Der Traum vom Einfamilienhaus ist zwiespältig – und sollte nicht gefördert werden.

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Regelmäßig melden sich linke Ökonomen zu Wort, die lautstark beklagen, dass in Österreich die Vermögen auch im europäischen Vergleich besonders ungleich verteilt sind und diese Kluft zwischen arm und reich weiter wächst. Und jedesmal antworten rechtsliberale Forscher, etwa von der Denkfabrik Agenda Austria, mit dem Hinweis, dass diese Zahlen verzerrt sind und wenig über die tatsächliche Ungleichheit im Lande aussagen.

In dieser Debatte haben die letzteren Recht. Ungleichheit in Österreich ist, definiert als Zugang zu wirtschaftlichen Ressourcen, nicht höher als in Italien, Spanien oder Griechenland – im Gegenteil. Beim Einkommen liegt das Land fast an der Spitze der Gleichheit. Und für die massiven Unterschiede beim Vermögen gibt es zwei Gründe – das dichte soziale Netz und der hohe Anteil an Mietwohnungen.

Großzügiges Pensionssystem

Österreich hat eines der großzügigsten Pensionssysteme der Welt mit einer der höchsten Ersatzraten. Der Durchschnittsverdiener muss sich daher während des Arbeitslebens weniger zur Seite legen, um für das Alter vorzusorgen, und kann mehr konsumieren. Das dämpft die Vermögensbildung in der Mittelschicht. Auch die immer noch ausgezeichnete Krankenversicherung sorgt dafür, dass Menschen weniger sparen. Dafür gibt es höhere Sozialabgaben. Das gleicht sich letztlich aus.

Dazu kommt, dass mehr als die Hälfte der Österreicher in Mietwohnungen wohnen. Wer lebenslang mietet, hat weniger Vermögen als ein Eigenheimbesitzer. In ärmeren Ländern Europas hat man kaum eine Wahl, als sich die Wohnung oder das Haus käuflich zu erwerben.

Schloss oder Altbauwohnung?

Reiche haben hingegen meist Immobilienbesitz, oft sogar mehrfach. Und da die Häuserpreise seit der Weltfinanzkrise stark gestiegen sind, wächst dadurch die Ungleichheit viel mehr als in einem Land, wo wenig gemietet wird. Doch der Schlossbesitzer im Waldviertel fühlt sich viel weniger reich – und ist es de facto auch – als der pensionierte Spitzenbeamte in einer günstigen Altbaumietwohnung in der Innenstadt.

Leider ziehen die Analysten der Agenda Austria – ebenso wie die Vordenker bei Türkis-Blau – aus diesem nüchternen Befund die falschen Schlüsse. Man müsse halt das Wohnungseigentum in Österreich stärker fördern, dann wäre die Gesellschaft gerechter. ÖVP-Chef Sebastian Kurz nennt das Eigenheim den besten Schutz vor Altersarmut. Das klingt sozial.

Steuerliche Förderung? Bitte nicht!

Damit steht auch im Raum, dass die nächste Regierung die steuerliche Absetzbarkeit von Hypothekarkrediten einführt, die in Ländern mit hohem Eigenheimsanteil üblich ist.

Doch das wäre ein gravierender Fehler. Österreich ist mit seinem hohen Mietanteil gut dran, und eine steuerliche Förderung von Eigenheimbesitz würde soziale Schieflagen nur verstärken – und unseren Wohnungsmarkt deutlich krisenanfälliger machen.

Eine Wohnung oder ein Haus zu besitzen ist vielleicht ein psychologischer Vorteil. Finanziell steigt man mit Mieten sehr oft besser aus. Die Kosten der Miete sind meist niedriger als die Kapital- und Zinsbelastung, die es braucht, bis man sein Heim tatsächlich abgezahlt hat. Und wer mietet, hat Ersparnisse zur Verfügung, die man flexibel nützen kann, etwa für Aus- und Weiterbildung der Kinder, für eigene Reisen, oder auch im Not- und Krankheitsfall.

Altersarmut im wertvollen Eigenheim

Gegen Altersarmut hilft eine gesicherte unbefristete Miete – und das ist die überwiegende Mehrheit aller Mietverträge – genauso wie ein Eigenheim. Im Gegenteil: Es gibt in Österreich zu viele alte Menschen, die kaum Geld, aber ein recht wertvolles Haus haben. Sie mögen auf dem Papier wohlhabend sein, aber sie fühlen sich arm.

Es stimmt dass man in den vergangenen 30 Jahren durch Immobilienbesitz einen großen Vermögenszuwachs erzielen konnte, auf den Mieter verzichten mussten. Aber das kann sich auch ins Gegenteil umkehren – siehe die Immobilienkrisen in den USA, Spanien oder Irland. Eigenheimbesitzer haben mehr Risiko, etwa auch durch unerwartete Schäden am Haus, die der Eigentümer tragen muss. Das kann für jene, die außer dem Haus keine Ersparnisse haben, existenzbedrohend sein.

Eigenheime verschärfen Klimawandel

Und wenn man stirbt, kann man als Mieter zwar keine Wohnung vererben, dafür aber vielleicht etwas mehr Geld – von dem die Erben mehr haben als von einer abgewohnten Immobilie in einer vielleicht nicht sehr attraktiven Lage.

Und schließlich lässt sich ein Mietwohnungsmarkt ökologisch viel besser steuern als die bei Eigenheimbesitzern so beliebten Einfamilienhäuser. Die fördern die Zersiedelung und den Autoverkehr und verschärfen so den Klimawandel.

Deshalb sollte die Linke in diesem Land den hohen Mietanteil feiern und aufhören, über die Konzentration von Immobilienvermögen bei den Reichen zu jammern. Und sie sollten lieber starke Argumente gegen eine Förderung von Wohnungseigentum sammeln, die nun kommen könnte. Vielleicht lässt sich ÖVP und FPÖ dieser Unsinn sogar ausreden. (Eric Frey, 19.11.2017)