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Migration von gebildeteren Menschen aus Entwicklungsländern könnte langfristig zu einem Braindrain führen, meint die ILO.

Foto: Reuters/STRINGER

Genf/Wien – Die Jugendarbeitslosigkeit steigt weltweit: 2017 sind laut der Internationalen Arbeitsorganisation der Vereinten Nationen (ILO) 70,9 Millionen junge Menschen arbeitslos – das entspricht 13,1 Prozent der jugendlichen Bevölkerung. Damit liegt der Wert unter dem Rekordniveau von 2009, als 76,7 Millionen junge Menschen arbeitslos waren, dennoch steigt die Quote seit vier Jahren leicht.

Besonders besorgniserregend ist laut ILO die hohe Anzahl an "Working Poor" – Menschen, die einer Beschäftigung nachgehen und dennoch in Armut leben. 160 Millionen junge Menschen sind in sogenannten Entwicklungs- und Schwellenländern von Erwerbsarmut betroffen. 17 Prozent davon – Tendenz fallend – leben in extremer Armut, ihr Einkommen beträgt weniger als 1,60 Euro pro Tag.

Die Hälfte geht einer Beschäftigung nach

Rund die Hälfte der Weltbevölkerung zwischen 15 und 24 Jahren geht einer Beschäftigung nach. Die Zahl ist aufgrund der höheren Ausbildungsdauer in den vergangenen zwei Jahrzehnten gesunken. Weltweit sind etwa drei von vier Jugendlichen im informellen Sektor tätig, jenem Bereich des Arbeitsmarkts, der in offiziellen Beschäftigungsstatistiken nur schwer zu erfassen ist, wie etwa Straßenhandel. In Entwicklungsländern sind es gar 19 von 20. Jeder fünfte Jugendliche befindet sich hingegen derzeit weder in Ausbildung noch im Job – der Löwenanteil davon ist weiblich.

Laut dem Bericht wird die demografische und ökonomische Entwicklung unterschiedliche Auswirkungen auf die Arbeitslosenzahlen unter Jugendlichen haben: Während die Organisation davon ausgeht, dass die Quote in Lateinamerika und der Karibik steigen wird, dürfte sie in Europa – allen voran im Osten – weiter sinken.

Großer Wunsch, in ein anderes Land zu ziehen

Auch im Norden Afrikas sowie in den arabischen Ländern soll die Jugendarbeitslosigkeit in den kommenden Jahren schrumpfen. Dennoch ist die Quote in diesen Regionen mit rund 30 Prozent weltweit am höchsten. Laut einer Gallup-Umfrage aus dem Jahr 2016, die in dem Bericht zitiert wird, ist der Wunsch, permanent in ein anderes Land zu ziehen, in diesen Ländern besonders hoch.

In Ländern südlich der Sahara ist der Wunsch, die Heimat zu verlassen, noch stärker ausgeprägt: Laut der Umfrage, deren Umfang in dem Bericht nicht näher definiert wird, wollen 44,3 Prozent der jungen Menschen aus diesen Ländern migrieren. Den zweiten Platz belegt Osteuropa mit 40 Prozent. Dabei sind jene, die ihre Heimat verlassen wollen, laut ILO zumeist höher gebildet.

Vorteile für Gastländer

Der Wunsch nach Migration kann auch Vorteile für Gastländer bringen: Nicht nur die Weltbevölkerung wächst – bis 2050 soll es 9,8 Milliarden Menschen auf der Erde geben –, durch die steigende Lebenserwartung nimmt auch die Zahl älterer Menschen im Vergleich zu jungen Menschen zu. Kommen heuer auf einen Jugendlichen in Europa und Nordamerika 1,7 Menschen über 65, werden es 2030 bereits 2,4 sein. Anders sieht es in Afrika aus: Bis 2030 nimmt dort die Zahl junger Menschen um 104 Millionen zu, dem gegenüber stehen nur 29 Millionen mehr ältere Menschen.

"Migration hat zahlreiche wirtschaftliche Vorteile für migrantische Arbeiter, deren Familien wie auch für deren Heimat- und Gastländer", heißt es in dem Bericht. In Gastländern würden zusätzliche junge Arbeitskräfte die Produktivität steigern. 70 Prozent der internationalen Migranten sind laut ILO jünger als 30 Jahre. Langfristig könnte Migration von bevölkerungsreichen zu bevölkerungsschwachen Regionen jedoch zu einem Braindrain führen – also dem Abwandern von gut gebildeten Menschen. (lauf, 21.11.2017)