In der Gesundheitspolitik geht es immer auch um Machtfragen.

Foto: apa/fohringer

Die Untergruppe Gesundheit hat geliefert, nun müssen die Chefverhandler um ÖVP-Obmann Sebastian Kurz und FPÖ-Obmann Heinz-Christian Strache entscheiden, ob sie die Vorschläge übernehmen.

Foto: cremer

Wien – ÖVP und FPÖ wollen das heimische Gesundheitssystem gröber umbauen. Bei den Koalitionsverhandlungen der Untergruppe Gesundheit wurde, wie dem STANDARD bestätigt wurde, ein Modell außer Streit gestellt, das zu einer deutlichen Reduktion der Sozialversicherungsträger (derzeit gibt es 21) führen würde.

  • Unselbstständige: Die neun Gebietskrankenkassen sollen zu einer Art Unselbstständigenkasse zusammengelegt werden. Sie soll aber nicht nur für die Krankenversicherung, sondern auch gleich für die Unfallversicherung zuständig sei. Eine eigene Unfallversicherungsanstalt (AUVA) würde es also nicht mehr geben.

  • Selbstständige: Die Sozialversicherungsanstalten der Selbstständigen (SVA) und jene der Bauern sollen ebenfalls fusioniert werden. Auch diese Selbstständigenkasse würde sich dann gleich um die Unfallversicherung ihrer Mitglieder mitkümmern. In der Vergangenheit gab es bereits wiederholt Anläufe, diese beiden schwarzen Kassen zusammenzulegen, das scheiterte aber immer an internen Widerständen.

  • Beamte: Die Versicherungsanstalt der Beamten soll eigenständig bleiben, zu ihr würden aber die 16 Krankenfürsorgeanstalten, die Länder und Gemeinden für ihre Bediensteten derzeit außerhalb des Hauptverbands der Sozialversicherungsträger betreiben, kommen.

  • Eisenbahner: Die Sozialversicherungsanstalt der Eisenbahner bliebe erhalten. Sie wurde bereits 2005 mit dem Bergbau fusioniert und bietet, wie auch die Beamtenkasse, jetzt schon Kranken-, Unfall- und Pensionsversicherung unter einem Dach an.

  • PVA: Die Pensionsversicherungsanstalt soll ebenfalls bleiben. Hier gab es bereits 2003 eine Fusion der Pensionsversicherungsanstalten für Arbeiter und Angestellte.

  • Betriebskassen: Ebenso unangetastet blieben die fünf bestehenden Betriebskrankenkassen (Voestalpine, Verkehrsbetriebe, Mondi, Zeltweg, Kapfenberg), die aber de facto keine große Rolle spielen.

Die Zahl der Träger würde also von bisher 21 auf zehn sinken. Geändert werden soll aber der Beschickungsmodus der Anstalten. Gemäß dem Selbstverwaltungsprinzip sitzen in den Gremien derzeit Arbeitnehmer- und Arbeitgebervertreter (entsprechend dem Ergebnis bei Arbeiterkammer- und Wirtschaftskammerwahlen).

Chefs am Zug

Nun denkt man an ein Verwaltungsratsmodell nach dem Vorbild des AMS. Die Politik würde also einen Teil der Posten vergeben können. Über den genauen Modus – das ist der machtpolitisch heikelste Teil – herrscht aber noch Dissens, ebenso über die genaue Rolle des Hauptverbands, also der Dachorganisation. Am Donnerstag werden sich die Chefverhandler um Sebastian Kurz und Heinz-Christian Strache mit den Vorschlägen beschäftigen. Ob sie dem Modell folgen oder ein anderes wählen (diskutiert wurden verschiedene Varianten), ist offen.

Laut den Juristen der Verhandler müsste man den neuen Beschickungsmodus auf allen Ebenen durchziehen, um nicht eine Aufhebung durch den Verfassungsgerichtshof zu riskieren. Zur Erinnerung: Die von Schwarz-Blau I durchgeführte Hauptverbandsreform, die ebenfalls einen stärkeren Zugriff der Regierung zum Ziel hatte, wurde 2003 vom Höchstgericht gekippt.

Widerstand erwartbar

Mit Widerstand ist auch jetzt zu rechnen – vor allem ÖVP-intern. Die Gesundheitsreferenten der Länder haben sich bereits gegen eine Zentralisierung der Gebietskrankenkassen ausgesprochen, ein klares Nein kam auch von Vorarlbergs ÖVP-Landeshauptmann Markus Wallner. Er richtete den koalitionären Verhandlern zuletzt aus, die Länder würden sich "sicher nicht in die Taschen greifen lassen".

Auf wenig Gegenliebe dürften noch weitere Überlegungen aus der Untergruppe stoßen. Da die Länder für die Spitäler zuständig sind, wird über finanzielle Sanktionen für jene nachgedacht, die sich nicht an die Bundesvorgaben in Sachen Gesundheitsplanung halten. Auch solche Überlegungen gibt es nicht das erste Mal, sie scheiterten aber bisher an der realpolitischen Stärke der Landesparteien.

Bonus statt Malus

Diskutiert wird auch noch immer über das Problem überfüllter Spitalsambulanzen. Wie berichtet, gab es Überlegungen, jene Patienten, die entgegen eines fachlichen Rates eine Spitalsambulanz aufsuchen, mit einer Gebühr zu belasten. Da dieses Modell aber Erinnerungen an die allgemeine Ambulanzgebühr zu Beginn des Jahrtausends weckt, denkt man nun an einen "Bonus" für jene nach, die zu einem niedergelassenen Arzt gehen.

Auf den Belohnungsansatz setzt man auch beim heiklen Thema Impfen. Um die Impfrate zu erhöhen, ist ein Bonus für Eltern im Gespräch, die ihre Kinder gegen die häufigsten und schwer verlaufenden Krankheiten impfen lassen. Für Spitalspersonal dürfte eine allgemeine Impfpflicht kommen. (Günther Oswald, 27.11.2017)