Kein Ernstfall auf dem Küniglberg, nur Teil der vorwöchigen Sicherheitsübung von Polizei und Militär, auch vor dem ORF-Zentrum, just als der Stiftungsrat tagte.

Foto: Fidler

Wien – Ungewohnt rau wurde es Montagnachmittag im ORF-Atrium, berichten Ohrenzeugen – selbst für ORF-Verhältnisse, und gar unter zwei Freunden: Gerhard Berti, Betriebsratschef der ORF-Technik, und Michael Götzhaber, bis 2011 Betriebsratschef und roter Fraktionskollege Bertis in der Technik. 2012 wurde Götzhaber Technikdirektor.

"Aggressive" Stimmung

Götzhaber bekam bei der Sitzung einiges zu hören: Der Technikdirektor setze sich in der Geschäftsführung zuwenig für die Technik ein, trage Sparmaßnahme um Sparmaßnahme mit, gebe Tätigkeitsfelder auf, lasse Auslagerungen von Produktionen zumindest zu, während ORF-Angestellte auch ohne Auslastung ja weiterhin zu entlohnen wären. Sitzungsteilnehmer beschreiben die Stimmung als "hitzig" und geradezu "aggressiv" und "rebellisch".

Betriebsratschef Berti will sich auf STANDARD-Anfrage über Inhalte der Betriebsversammlung nicht äußern. Die Beschreibungen klängen ihm aber, als wollte "jemand Öl ins Feuer gießen". Er räumt aber ein, dass der Ton vielleicht "rauer" und "emotionaler" geworden sei. "Wenn Sparpakete und Sparprogramme auf der Technik liegen, dann ist es etwas ganz Normales, dass man das mit dem technischen Direktor durchdiskutiert".

"Härtere Gangart"

"Wir haben in den vergangenen Jahren schon ein Viertel des Personals in der Technik eingespart", sagt Berti: "Bei weiteren Sparmaßnahmen muss ich mich nicht nur als Betriebsratsvorsitzender der Technik, sondern auch als Gewerkschafter fragen: Wo reduzieren wir dann wirklich im Unternehmen?"

Wie sieht Technikdirektor Michael Götzhaber die in der Betriebsversammlung erlebte "härtere Gangart" (Berti) gegen weitere Struktur- und Sparmaßnahmen? "Die Herausforderungen der Digitalisierung und der notwendige Sparkurs des ORF für ein ausgeglichenes Ergebnis des Unternehmens geben Maßnahmen vor, an denen kein Weg vorbei führt. Und wenn das Programm andere Anforderungen an die Technik hat, dann führt für uns kein Weg vorbei."

"Müssen weiterhin vieles hinterfragen"

"Die Digitalisierung der gesamten Medienbranche und ihrer Produktion macht nicht Halt vor der Technik eines öffentlich-rechtlichen Rundfunkunternehmens. Da können wir nicht an Arbeitsbildern der 1960er Jahre festhalten", erklärt Götzhaber im Gespräch mit dem STANDARD: "Wir haben in den vergangenen Jahren bereits 24 Prozent des Personals in der Technik eingespart. Und wir müssen, damit der ORF weiter ausgeglichene Ergebnisse erzielen kann, weiterhin vieles hinterfragen."

Götzhaber: "In diesem Spannungsfeld entstehen natürlich gewisse Konflikte und Konfrontationen zwischen Betriebsrat und Geschäftsführung. Wir diskutieren das sehr offen mit dem Betriebsrat. Aber wir werden uns weiterhin neuen Technologien widmen und am Sparkurs festhalten."

Berti sieht "keine Verstimmung" mit Götzhaber. Aber: "Sicherlich gibt es in der Diskussion eine härtere Gangart gegenüber der Geschäftsführung." Zur nächsten Betriebsversammlung überlegt Berti, auch Generaldirektor Alexander Wrabetz einzuladen.

Betriebsräte und Wähler

Die roten Technik-Betriebsräte sind bisher die Hausmacht von Technikdirektor Michael Götzhaber. Und die Betriebsräte im ORF-Stiftungsrat – zwei rote, darunter Berti, und zwei Unabhängige – haben Mitte 2016 Alexander Wrabetz' Mehrheit im ORF-Stiftungsrat gegen Herausforderer Richard Grasl abgesichert und so seine Wiederbestellung zum ORF-General ermöglicht.

