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Darf's ein bisserl teurer sein? Diese Hermès-Birkin-Bag (weißes Krokodilleder mit Diamanten besetzt) wurde für 300.000 Dollar ersteigert.

Foto: Reuters / Christian Hartmann

Handarbeit hat ihren Preis.

Foto: Benoit Tessier

Wenn Sie demnächst vor die Aufgabe gestellt sein sollten, die Verlassenschaft einer Erbtante auflösen zu müssen, lassen Sie sich beim Ausmisten ja nicht von Geschmacksfragen leiten. Vielleicht stoßen Sie auf eine Handtasche mit metallicpinken Henkeln, die aussieht wie der Inhalt eines umgestülpten Mistkübels – beklebt mit leeren Tschickpackerln, Kaugummipapierln, einer zerknautschten Plastikflasche, Pflasterstreifen, abgelaufenen Parktickets etc. Nicht wegwerfen!

Es könnte eine Urban Satchel des Luxuslabels Louis Vuitton sein. Von der Tasche, die im Frühjahr 2008 debütierte, wurden nur an die 20 Stück (hand)gefertigt. Kostenpunkt: 150.000 Dollar (damals etwa 110.000 Euro). Würde das trashige Ding heute auf einer Auktion feilgeboten – die Begierde der Bieterinnen brächte den Preis in schwindlige Höhen.

Handtaschen sind eine der (wenigen) Schwächen von uns Frauen. Fast jede auf der Welt nennt mindestens eine ihr eigen. 95 Prozent der Frauen in entwickelten Ländern besitzen zwei, drei, fünf, 20 oder mehr von ihnen. Seit einigen Jahren kann sich eine diesbezügliche Leidenschaft auszahlen.

Denn die Transportzentren unseres Seins, die zusammenhalten, was wir stets zur Hand haben zu müssen glauben, Notfallkoffer gewissermaßen, Hüter unserer Finanzmittel und Schönheitsgeheimnisse, Träger der mobilen Verbindung in die Außenwelt, Mülleimer und Modeaccessoire, haben es nicht nur in sich, sondern sind zum Auktions- und Anlageobjekt mutiert.

Libidinöse Lust auf Luxustaschen

Vorausgesetzt, sie stammen geprüftermaßen aus den Werkstätten der überwiegend französischen Super-De-luxe-Labels wie Hermès, Chanel und Louis Vuitton. "Diese Liga der großen drei bestimmt den Markt bei Versteigerungen international. Dann kommt preislich lange nichts", bestätigt Regina Herbst vom Wiener Dorotheum. Vermehrt kommen seit einigen Jahren bei Vintageversteigerungen des Auktionshauses auch Handtaschen unter den Hammer. Sie stammen großteils aus Verlassenschaften – "in guten Haushalten gehörte und gehört eine gute Handtasche zum guten Ton", sagt die Expertin.

Wie etwa eine dunkelblaue kalbslederne Hermès-Kelly-Bag 32 von 1974 (benannt nach ihrer berühmtesten Trägerin, der verstorbenen Fürstin von Monaco, Grace Kelly), die heuer zum Startpreis von 2600 Euro angeboten wurde. Der Zuschlag ging an eine Käuferin zum Preis von 5625 Euro – ungeachtet eines fehlenden Schlosses und leichter Kratzer an der Rückseite.

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Die Birkin-Bag von Hermès gehört zu den begehrtesten Taschen.
Foto: AP/Jacques Brinon

Oder eine orangefarbene Hermès-Birkin-Bag 40 von 2004 aus Epsom-Leder (die Schauspielerin und Serge-Gainsbourg-Muse Jane Birkin soll Unternehmenschef Jean-Louis Dumas 1981 zu der geräumigen Weekender-Tasche inspiriert haben) mit etwas beriebenen unteren Eckkanten, für die eine Käuferin bereit war, mit 9375 Euro um 3375 Euro mehr als den Rufpreis zu bezahlen. Eine Rendite für die Verkäuferin, die ihresgleichen sucht ...

Doch Wien ist auch in dieser Hinsicht ein Dorf. Was hier an Handtaschen zur Auktion kommt, ist ein armseliger Abklatsch im Vergleich zu Paris, London, Hongkong oder Los Angeles. Bei den dortigen Versteigerungen herrscht geradezu libidinöse Lust auf Luxustaschen, die auf immer neue Höhepunkte zusteuert. Spitzenreiterinnen dabei sind Birkin-Bags.

