Ali-Reza Karimi-Mashiani bei einem Kampf im Jahr 2016.

Foto: apa/afp

Bydgoszcz – Bei der U23-Ringer-WM im polnischen Bydgoszcz hat es erneut einen Eklat um die iranische Boykottpolitik gegen israelische Sportler gegeben. Der Freistilringer Ali-Reza Karimi-Mashiani, einer der Favoriten auf die Goldmedaille, musste auf Anweisung seiner Trainer im Achtelfinale der Kategorie bis 86 Kilo verlieren, weil er sonst in der nächsten Runde gegen den Israeli Uri Kalaschnikow hätte antreten sollen. Nach dem persischsprachigen Ruf "Du musst verlieren, Ali-Reza" ließ sich der bis dahin dominante Iraner von seinem russischen Gegner Alikhan Schabrailow vorführen.

"Ich hatte so hart trainiert und so fest an den WM-Titel geglaubt. Dann aber kamen die Anweisungen, und es war wie ein Kübel kaltes Wasser auf all meine Träume", sagte Karimi-Mashiani der Nachrichtenagentur ISNA am Dienstag. Für den 23-Jährigen ist es bereits das zweite Mal, dass er wegen der iranischen Anti-Israel-Politik auf die Chance auf einen WM-Titel verzichten musste. Nun fordert Karimi-Mashiani die vom iranischen Ringerverband vorgesehene WM-Prämie von 60 Goldmünzen (umgerechnet ungefähr 16.000 Euro) ein.

Im Video etwa ab 5:10 Minuten zu sehen: Karimi-Mashiani
führt, dann intervenieren die Trainer.

Im Iran, der Israel nicht anerkennt und dem Land regelmäßig mit Vernichtung droht, dürfen Sportler nicht gegen israelische Athleten oder Mannschaften antreten. Diese "Politik" sorgt im Land immer wieder für heftige Diskussionen. Auch diesmal. Unter dem hashtag #youmustlose entspann sich auf Twitter eine ausgedehnte Debatte um den aktuellen Fall, mit Statements in beide Richtungen: Kritik an der Entscheidung der Betreuer und Bedauern über das Los des Sportlers standen Unterstützungserklärungen der Boykottlinie gegenüber.

Letzte Episode einer langen Reihe von Tiefpunkten

Erst im August wurde der Kapitän der iranischen Fußballnationalmannschaft, Masoud Shojaei, aus dem Team ausgeschlossen und könnte nun sogar die WM 2018 in Russland verpassen. Auch seinem Teamkollege Haji Safi widerfuhr dieses Schicksal. Beide hatte mit seinem Klub Panionios Athen in der Europa League gegen Maccabi Tel Aviv gespielt. Die Fußballer hätten "eine rote Linie überschritten", sagte damals der stellvertretende iranische Sportminister. Nach Protesten von Fans und der Ankündigung der Fifa, den Fall zu untersuchen, kam die Ankündigung, der Nationale Sicherheitsrat des Iran werde sich noch einmal mit der Sache befassen.

Zuletzt trafen israelische und iranische Sportler auf internationaler Bühne vor 34 Jahren aufeinander, 1983 in Kiew – ebenfalls auf der Ringermatte. Zu diesem Zeitpunkt war die Islamische Revolution im Iran erst vier Jahre alt.

Erst vor einem Monat war der unsägliche Umgang mit israelischen Sportlern zuletzt Thema. Da war dem Team des jüdischen Staates bei einem der wichtigsten Judo-Turniere in Abu Dhabi nicht gestattet worden, in seinen Farben anzutreten. Bei der Siegerehrung ertönte die israelische Hymne nicht. Doch nicht nur von den Vereinigten Arabischen Emiraten wurde diskriminiert, der Judo-Weltverband hatte die antisemitische Lesart der Veranstalter übernommen und, wie DER STANDARD berichtete, auf seiner Website die Herkunft der Israelis ebenfalls verschwiegen.

"Heroische Tat"

Die iranische Regierung lobte Karimi-Mashiani nun mit barocker Wortwahl für seine "noble und heroische" Tat. Sie sei, so ein Statement auf der Website des Jugend- und Sportministeriums, eine Quelle für "Ruhm und Stolz". Der iranische Ringerverband nannte seinen Athleten einen "Helden" und besang sein "Opfer". Es sei bereits das zweite Mal, dass Karimi-Mashiani "gegen die Unterdrückung des palästinensischen Volkes aufgestanden" sei, hieß es. Der Cheftrainer der iranischen Ringer gab seiner Hoffnung Ausdruck, die Regierung werde die Handlung seines Athleten zu würdigen wissen und ihn dafür belohnen.

In Bydgoscz bezwang derweil Schabrailow im Viertelfinale Kalaschnikow und gewann am Ende die Goldmedaille. Für den Israeli gab es nach einem Erfolg in der Trostrunde Bronze. (bausch, APA, 28.11.2017)

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