Und die vier nicht bürgerlichen Betriebsräte im Stiftungsrat werden für Wrabetz noch wichtiger, wenn nach einer schwarz-blauen Regierungsbildung die SPÖ-Fraktion im Stiftungsrat auf eine Handvoll Mandate zusammenschnurrt – eines der Bundespartei, zwei weitere von Wien und Burgenland. Mit einem neuen ORF-Gesetz könnte eine schwarz-blaue Regierungsmehrheit allerdings das Stimmgewicht von Betriebsräten merklich reduzieren – wenn etwa ein Vorstand wie in Aktiengesellschaften zunächst die Mehrheit der Kapitalvertreter (ohne Betriebsräte) braucht.

Götzhaber wurde 2012 ORF-Technikdirektor, nachdem er noch als Betriebsrat und Stiftungsrat für die erste Wiederbestellung von Alexander Wrabetz im Sommer 2011 gestimmt hatte. Solche fliegenden Wechsel vom Stiftungsrat in eine ORF-Führungsfunktion untersagte erst danach ein neuer Corporate Governance Kodex des Stiftungsrats, der nun eine Abkühlphase von zwei Jahren verlangt.

Steiler Aufstieg

Götzhabers Nachfolger als Betriebsratschef, Stiftungsrat und Wrabetz-Wähler ist nach STANDARD-Informationen aus mehreren Quellen neuerdings in der zweithöchsten regulären Verwendungsgruppe seines ORF-Kollektivvertrags angekommen – der Gruppe 17. Berti will sich – wie auch der ORF – dazu nicht äußern: "Ein Betriebsrat kommentiert keine Eingruppierungen seines Unternehmens."

ORF-Betriebsräte kommentieren ihre Vorrückungen üblicherweise mit dem Hinweis, dass Personalvertreter aufgrund dieser Tätigkeit nicht benachteiligt werden dürfen.

Es ist ein vergleichsweise steiler Aufstieg des einst als Lichtmeister angestellten Personalvertreters (für Lichtmeister sieht der KV Stufe 14 als Höchstlevel vor). Der "Kurier" berichtete 2009, der damals schon freigestellte Technikbetriebsrat Berti sei von der Verwendungsgruppe 11 in Verwendungsgruppe 13 hochgestuft worden. Schon damals saß Berti für den Zentralbetriebsrat im ORF-Stiftungsrat. Zuletzt, vor dem jüngsten Sprung, soll er bei 15 angekommen sein.

Nach dem ORF-KV 1996 würde Verwendungsgruppe 17 für einen langjährigen ORF-Mitarbeiter rund 8000 bis 8500 Euro im Monat bedeuten, noch ohne ein allfälliges, im ORF durchaus übliches Mehrdienstpauschale – das es in Preisklassen von 400 bis 2200 Euro im Monat gibt.

Bürgerliche Angriffe

Die rote ORF-Technik ist beliebtes Angriffsziel insbesondere der ÖVP, aber auch der FPÖ, die gerade über ihre Bundesregierung verhandeln. Richard Grasls Bewerbungskonzept für die ORF-Generaldirektion 2016 wollte die Technik zerlegen und anderen Direktionen zuordnen.

Der Fraktionschef der bürgerlichen ORF-Stiftungsräte, Thomas Zach, nutzte vorige Woche das gerade vorgelegte ORF-Budget für 2018 für dieses Leibthema der ÖVP im ORF. "Im Bereich Technik" müsse der ORF "die Chancen der Digitalisierung nützen und Abläufe straffen", nannte Zach als Beispiel.

Durchwegs digital

Technikdirektor Götzhaber will Kritik an der ORF-Technik und der Digitalisierungsstrategie des Unternehmens nicht stehen lassen: "Bis auf die Radio-Ausstrahlung arbeiten wir schon durchwegs digital – in der Technik ist eine digitale Gesamtstrategie längst Realität."

Digital ist die ORF-Technik zudem auch mit der Zuständigkeit für Onlineaktivitäten, seit 2012 dieser Direktion zugeordnet. Thomas Prantner, bis dahin Onlinedirektor des ORF, ist seither Vizedirektor in der Technik und, so wird er gemeinhin betitelt, Onlinechef. (fid, 28.11.2017)