Grün, Frau, Sigrid Maurer. Ein perfektes Feindbild. Die ehemalige Grünen-Abgeordnete lebt derzeit in einem Shitstorm. Maurer hatte nach einer Fernsehdiskussion über sexuelle Belästigung (Shitstorm!) ein Foto gepostet, auf dem sie ihren Hasspostern den Mittelfinger zeigt. Was den Storm erst recht anschwellen ließ. Die Krone titelt jetzt: "Stinkefinger-Grüne will fürs Nichtstun kassieren." Krone und Leser sind außer sich.

Stinkefinger

Maurer, die samt den Grünen aus dem Nationalrat ausgeschieden ist, hat wie 26 andere Ex-Abgeordnete auch einen Antrag auf Gehaltsfortzahlung gestellt. Für bis zu drei Monate gibt es 75 Prozent des Letztgehalts (bei Abgeordneten immerhin 8.755 Euro brutto). Erschwerend kommt hinzu: Maurer hat "den Österreichern" den "Stinkefinger" gezeigt. Die Krone facht den Volkszorn ordentlich an.

Über alles kann man diskutieren. Aber nicht so. Die Möglichkeit dieser Gehaltsfortzahlung wurde 1997 als Ausgleich für die Abschaffung der Politikerpension geschaffen – und es gelten strenge Regeln dafür. Maurer hat Anspruch darauf. Sinn der Gehaltsfortzahlung ist es, Personen, die bei ihrem Eintritt in die Politik ihren Job und eine Karriere aufgeben, nach ihrem Ausscheiden eine Überbrückung für ihren Wiedereinstieg zu gewähren. Das trifft freilich nicht auf alle zu. Jemand, der vorher gar keinen Job hatte, hat ebenfalls Anrecht auf die Fortzahlung. Darüber kann man diskutieren. Nicht über einen Zusammenhang mit dem "Stinkefinger".

Finanzielle Aufpolsterung

Auch bei Noch-Kanzler Christian Kern regt sich ein Shitstorm. Er wird ins Parlament wechseln – mit dem Abgeordnetengehalt. Damit der finanzielle Absturz nicht allzu heftig ausfällt, bessert die SPÖ ihrem Chef das Einkommen mit einem Gehalt der Partei auf, damit wird Kern so viel verdienen wie der geschäftsführende Klubobmann – und deutlich weniger als noch als Kanzler. Das Gehalt geht für einen Spitzenpolitiker in Ordnung. Auch ein Sozialdemokrat muss nicht in Sack und Asche gehen. Als Manager würde er anderswo deutlich besser verdienen. Dennoch: Empörung. Frechheit. Nadelstreifsozialist.

Der dritte Fall, der derzeit die Gemüter erregt, ist jener von Kira Grünberg. Die ehemalige Sportlerin ist seit einem Unfall querschnittgelähmt. Grünberg ließ sich von Opel einen behindertengerecht umgebauten Wagen im Wert von 40.000 Euro schenken, entsprechende Fotos sind von den üblichen PR-Texten untermalt. Shitstorm.

Geschenke für Politiker

ÖVP-Chef Sebastian Kurz hat die 24-Jährige auf seine Liste geholt, nun soll sie als Behindertensprecherin Politik im Parlament machen. Tatsächlich sprechen für sie derzeit aber entweder die Partei oder der Papa.

Eigentlich ist es recht klar: Als Politikerin darf sich Grünberg von einer Firma kein Auto schenken lassen – egal wann der Deal eingefädelt wurde (vor ihrem politischen Engagement). Mit einiger Verzögerung kam diese Erkenntnis auch bei der ÖVP und Grünberg an, sie wird das Auto bezahlen.

Die Situation scheint planiert, das politische Ungeschick bleibt. Die Häme und die Gehässigkeit, die sich über Grünberg ergossen, hat sie sich aber nicht verdient. Vielmehr sollte man sich fragen, warum Kurz die überfordert wirkende Frau, die sich vor der Politik zu fürchten scheint, als PR-Schmäh der Öffentlichkeit vorführen musste. Auf die raue Wirklichkeit eines Politikerdaseins wurde sie offenbar von niemandem vorbereitet. Das muss sie jetzt auf die harte Tour lernen. Willkommen im Shitstorm. (Michael Völker, 23.11.2017)