Sebastian Kurz und Heinz-Christian Strache treten gemeinsam auf. Welche Pläne für Österreich haben sie gemeinsam?

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Als Manager – nicht nur in gemeinnützigen Organisationen – müssen wir uns ständig fragen, unter welchen Voraussetzungen gewünschte Veränderungen Aussicht auf Erfolg haben. Wichtig ist dabei, nicht nur allen Beteiligten zu vermitteln, was ich verändern möchte, sondern auch warum überhaupt Änderungen erforderlich und sinnvoll sind und wie der Prozess vom "Alten" zum "Neuen" ablaufen soll.

Diese konsequente Denklogik vermisse ich bei angesagten Veränderungen in der Politik.

Zwar scheint sich auch dort das Bewusstsein durchgesetzt zu haben, dass business as usual nicht mehr ausreicht, um angesichts der raschen und tiefgreifenden Änderungen unserer Lebens- und Arbeitswelten durch Globalisierung, Digitalisierung, Klimawandel und Migration das gewohnte Wohlstandsniveau aufrechtzuerhalten und wettbewerbsfähig zu bleiben. Aber ist das schon ausreichend als Fundament für einen echten Neustart? Im Konkreten für das gemeinsame und erfolgreiche Arbeiten einer neuen Koalitionsregierung?

Eine Koalition zweier Parteien könnte man als eine Art Fusion zweier Organisationen auf Zeit sehen. Über Erfolg oder Misserfolg entscheiden dabei nicht so sehr wirtschaftliche, technische, organisatorische oder wissensbasierte Faktoren, sondern das Zusammenpassen der Kulturen beider Organisationen. Als Summe der Regeln, Werte und dahinterliegenden Annahmen ist die Gestaltung einer gemeinsam getragenen "Veränderungskultur" wichtigster Erfolgsfaktor, damit der im Wahlkampf versprochene Wandel eine Chance auf Umsetzung hat.

Viele der verkündeten Veränderungen werden nämlich nicht über das Optimieren von Beste-hendem gelingen, sondern durch Innovation, durch das Infragestellen bestehender Strukturen und das schmerzliche Abschneiden alter Zöpfe, durch Regelbrüche und das Verlassen ausgetretener Pfade. Der Schriftsteller und Physiker Georg Christoph Lichtenberg meinte schon im 18. Jahrhundert: "Ich weiß nicht, ob es besser wird, wenn es anders wird. Aber es muss anders werden, wenn es besser werden soll."

Um Menschen für einen Wandel zu begeistern, um ihnen die Sinnhaftigkeit und das Warum des Wandels schmackhaft zu machen, braucht es ein starkes emotionales Fundament – ja, eine Vision.

Es braucht eine gemeinsam von beiden Koalitionspartnern getragene Vorstellung, einen gemeinsamen Wunschtraum von der Zukunft, der in der Lage ist, zu faszinieren und in den stürmischen Zeiten der Veränderung Halt zu bieten.

Kennedy vermittelte den Traum einer Reise zum Mond; Steve Jobs die Vision des iPhone als "Internet in der Hosentasche". Wieso sagen wir in Österreich nicht, wir möchten beim Thema Bildung Nummer eins werden? Bildung ist ein Thema, von dem nicht nur die Zukunft unserer Kinder abhängt, sondern unser aller Aussicht auf dauerhaften Wohlstand. Warum sagen wir nicht, dass wir im Pflege- und Betreuungsbereich ein europäisches Role-Model sein wollen oder zu den Pionieren im Bereich der Digitalisierung gehören wollen? Oder die effizienteste Verwaltung in der EU auf die Beine stellen wollen?

Oder werden wir das alles ohnehin in der Regierungserklärung lesen? Für diesen Fall würde ich mich liebend gerne für meine Fehleinschätzung entschuldigen! (Werner Kerschbaum, 27.11.2017)