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Orientierung und Halt bieten, Komplexität reduzieren und analytische und theoretische Instrumente zur Einordnung bieten würden Sozialwissenschafter, sagt Sieglinde Rosenberger, Vizedekanin für Nachwuchsförderung und Internationales an der Uni Wien. Das sei auch auf dem heutigen Jobmarkt gefragt. Mitbringen für die Suche müsse man Mut und Ausdauer, sagen zwei Absolventinnen.

Foto: AP/Fabian Bimmer

Ja, "die Frage" werde nach wie vor oft gestellt, erzählt ein Studierender der Politikwissenschaft an der Uni Wien. Viele seiner Studienkollegen – auch aus anderen sozialwissenschaftlichen Fächern – dürften wissen, was er mit "der Frage" meint: "Was machst du später mit so einem Studium?"

Natürlich: So heterogen die Studieninhalte sind, so unterschiedlich fallen auch die möglichen Berufswege für Absolventen von Kultur- und Sozialanthropologie, Soziologie oder Politikwissenschaft aus. Was nimmt man für die Arbeitswelt mit? Eine allgemeine Antwort gibt es laut Sieglinde Rosenberger, Vizedekanin für Nachwuchsförderung und Internationales an der Uni Wien, schon. In einer von raschen Veränderungen gekennzeichneten Zeit würden Sozialwissenschafter Orientierung und Halt bieten, Komplexität reduzieren und analytische sowie theoretische Instrumente zur Einordnung mitbringen.

Viele Studierende

Studierende gibt es genug: aktuell allein an der Uni Wien etwa 10.000. Etwa 700 davon sind im Doktorat inskribiert. Nicht nur im Grundstudium hat sich mit der Umstellung auf das Bachelor-Master-System einiges verändert. Auch das Doktoratsstudium wurde 2009 grundlegend verändert, was eine Qualitätssteigerung mit sich brachte, sagt Roman Pfefferle, der an der sozialwissenschaftlichen Fakultät das Graduiertenzentrum leitet. Das Dissertationsthema muss fakultätsöffentlich präsentiert werden, es müssen Fortschrittsberichte verfasst werden, und es gibt verpflichtende Lehrveranstaltungen – alles Neuerungen.

Viele Doktoranden würden der Wissenschaft erhalten bleiben wollen, erzählt Pfefferle, der eng mit Studierenden zusammenarbeitet. Das ist allerdings schwierig: Selbst wenn nur die Hälfte der 700 Doktoranden abschließen würde, gibt es nicht so viel Bedarf an Sozialwissenschaftern, dass alle in der Wissenschaft Fuß fassen können. Das bestätigt auch Pfefferle. Allerdings: Heute sei der Gang ins Ausland ohnehin Voraussetzung für eine Forscherkarriere.

Warum ein Doktorat?

Nach einer Befragung im letzten Jahr weiß die Fakultät ziemlich viel über ihre Doktoranden – auch warum sie nach dem Master an der Uni bleiben. Neben der Absicht, in der Wissenschaft zu bleiben, ist auch das inhaltliche Interesse ohne konkrete Karriereabsichten eine Hauptmotivation. Das war auch bei Sarah Meyer so: "Nach der Diplomarbeit wollte ich weiter an dem Thema arbeiten. Allerdings nur, wenn es mit der Finanzierung klappt." Im Fall der Politikwissenschafterin tat es das. Sie konnte in einer Forschungsgruppe mitarbeiten, war in gewisser Weise im wissenschaftlichen Bereich eingebettet. "Diese Möglichkeit haben nicht viele – eine klassische Laufbahn war es daher nicht", sagt sie.

An ihre berufliche Zukunft dachte Meyer zunächst nicht. "Ich hatte keine Vorstellung davon, was es da draußen für Jobs für mich gibt. Ich wurde sehr an der Uni Wien sozialisiert, habe schon als Studienassistentin hier gearbeitet." Gelandet ist sie mittlerweile im Bundeskanzleramt, in einer Stelle, für die sie sich zunächst gar nicht bewerben wollte. "Ich dachte, dass ich das sowieso nicht bekomme." Sie rät deswegen dazu, bei Bewerbungen mutig zu sein – das gelte vor allem für Frauen.

Ausdauer und Mut bei der Jobsuche

Da stimmt ihr Margot Pires, ebenfalls eine Sozialwissenschafterin mit Doktortitel, zu. Manchmal müsse man beim Umstieg ins Berufsleben auch Umwege gehen, "aber auch da kann man etwas lernen", sagt die Kultur- und Sozialanthropologin. Heute leitet sie die Koordinationsstelle für Integration in der Region Vorderland-Feldkirch. Die Stelle habe nur grob mit ihrer Dissertation zu tun, es seien aber ohnehin andere Dinge, die man als fertig studierte Sozialwissenschafterin für die Berufswelt mitnimmt, "zum Beispiel eine große Portion Ausdauer".

Sehr oft sei es nach einem sozialwissenschaftlichen Doktorat aber nicht entweder A oder B, sagt Pfefferle: "Ein Weg, den viele einschlagen, könnte man als Zwischenschaft bezeichnen." Das gelte auch für ihn: Neben der Leitung des Zentrums ist er auch noch in der Lehre (an einer Fachhochschule) und der Forschung (zur Entnazifizierung der Hochschulen) aktiv. Das Spielbein in der Wissenschaft und das Standbein in einem sicheren Job – das sei eine beliebte Absolventenlaufbahn.

Wissen zurück in die Gesellschaft bringen

Auch Soft Skills stehen auf dem neuen Lehrplan, Studierende können Workshops besuchen und ihre Fähigkeiten von Excel bis Präsentationstechniken verbessern, sagt Pfefferle. Das soll den Übertritt in die Berufswelt erleichtern. Keine Aufgabe des Zentrums sei hingegen die Vernetzung mit Unternehmen. Viele Studierende sorgen selbst dafür: Laut der fakultätsinternen Umfrage ist ein Drittel neben dem Studium berufstätig. Zahlen dazu, wie viele Absolventen wie schnell bzw. in welchen Jobs landen, gibt es nicht.

Wie lautet Pfefferles Antwort auf "die Frage"? Er betont die "third mission" der Hochschulen, das Zurückspielen des Erforschten an die Gesellschaft. Die Sozialwissenschaft habe dabei eine spezielle Rolle. "Sozialwissenschafter sind Generalisten – und die werden vor allem heute in vielen Bereichen gesucht." (lhag, 30.11.2017)