Gendergap in der Arbeitszeit

Grafik: DER STANDARD

Wien – Seit Jahren wird in Österreich eine gesetzliche Arbeitszeitverkürzung für unselbstständig Beschäftigte diskutiert. Eine Reduzierung auf 37,5 oder gar 35 Stunden pro Woche steht zur Debatte. Die einen sehen darin ein probates Mittel gegen Arbeitslosigkeit in Zeiten der Digitalisierung und Globalisierung, die anderen warnen vor einer Verteuerung der Arbeitskraft und einem Schaden für die Wirtschaft.

Die Debatte fokussiert auf die Situation von Vollzeitbeschäftigten. Dabei wird ausgeblendet, dass bereits eine "unsystematische und ungesteuerte Arbeitszeitverkürzung" durch Teilzeitbeschäftigungen besteht, die nach Alter und Geschlecht stark variiert. Die Zahl ist in Österreich besonders groß: Etwa die Hälfte der Frauen und rund zehn Prozent der Männer arbeiten Teilzeit. Dieser "Gender-Time-Gap" wird dadurch verstärkt, dass vor allem Vollzeitbeschäftigte – und damit Männer – Überstunden leisten. Die geringere Erwerbsarbeitszeit der Frauen hat mit traditionellen Rollenbildern und dem Aufwand für unbezahlte Tätigkeiten, etwa Hausarbeit oder Pflege, zu tun.

Studie "Arbeitszeitverteilung in Österreich"

Wie kann also die Erwerbsarbeitszeit ausgeglichener verteilt werden? Diese Frage hat sich das Österreichische Institut für Wirtschaftsforschung (Wifo) im Auftrag des Sozialministeriums in der Studie "Arbeitszeitverteilung in Österreich. Analyse und Optionen aus Sicht der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer" gestellt (abrufbar unter www.studienreihe.at). Studienautorin Christine Mayrhuber und Kollegen haben dafür Daten der Arbeitskräfteerhebung aus den Jahren 2008 bis 2015 zur Grundlage genommen, die in allen EU-Staaten durchgeführt wird und als sehr verlässliche Datenquelle gilt. Informationen wie Arbeitszeit, Mehrarbeit oder Überstunden werden hier detailliert abgefragt. Beamte und Selbstständige wurden in der Wifo-Studie ausgeklammert.

Mayrhuber hebt einen für den Untersuchungszeitraum grundsätzlichen Trend hervor: "Wir sehen klar, dass sich das Arbeitsvolumen deutlich anders entwickelt als die Beschäftigungszahlen." Während die geleisteten Arbeitsstunden inklusive Überstunden, bezahlt oder unbezahlt, nahezu konstant geblieben sind, hat die Zahl der unselbstständig Beschäftigten klar zugenommen. Die durchschnittliche Arbeitszeit sinkt dabei tendenziell, sowohl bei Männern als auch bei Frauen.

Hohe Heterogenität auch nach Branchen und Qualifikation

Eine hohe Heterogenität bei der Arbeitszeit ist nicht nur zwischen den Geschlechtern, sondern auch nach Branchen und Qualifikation zu finden, erklärt Mayrhuber. Bei Männern mit Hochschulabschluss gibt es beispielsweise mit 44 Prozent einen sehr hohen Anteil an überlangen Arbeitszeiten von 41 bis 59 Stunden pro Woche. Bei Männern mit maximal Pflichtschulabschluss liegt dieser Wert nur bei 17 Prozent. In etwas abgeschwächter Form ist dieser Trend auch bei den Frauen zu finden.

In Österreich steht eine hohe Bandbreite an Instrumenten aus der Familien- und Bildungspolitik sowie dem Arbeitsrecht bereit. Sie werden aber kaum im Zusammenhang mit einer lebenslangen Arbeitszeitverteilung diskutiert, kritisiert Mayrhuber. "Man muss das Rad nicht neu erfinden. Man kann vorhandene Instrumente weiterentwickeln, um den Time-Gap etwas zu reduzieren."

Neue Karenzmodelle

Bereiche wie Elternkarenz oder Elternteilzeit seien etwa sehr gut ausgebaut. Hier könnte man andenken, dass getrennte Angebote für Mütter und Väter bereitstehen, gibt Mayrhuber ein Beispiel. Wenn der Vater die ihm zugesprochene Karenzzeit dann nicht in Anspruch nimmt, würde sie für ihn verfallen.

Die Halbwertszeit der Erstausbildung wird kürzer, betont die Wifo-Forscherin. In der Bildungspolitik könnten Angebote wie Bildungsteilzeit oder Selbsterhalterstipendien neu reguliert und für einen erweiterten Personenkreis geöffnet werden – etwa für Arbeitslose, die bisher diese Angebote nicht nutzen können.

Steuer- und Arbeitsrecht

Und auch im Steuer- und Arbeitsrecht sieht Mayrhuber einige "Stellschrauben" für die gleichmäßigere Verteilung der Arbeitsvolumen, etwa in Überstundenpauschalierungen und der Besteuerung von Zulagen. Insgesamt seien es "kleine Maßnahmen, die die Förderung von überlangen Arbeitszeiten verhindern und die unglaublich hohe Differenz zwischen der durchschnittlichen Arbeitszeit von Frauen und Männern verkleinern können".

Das Sozialministerium vergibt 2019 den Sozialpolitischen Wissenschaftspreis 2019 zum Thema "Die Verteilung von Vermögen und/oder Einkommen als Gradmesser der Ungleichheit?". Entsprechende Hochschularbeiten können ab sofort bis Ende 2018 eingereicht werden. (Alois Pumhösel, 4.12.2017)