Laut Bildungsministerin Sonja Hammerschmid brächten zwei zusätzliche Lehrerstunden pro Woche 370 Millionen Euro mehr fürs Budget.

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Wien – Die scheidende rote Bildungsministerin ist besorgt um ihren Nachlass. Wenn die kommende Regierung von ÖVP und FPÖ tatsächlich plane, nicht mehr Geld in die Schulen zu investieren, dann müsse man Mittel aus dem System abziehen – und Lehrer aller Voraussicht nach unbezahlt mehr arbeiten, befürchtet Sonja Hammerschmid.

Der Kurier hatte berichtet, dass Türkis und Blau das Bildungsbudget nicht erhöhen wollen. Es sei bereits genug Geld im System vorhanden. Auf Nachfrage des STANDARD wollten die Verhandler den Zeitungsartikel weder dementieren noch bestätigen.

Andreas Salcher, der als Berater der ÖVP im Verhandlungsteam sitzt, hat aber bereits in der Vergangenheit darauf aufmerksam gemacht, dass das österreichische Bildungssystem im internationalen Vergleich teuer sei.

Sparen beim Teamteaching

Dennoch warnt Noch-Ministerin Hammerschmid vor diesen Plänen. Denn wie jedes Jahr steht dem Bildungsbudget auch 2018 eine Lücke von 600 Millionen Euro bevor. Dieses Minus entsteht dadurch, dass die Kosten für Lehrergehälter regelmäßig deutlich höher sind als geplant. Wolle man dieses Defizit nicht finanziell begleichen, gebe es nur einen Weg, sagt Hammerschmid: eine höhere Lehrverpflichtung für Pädagogen. Schließlich machten Lehrergehälter und Infrastruktur der Schulen 92 Prozent des gesamten Bildungsbudgets aus.

Mit dem im Sommer verabschiedeten Schulautonomiepaket habe man den zukünftigen Weg des Schulsystems vorbereitet, sagt Hammerschmid. Dieses müsse nun an den Standorten mit Leben gefüllt werden. Man könne innerhalb des Systems zwar mit einem besseren Einsatz der vorhandenen Mittel einiges sparen, indem sich etwa Schulen zu Clustern zusammenfinden, wie Hammerschmid bei der Präsentation einer Online-Informationsplattform zur Schulautonomie vorrechnete. Die Ideen von ÖVP und FPÖ seien so aber nicht umsetzbar.

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Die türkis-blauen Verhandler hatten anklingen lassen, vor allem beim Teamteaching in den Neuen Mittelschulen sparen zu wollen. Laut Hammerschmid brächte das aber nur 170 Millionen Euro pro Jahr. "Damit wird man das Budgetloch nicht stopfen können." Eine Erhöhung der Lehrverpflichtung im Ausmaß von zwei Wochenstunden brächte ihr zufolge 370 Millionen Euro pro Jahr.

Bildungspflicht kostet

Nur so seien auch die Pläne von ÖVP und FPÖ finanzierbar, wenn es kein frisches Geld gebe, glaubt Hammerschmid. "Wer zusätzliche Deutschklassen und eine Bildungspflicht installieren will, wo es jedenfalls um ein Vielfaches mehr Geld brauchen wird, muss das aus dem System nehmen."

Das derzeit noch wenig auskunftsfreudige türkis-blaue Verhandlungsgrüppchen für Bildungsangelegenheiten trifft sich heute, Mittwoch, wieder. Gegen Ende der Woche sollen dann auch erste Ergebnisse präsentiert werden, heißt es. Spätestens am Freitag würden sich die Chefverhandler wieder den Medien stellen und die Öffentlichkeit über den Zwischenstand der Regierungsgespräche informieren.

ÖVP und FPÖ einig bei Deutschklassen

Außer Streit steht im Bereich Bildung bereits, dass ÖVP und FPÖ eben eine sogenannte "Bildungspflicht" bis zum 18. Lebensjahr anstreben. Aktuell existiert eine neunjährige Schulpflicht. Zusätzlich gibt es seit kurzem eine "Ausbildungspflicht" für alle Minderjährigen, damit kein Jugendlicher einfach nichts tut. Die werdenden Koalitionäre wollen nun zusätzlich "Bildungsmindeststandards" in den Hauptfächern einführen – also eine Art mittlere Reife, die bis zur Volljährigkeit erreicht werden müsste. Einig ist sich Türkis-Blau auch, dass es für Kinder mit Deutschdefiziten eigene Klassen vor dem Schuleintritt geben soll.

Zur Diskussion stehe darüber hinaus eine komplette Überarbeitung der aktuellen Lehrpläne, hört man aus Verhandlerkreisen. Besprochen werde auch, wie man die Schulautonomie weiter ausbauen könnte – die Schlagworte seien hier "mehr Einbindung der Eltern". Jedenfalls soll der Bildungsbereich durch eine Reform endlich "entbürokratisiert" werden, heißt es. Die Lehre müsse gestärkt, die Verwaltung verschlankt werden.

Landesrätinnen verhandeln

Federführend verhandelt wird das Bildungsthema von Nationalratspräsidentin Elisabeth Köstinger (ÖVP) und dem FPÖ-Abgeordneten Axel Kassegger. Aufseiten der ÖVP sitzen zudem die Landesrätinnen Christine Haberlander und Bettina Rausch im Team, für die Freiheitlichen verhandeln neben Mölzer die Bundesrätin Monika Mühlwert und Elisabeth Dieringer-Granza, Vizepräsidentin des Kärntner Landessschulrates. (koli, mika, 21.11.2017)