Klar, das Urmeter in Paris ist geschrumpft. Warum sollte da nicht auch der Kilometer nachlassen? Fahrer von Elektro- oder Plug-in-Hybrid-Autos kennen das Phänomen: So ein Kilometer aus der Reichweitenanzeige ist oft schon nach 200, 300 Metern absolviert. Erst die Alltagserfahrung gibt einem realistische Einschätzungswerte zur Hand, wie weit man denn tatsächlich kommen wird.

Der Vorgänger war ein Dauerläufer, dazu hat auch die Neuauflage Potenzial. Mit Plug-in kommt man innerstädtisch realistisch auf gut 30 km elektrisch, das reicht für die meisten Durchschnittstage.
Foto: Andreas Stockinger

Insofern war der XC60 T8 eine kleine Überraschung. 35 km lud er sich immer Saft in die Batterien, deutlich über 30 km kamen wir auch jeweils. Haupterfahrungswert: In der Stadt fährst du fast alles elektrisch. Der Gesamtverbrauch ist insofern schwierig zu ermitteln. Nur so viel: Fährt man den mittleren Volvo-SUV auf Landstraßen und auf Autobahnen zügig, steht gerne ein Zehner im Bordcomputer.

Kompensation

Supereffizienzmeister will der modische Schwede allerdings gar nicht sein, die Strategie lautet etwas anders: Da aufgrund knapper finanzieller Ressourcen Volvo derzeit ausschließlich Zweilitervierzylinder anbietet, suchen die Ingenieure andere Wege, um 6- oder 8-Zylinder zu kompensieren. In der Topleistungsstufe heißt das Plug-in, der XC60 übernimmt das Technikpaket eins zu eins vom XC90, und weil er statt 2319 nur 2115 kg auf die Waage bringt, toppt er den großen Bruder hinsichtlich Leistungsentfaltung und Schmackes, Kunststück bei 200 Kilo weniger. Statt in 5,6 Sekunden (XC90) spurtet der 60er in 5,3 von null auf 100 km/h, ein Sportwagenwert fast. Um das auf dem Papier zu erreichen – tatsächlich abrufen wird das eher selten mal wer -, treiben ein 320-PS-Turbo-4-Zylinder und ein 87 PS starker E-Motor ihr doppeltes Spiel, 407 PS nennt Volvo als Systemgesamtleistung, dazu 640 Nm Drehmoment. Na bumm.

Da kommt der Saft rein. Der aus der Steckdose. An der Flanke links vorn.
Foto: Andreas Stockinger

Der schieren Masse von in jedem Fall mehr als zwei Tonnen ist aber schon abzulesen, dass hier kein Agilitäts- und Kurvenwunder unter den SUVs zu erwarten ist, sondern "nur" einer, den man bei Bedarf gern auch mal zur flotteren Gangart, vorzugsweise geradeaus, wird überreden wollen. Das Fahrwerk hat viel zu tun, um den schweren Wagen Volvo- und premiumgerecht komfortabel von A nach B und nötigenfalls bis nach Z zu bringen – eine Aufgabe, derer es sich aber mit hohem Anstand entledigt: Fährt sich sehr fein, der Plug-in-XC60, löblich auch der gute Einschlag und geringe Wendekreis. Auffällig, aber nicht unerwartet hingegen ist das synthetische Bremsgefühl, des Rekuperierens wegen, schließlich gilt: Wer bremst, gewinnt. Energie zurück.

Der Innenraum des Schweden.
Foto: Andreas Stockinger

Die zwei einzigen Minuspunkte sind schnell benannt: Klima und Kofferraum. Im Hybrid- und Pure-Modus hat der Volvo aus Effizienzgründen eine lausige Kühl- oder Heizperformance, fahren Sie in diesen Einstellungen bloß nicht in die Sahara oder nach Sibirien. Und beim Kofferraum ist es so, dass er erstens kleiner ist als beim normalen XC60 – 488 bis 1395 Liter versus 505 bis 1432. Gut, das ist nicht die Welt, und die Batterie muss schließlich irgendwo hin. Blöd ist aber, dass der Boden jetzt nicht mehr plan ist, sondern eine schiefe Ebene, mit dem tieferen Ende bei der Hecktüre. Da gilt es für rollendes, kullerndes oder leicht rutschendes Ladegut einzukalkulieren. Kicker: Obacht! Andererseits kriegt man sein Zeugs auch wieder leichter raus aus dem Kofferraum.

Beim Öffnen der Heckklappe kullert gern das Ladegut aus.
Foto: Andreas Stockinger

Innen hat sich Chefdesigner Thomas Ingenlath besonders ausgetobt, nachdem er außen eine sehr, sehr stimmige Variation des von den Modellen der 90er-Reihe her bereits Bekannten hinbekommen hat. Das souveräne Arbeiten mit großen Flächen und der eindeutige Wiedererkennungswert haben ihm in der Branche Bewunderung eingebracht. Innen also. "Austoben" nach stilvoll nordischer Art bedeutet: schwungvoll-elegante untere Rahmung von Lüftung und zentralem Display, kühle technoide Materialien, feine Leder und (Kunst-)Stoffe – sachliche Romanze, würde Erich Kästner vielleicht sagen. "Als sie einander acht Jahre kannten (und man darf sagen: Sie kannten sich gut)." Wobei, darüber reden wir dann 2025, in acht Jahren ... (Andreas Stockinger, 8.1.2017)

Für unseren Test lüpft der Volvo die Haube, und man sieht wie gewöhnlich fast nix, auch wenn dieser XC60 keinen gewöhnlichen Antrieb hat.
Foto: Andreas Stockinger