, der jeden Tag mit Unfällen zu tun hat, ist naturgemäß wenig begeistert, dass sein Sohn Autos stoppt, lässt ihn aber ziehen.

Später absolviert Winkler ein Mathematikstudium, wird Lehrer am Wiener Billrothgymnasium – nicht die schlechteste Voraussetzung, um viele Wochen im Jahr auf Reisen zu gehen, wie er selbst sagt. "Eine meiner ersten führte mich zu den Papua auf Neuguinea. Ich blieb so lange bei den Indigenen, wie ich konnte." Danach will er auch seine Schüler für selbstbestimmtes Reisen begeistern. Mit einer vierten Klasse am Gymnasium reist er nach Florenz – und geht mit den Kindern von dort zu Fuß nach Siena, im nächsten Schuljahr entsteht ein spektakuläres Klassenfoto am über 4.000 Meter hohen Gipfel des Jbel Toubkal im Hohen Atlas, im Jahr darauf besuchen sie Syrien. "An meinen Unterricht werden sich nur wenige Schüler erinnern, an die Reisen mit mir sehr wohl", sagt er.

Diagnose und Selbsttherapie

Im Jahr 2001 ändert sich Grundlegendes für Winkler, der an Diabetes vom Typ 1 leidet, also regelmäßig Insulin spritzen muss. Ärzte prognostizieren ihm, dass er mit dieser Krankheit vermutlich keine 50 Jahre alt wird. Winkler reagiert darauf unorthodox. Er schreibt sechs Herstellerfirmen für Blutzuckermessgeräte an: "Bin bereit, Ihre Geräte unter extremen Bedingungen im Kaukasus zu testen." Er rechnet nicht wirklich mit einer Antwort, und doch sagt ihm schon bald ein Produzent die Finanzierung seiner Expedition zu.

Winkler wird sukzessive zum Extrembergsteiger, der beweisen will: Insulinabhängigkeit und Abenteuerlust schließen einander nicht aus. "Ich hatte nie das Gefühl, dass mich Diabetes bei irgendeinem Vorhaben einschränkt ", sagt er. Seine Ärztin, die Diabetes-Expertin Kinga Howorka, habe ihn stets darin bestärkt, alles tun zu können. "Als ich ihr mein Vorhaben erklärte, sagte sie nur: ,Ich habe keine Ahnung, wie man hohe Berge besteigt, aber ich finde die passende Therapie dafür.‘"

Maximale Höhenmeter

Am 20. Mai 2006 steht Geri Winkler als erster insulinabhängiger Diabetiker auf dem Gipfel des Mount Everest. Weil er aber trotz aufrichtigen Interesses für die Länder, die er bereist, nicht ganz immun gegen Superlative ist, beginnt er die Reise in den Himalaya beim tiefsten Punkt der Erde, am Toten Meer. In acht Monaten fährt er mit dem Fahrrad durch sieben Länder und absolviert dabei die maximal möglichen 9.261 Höhenmeter bis zum höchsten Punkt der Erde.

Eine Leistung, die ihm viel Aufmerksam und in Folge ein Einkommen einbringt, das deutlich über einem Lehrergehalt liegt. Vor allem große Unternehmen buchen ihn seither für Seminare zum Thema "Motivation". Das ist dann auch der Zeitpunkt, an dem Winkler die berufliche Laufbahn als Lehrer an den Nagel hängt: "Es kann nicht sein, dass ich durch diese Reisen Geld verdiene und gleichzeitig ein Lehrergehalt vom Staat weiterbeziehe."

Alleine weiter

Winkler sagt, er habe nie geplant, in Wettbewerbsmanier alle Staaten der Welt zu bereisen. Als er allerdings im April 2016 wieder einmal seine Reiseaufzeichnung durchforstet, bemerkt er, dass ihm nur elf Staaten bis zum Erreichen genau dieses Zieles fehlen. Gemeinsam mit seiner Frau Sylvia Alfery beschließt er, die Länder bald zu besuchen. Die beiden waren Lehrer an derselben Schule, sind seit 13 Jahren ein Paar und oft zusammen verreist. "Es ist eine funktionierende Patchwork-Familie, sie hat zwei Söhne, ich einen. Mit den Ex-Partnern verstehen wir uns so gut, dass wir alle zusammen auf Urlaub fahren", sagt er.

Wie Urlaub mutet seine Reiseroute bis nach Angola nicht an. Winkler beginnt die Tour de Force in Gabun, noch gemeinsam mit seiner Frau, die ihn bis nach Saõ Tomé und Príncipe begleitet, danach reist er über die beiden Kongos alleine bis nach Angola weiter. An der Grenze muss er 17 Stunden warten – irgendetwas gefällt den Beamten nicht an seinen Papieren. Doch dann darf er einreisen.

Beweisführung im Internet

Wie erbringt man den Nachweis, tatsächlich in allen 193 Staaten der Erde gewesen zu sein? Winkler hat kein Mobiltelefon und machte daher in vielen Ländern, die er bereiste, keine Selfies, ließ sich oft nicht einmal von anderen fotografieren. "Früher gab es einen Club für Vielreisende, in dem man einander persönlich Stempel im Pass oder Reservierungsbestätigungen zeigte. Jetzt geschieht die Beweisführung im Internet", sagt er. Auf der Web-Site Nomadmania.com sind sie alle gelistet, die Ländersammler dieser Erde. Nur rund 100 Menschen ist es bisher gelungen, jedes Land der Erde zu besuchen. Darunter sind drei Österreicher.

Wohin geht die Reise nach dem 193. Staat? Winkler schaut an einem grauen Novembertag aus einem Fenster in Wien-Penzing: "In eine ungarische Therme." (Sascha Aumüller, 18.11.2017)