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Welche Regierungskoalition findet sich hier zusammen? Man weiß es noch nicht. Bundestagspräsident Wolfgang Schäuble sieht "eine Bewährungsprobe, aber keine Staatskrise".

Foto: AP / Markus Schreiber

Vielleicht geht da noch was, mag sich Angela Merkel gedacht haben. Am Dienstag, dem Tag nach dem Jamaika-Debakel, tagt der Bundestag zum ersten Mal nach der konstituierenden Sitzung.

Die deutsche Kanzlerin zeigt sich gut gelaunt, begrüßt freundlich FDP-Spitzenpolitiker und geht auch demonstrativ auf SPD-Chef Martin Schulz zu, der sich in der ersten Sitzreihe mit einem Kollegen unterhält. Schulz wirkt überrascht, gibt Merkel aber natürlich die Hand.

In der Sache jedoch bleibt er hart: Die SPD steht für keine große Koalition bereit. Lieber "NoKo" als "Groko", heißt das jetzt in Berlin. Doch die CDU lässt nicht locker. Vizechefin Julia Klöckner fordert die SPD auf, sich nicht Gesprächen über eine große Koalition zu verweigern: "So schnell, finde ich, sollten wir die SPD nicht aus ihrer staatspolitischen Verantwortung entlassen." Auch Merkels Vertrauter, Kanzleramtschef Peter Altmaier (CDU), appelliert an die SPD: "Wir können uns nach so einer Wahl nicht einfach in die Büsche schlagen, deshalb muss die Regierungsbildung das oberste Ziel werden."

Und einen Tag, nachdem die SPD-Spitze beschlossen hat, eben nicht mit der Union zu sondieren, zeigt sich: Bei weitem nicht alle sind auf dieser von Parteichef Schulz favorisierten Linie.

Bedingungen formulieren

"Die SPD hat sich zu weit festgelegt. Wir sind gefordert, zu überlegen, unter welchen Bedingungen wir in eine große Koalition gehen könnten, die SPD muss klare Bedingungen formulieren und die Union Gelenkigkeit beweisen", sagt der wirtschaftspolitische Sprecher der SPD-Fraktion, Bernd Westphal, im Handelsblatt.

"Die SPD sollte nicht vorschnell auf Neuwahlen drängen und das Gespräch mit dem Bundespräsidenten ernst nehmen. Europapolitisch fahren die Züge ohne uns ab, und auch drängende innenpolitische Aufgaben warten", meint auch der Rechtsexperte der SPD-Fraktion, Johannes Fechner.

Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier (SPD) hatte am Montag den Parteien ins Gewissen geredet und sie aufgefordert, miteinander nach einer Lösung zu suchen.

Der Druck lässt offensichtlich auch die SPD-Oberen nicht ganz ungerührt. Fraktionschefin Andrea Nahles bringt nun die Tolerierung einer CDU-Minderheitsregierung ins Spiel. Bei einer solchen würden die Sozialdemokraten grundsätzlich einer CDU-Minderheitsregierung wohlwollend gegenüberstehen, ohne mit der Union zu koalieren. Merkel als Kanzlerin müsste sich nicht vor jeder Abstimmung im Bundestag einen neuen Partner suchen.

"Wir sollten jetzt darüber reden, wie wir einen Prozess gestalten, der unser Land in eine stabile neue Regierung führt", erklärt Nahles. Dieser Prozess könne "zum Beispiel" in eine Minderheitsregierung "münden". Obwohl die SPD selbst nicht mit der Union koalieren will, kritisiert Nahles den Ausstieg der FDP aus den Jamaika-Gesprächen: "Ich kann das nicht nachvollziehen."

Häme für die FDP

Diese Meinung teilt die Mehrheit der Deutschen mit Nahles. In diversen Umfragen macht mehr als die Hälfte der Befragten FDP-Chef Christian Lindner für das Scheitern der Jamaika-Gespräche verantwortlich. Er hatte in der Nacht zum Montag mit den Worten "Es ist besser, nicht zu regieren, als falsch zu regieren" die Verhandlungen abgebrochen.

Im Internet schlägt der FDP nun ziemlich viel Häme entgegen, Lindners Spruch wird in den FDP-Farben (pinke Schrift auf Gelb) fleißig abgewandelt – etwa in "Lieber schnelle Share-Pics als jetzt regieren" oder "Lieber gar keinen Kaffee als koffeinfreien".

Lindner selbst rechtfertigt den Abbruch der Gespräche in einem Brief an die FDP-Mitglieder. "Dieses Experiment einer Vierparteienkoalition ist leider gescheitert", schreibt er. Der Geist des Sondierungspapiers sei nicht zu verantworten gewesen. Die FDP werde ihre Wähler "nicht im Stich lassen, indem wir eine Politik mittragen, von der wir nicht überzeugt sind".

Am Dienstagnachmittag kam Lindner dann zu einem vertraulichen Gespräch zum Bundespräsidenten ins Schloss Bellevue in Berlin. Auch die Grünen-Chefs Simone Peter und Cem Özdemir waren bei Steinmeier. Morgen, Donnerstag, nimmt sich das Staatsoberhaupt dann einen schwierigen Gast vor: seinen ehemaligen Parteifreund Schulz, der so gar keinen Drang zur "GroKo" verspürt. (Birgit Baumann aus Berlin, 22.11.2017)