Langsam wird ein Grundmuster dieser Koalitionsverhandlungen merkbar: Was man (spärlich) erfahren kann, klingt oft gut, erweist sich jedoch bei näherem Hinsehen als wenig durchdacht, schwierig in der Umsetzung und hat manchmal den Geruch einer "hidden agenda".

Das Ganze wird garniert mit demonstrativer guter Laune unter den Verhandlern. Die Szene unlängst, wie sich Strache und Kurz gegenseitig den Vortritt beim Verlassen des Saals lassen wollen, sieht nach einer Szene aus einer komischen Oper aus (konkret: Falstaff von Verdi – Falstaff: "Ihr zuerst", Ford: "Ihr zuerst", Falstaff: "Nein, wir sind in meinem Hause ...").

Wenn dann ein Vorschlag kommt, muss man ihn sich genau ansehen. Zuletzt erklärte Sebastian Kurz, er strebe eine "Bildungspflicht" an. Ziel sei es, dass man sich auf die Grundkompetenzen Lesen, Rechnen und Schreiben fokussiere. Absolventen könnten dies zu oft nicht, das ergebe "Riesenprobleme" am Arbeitsmarkt. Daher sollte man sich schon in der Volksschule auf diese Grundkompetenzen konzentrieren.

Sollten die Kinder nach Absolvierung der Pflichtschule in den Grundkompetenzen ein Mindestmaß nicht erreichen, verlängere sich die Schulpflicht bis 18 Jahre.

Klingt gut angesichts der Klagen von Experten und Arbeitgebern, dass die jungen Leute die einfachsten Dinge nicht können (oft auch nicht Grüßen).

Allerdings: Es gibt schon eine Ausbildungspflicht. Bis zum 18. Lebensjahr. Sie wurde vor kurzem von der SPÖ/ÖVP-Regierung beschlossen und gilt als wichtiger Meilenstein für die Verbesserung der Qualifikation vor allem von Migrantenkindern.

Die Ausbildungspflicht gilt für Jugendliche, die im Schuljahr 2016/17 ihre Pflichtschule beenden. Erfüllt wird die Ausbildungspflicht neben dem Besuch einer weiterführenden Schule oder einer Lehre beziehungsweise überbetrieblichen Ausbildung auch durch Vorbereitungskurse für Externistenprüfungen oder andere Ausbildungen.

Die Idee dahinter: die Neets ("Not in education, employment, training or school"), von denen es etwa 50.000 bis 60.000 gibt, sollen davon abgehalten werden, sich nach der Pflichtschule ins Nirgendwo und damit die Arbeitslosigkeit zu vertschüssen.

Experten und Praktiker halten es dabei für richtig, den Jugendlichen eine Wahlmöglichkeit zwischen "weiter Schule", Lehre (in der Regel staatliche Lehranstalt) oder Kursen und Ähnlichem zu bieten.

Was ist der Unterschied zum Kurz-Modell? Kurz will offenbar die Jugendlichen, die eine Abschlussprüfung mit 14 nicht schaffen, einfach in der Schule behalten. Obwohl vielleicht eine Lehre besser wäre? Obwohl es ja das Prinzip der dualen Ausbildung (Berufsschule, Lehre) gibt?

Wird hier ein neuer Aspekt ins Spiel gebracht, um die ungeliebte alte Koalition zu desavouieren? Um den wachsenden Eindruck, dass die Koalition außer einer Verschärfung der "Ausländergesetzgebung" noch nicht viel Konkretes und schon gar keine "Leuchtturmprojekte" zustande gebracht hat, zu zerstreuen? (Hans Rauscher, 28.11.2017)