Bild nicht mehr verfügbar.

Am 10. November gab das Institute for Radiological Protection and Nuclear Safety diese Karte heraus. Sie zeigt die Konzentration von Ruthenium-106 in Europa.

INRS via AP

Eine radioaktive Wolke über Europa hat die Behörden alarmiert: Wetterstationen in Frankreich, Deutschland, Italien, Österreich und mehreren osteuropäischen Staaten haben seit September mehrfach weit überhöhte Ruthenium-106-Werte gemessen. Das deutsche Bundesamt für Strahlenschutz teilte mit, das radioaktive Isotop Ruthenium-106 sei "mit hoher Wahrscheinlichkeit im südlichen Ural" freigesetzt worden. Darauf deuteten Rückrechnungen bei der Ausbreitung des Stoffs hin. Ein Kernkraftwerkunglück als Ursache schloss die Behörde dabei aus.

Der russische Wetterdienst Roshydromet hat inzwischen bestätigt, dass es im Südural, aber auch in der russischen Teilrepublik Tatarstan, entlang der südlichen Wolgagebiete und in der Schwarzmeerregion Rostow am Don zu einer "extrem hohen Verschmutzung" mit Radioaktivität gekommen sei. In zwei Messstationen haben die Werte beim 986-Fachen beziehungsweise 440-Fachen des Vormonats gelegen, so das Amt.

Wegen der Aufregung im Westen sah sich anschließend Roshydromet-Chef Maxim Jakowenko zu einer Präzisierung genötigt: Zwar hätten die Rutheniumwerte tatsächlich über der Norm gelegen. Dies sei jedoch keineswegs allein in Russland so. "Dabei war die Konzentration auf russischem Gebiet immer noch zehntausende Male unter der zulässigen Höchstgrenze, für die Gesundheit der Bevölkerung besteht keine Gefahr", wiegelte Jakowenko ab.

Moskau zeigt auf Rumänien

In Rumänien habe die Strahlung beim 1,5-Fachen der russischen Dosis gelegen, mit Russland vergleichbare Werte seien auch in Polen und in der Ukraine gemessen worden, fügte Jakowenko hinzu. "Die veröffentlichten Daten erlauben es uns nicht, den Ort (das Land) der Verschmutzungsquelle festzustellen", sagte er.

Der von westlichen Strahlenämtern geäußerte Verdacht, dass die Quelle der Radioaktivität im Südural liegt, ist aus geschichtlicher Perspektive brisant: Im Uralgebiet Tscheljabinsk befindet sich die Wiederaufbereitungsanlage Majak. Das war die erste Anlage, in der die Sowjetunion kernwaffenfähiges Material produzierte. 1957 gab es in Majak allerdings einen schweren Atomunfall, den die sowjetische Führung erst Jahrzehnte später einräumte. Bei der Explosion eines Lagerbehälters wurden damals riesige Mengen an Strahlung freigesetzt und ein Gebiet so groß wie Niederösterreich verseucht.

Atombehörde sagt Njet

Im aktuellen Fall sei Majak als Verursacher der Verschmutzung auszuschließen, teilte Russlands Atombehörde Rosatom mit. Ein Leck in der Atomanlage während des chemischen Prozesses hätte auch andere radioaktive Stoffe freigesetzt, die nicht gemessen wurden. Der Austritt durch die Produktion neuen Rutheniums sei unmöglich: "2017 gab es keine Rutheniumproduktion in Majak, die Emissionen in der Atmosphäre hatten die gewöhnlichen Werte", gab das Staatsunternehmen in einer Pressemitteilung bekannt.

Ebenfalls mit einem Dementi reagierte die Gebietsregierung von Tscheljabinsk: Das regionale Sicherheitsministerium führe zusammen mit Rosatom regelmäßige Kontrollen der Radioaktivität durch. Dabei sei in den letzten Wochen nichts Besonderes aufgefallen, so der zuständige Regionalminister Jewgeni Sawtschenko.

Russische Umweltschützer sind hingegen nicht völlig überzeugt: Greenpeace Russland hat in einem Brief an die Regierung eine genaue Überprüfung der Vorgänge gefordert. Die Umweltschützerin Nadeschda Kutepowa äußerte den Verdacht, dass bei einem "heißen Test" neuer Container Radioaktivität ausgetreten sein könnte. (André Ballin aus Moskau, 21.11.2017)