Stürzt sich in eine kühne Version des "Rings": Dirigent Constantin Trinks.


Foto: Theater an der Wien

Wien – Es ist ein ungewöhnliches Projekt, das Regisseurin Tatjana Gürbaca und Dramaturgin Bettina Auer mit Constantin Trinks verwirklicht haben: ein Remix von Wagners Ring des Nibelungen quasi. Es ist ein Ring der Rückblicke geworden: In der Stadt Sigmund Freuds wird im Neuarrangement von Wagners wüstem Weltherrschaftsdrama Traumabewältigung durch Erinnerungsarbeit betrieben.

"In unserer Ring-Trilogie ist der Fokus auf die zweite und dritte Generation gerichtet", so Constantin Trinks. "Die Jungen – also Hagen, Siegfried und Brünnhilde, müssen ausbaden, was ihre Väter und Vorväter verbockt haben. Wobei im Ring keiner ohne Schuld ist, außer die mythischen Naturwesen wie die Rheintöchter, der Waldvogel oder die Nornen. Die stehen außerhalb des Systems."

Ausgangspunkt der drei Teile ist jeweils die Erdolchung des Helden und Hoffnungsträgers. "Wir zeigen zuerst immer die Ermordung Siegfrieds, aber als stumme Szene", klärt der Dirigent auf. Musikalisch beginnt dann jeder Teil anders. Der erste Teil ist Hagen gewidmet, Sohn von Wotans Widerpart Alberich und als solcher "zu zähem Hass erzogen". Er beginnt mit dem geträumten Zwiegespräch Hagens mit seinem Vater. Dann blendet man von der Götterdämmerung zu Rheingold zurück, um den Quell für Alberichs Abneigung aufzuzeigen. Diese Neuordnung erhelle die Zusammenhänge, meint Trinks, der den Ring 2011 in seiner Amtszeit als GMD der Oper Darmstadt originalgetreu realisiert hat: "Ich finde, dass etwa die Figur des Hagen in dieser Konzeption an Tragik gewinnt."

Fast wie im Film

Der zweite Teil, Siegfried, beginnt mit dem Dialog Mimes mit dem Helden in spe. Als Siegfried danach fragt, wer seine Eltern seien, gibt es einen Wechsel zur Walküre und den Geschwistern Siegmund und Sieglinde, die die unziemliche Zeugung des Helden zu verantworten haben.

"Diesen Schnitt habe ich besonders gern", schwärmt Trinks, "das ist fast wie im Film." Brünnhilde, der letzte Teil, startet mit dem Zwiegespräch Wotans mit seiner Tochter aus dem dritten Aufzug der Walküre; dann geht es relativ geschwind in die Götterdämmerung zu Siegfried und Brünnhilde.

Als Operateur, der alles neu zusammennähte, fungierte auf Vorschlag des Dirigenten Komponist Anton Safronov. Dieser hatte, so Trinks, Unterschiedliches zu tun: Mal reichte die Modulation eines Akkords, mal mussten mehrere Takte neu komponiert werden. Safronov schöpfe dabei aus dem Motivmaterial der Oper: "Es gibt keinen Takt, der nicht nach Wagner klingt", beschwichtigt der 42-Jährige Wagner-Ängste.

Durch die Umstellung des Werks haben sich auch für die Sänger Belastungen ergeben. Held Siegfried ist in der Ring-Trilogie am stärksten gefragt: Gut, dass Tenor Daniel Brenna die Partie schon kennt.

Auch Brünnhilde ist an jedem der drei en suite gespielten Abende mit von der Partie: Da kommt auf Ingela Brimberg bei ihrem Rollendebüt also einiges zu. Auch Samuel Youn singt den Hagen erstmals. Aufgrund des relativ kleinen Orchestergrabens im Haus wird bei der Trilogie auf die Fassung von Alfons Abbass (1905) zurückgegriffen, die mit einem reduzierten Bläsersatz auskommt. Trinks musste im neu hergestellten Material Fehler ausbessern und hat zudem noch leichte Änderungen vorgenommen: Die Basstrompete und die Wagner-Tuben werden nun doch erklingen.

Gern mal zu laut

Die Bläser des RSO Wien müssen hurtig Instrumente wechseln. Der Soloposaunist wird auch Basstrompete spielen. Die Hornisten übernehmen fallweise die Wagner-Tuben. Die Streicherbesetzung wurde auf 36 Musiker reduziert. Erste Rückmeldungen bei den Proben würden aber zeigen, dass die Balance stimmt.

Natürlich: Manchmal müsse manche Stelle einfach brutal klingen, so Trinks. Da dürfe das Orchester die Sänger aus dramaturgischen Gründen auch mal übertönen. Aber nur kurz! Falls sich der gebürtige Karlsruher während der dreimonatigen Probenzeit an Wien gewöhnt haben sollte, ist das kein Problem: Er kommt wieder. Trinks wird sowohl im Theater an der Wien wieder zu erleben sein wie auch 2018 erstmals die Wiener Symphoniker dirigieren. (Stefan Ender, 21.11.2017)