Investitionsanlage

Ein paar Beispiele: 2011 erzielte ein hellblaues Krokoledermodell mit einem Verschluss aus dem seltenen Edelmetall Palladium 113.525 Dollar. Eine Kroko-Birkin in Pink mit Diamanten auf der goldenen Schließe wurde 2015 in Hongkong nach heftigem Bieterstreit von einem asiatischen Käufer für umgerechnet 202.000 Dollar ersteigert. Der Endpreis lag 15 Prozent über den Schätzungen des Auktionshauses Christie's.

Für mehr als 300.000 Dollar erhielt eine anonyme Bieterin im Vorjahr den Zuschlag für eine 2008 hergestellte mattweiße Himalaya-Birkin aus der Haut eines Nilkrokodils, verziert mit einer mit 250 Diamantchen besetzten güldenen Schnalle (maximaler Schätzpreis 259.000 Dollar).

Und es geht noch mehr: Ein ähnliches Modell (Produktionsjahr 2014) übertraf heuer in Hongkong binnen 15 Minuten die Christie's-Höchstschätzung um 122.000 Dollar und wechselte für 380.000 Dollar die Besitzerin.

Handtaschen haben es offenbar also nicht nur als Sammelbehälter für Frauen, sondern auch als Investitionsanlage in sich. Der US-Online-Marktplatz Baghunter verglich im Vorjahr amerikanische Aktien, Gold und Birkin-Bags und kam zu dem Ergebnis: Während der Aktienindex zwischen 1980 und 2015 einen Mittelwert von 8,7 Prozent abwarf und Gold sogar 1,5 Prozent verlor, lag die Rendite der Tasche bei entzückenden 14,2 Prozent. Einer anderen Baghunter-Studie zufolge ist der Wert einer echten Chanel-Tasche seit 2010 um 70 Prozent gestiegen.

Künstliche Verknappung

Die Luxushandtaschenhersteller sorgen mit wenig Aufwand dafür, dass das Interesse an ihren teuren Stücken nicht nachlässt – mit künstlicher Verknappung. Eine Hermès etwa wird angeblich nur auf Bestellung angefertigt. Kostenpunkt: 6000 Euro aufwärts. Dafür darf die Käuferin Farbe, Material und Größe nach ihrem Geschmack bestimmen. Es soll Listen mit langen Wartezeiten geben. Selbst Stars müssten sich mitunter zwei Jahre gedulden, bis sie ihr begehrtes Täschchen aus wahlweise Kalbs-, Krokodil- oder Eidechsenleder in Händen halten könnten, heißt es.

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Ob glattes Leder, mit Strass besetzt oder mit Fell – It-Bags hat auch das Label Salvatore Ferragamo. Auch sie sind bei Taschenliebhaberinnen heiß begehrt.
Foto: AP/Salvatore Ferragamo

Die Wartezeit erklärt sich auch durch die aufwendige Produktion der beiden Hermès-Klassiker. Die auch von innen mit Leder gefütterten Taschen werden in durchschnittlich 20 Stunden in Frankreich von einem Handwerker handgenäht. Und so kommt es nicht von ungefähr, dass das Griss um die luxuriösen weiblichen Begleiterinnen groß ist. "Mit dem Effekt, dass der, der sofort eine haben möchte, auch zu einer gebrauchten greift", sagt Dorotheum-Expertin Herbst. Wer einmal eine so hochwertige Tasche in Händen gehalten habe, könne den Hype durchaus ein wenig nachvollziehen.

Manche Frauen können so oder so den Schrank nicht voll genug davon bekommen. So besitzt etwa die britische Sängerin, Designerin und Fußballergattin Victoria Beckham eine Sammlung von mehr als 100 Hermès-Taschen. Eine der teuersten darunter ist eine pinkfarbene Birkin-Bag aus Straußenleder im Wert von mehr als 100.000 Dollar. Insgesamt beläuft sich der geschätzte Wert ihrer Hermès-Kollektion auf mehr als zwei Millionen Dollar.

Luxushandtaschen scheinen die Antwort der (reichen) Frauen auf die Jagdleidenschaft der Männer nach teurem Whiskey, Uhren oder Autos zu sein, getarnt als gute Investition. Taschenkennerin Herbst erhält immer wieder Anfragen von Kundinnen, die ihren Töchtern gerne eine Handtasche kaufen möchten – als Geldanlage. Wofür frau sich letztlich entscheidet, hängt natürlich vorderhand vom verfügbaren Kleingeld ab. Wobei Herbst dafür plädiert, dass schöne Stücke ihr Dasein ohnehin nicht in einem Kasten fristen sollten. Also Frauen, zeigt her eure Taschen. (Karin Tzschentke, Portfolio, 2017)