Proteste in New York: Der Kampf gegen Trumps Steuerpläne ist auf den Straßen angekommen.

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Nachdem sie daran gescheitert sind, den Affordable Care Act von 2010 ("Obamacare") "aufzuheben und zu ersetzen", sind die Regierung von US-Präsident Donald Trump und die republikanischen Mehrheitsfraktionen im Kongress zu einer Steuerreform übergegangen.

Die Steuerpolitik sollte die Werte eines Landes widerspiegeln und seine Probleme zu lösen suchen. Und die USA – und ein großer Teil der Welt – stehen heute vor vier zentralen Problemen: wachsender Einkommensungleichheit, prekären Beschäftigungsverhältnissen, dem Klimawandel und einem geringen Produktivitätswachstum. Amerika steht zudem vor der Notwendigkeit, seine verfallende Infrastruktur neu aufzubauen und sein unterdurchschnittliches Grund- und Sekundarschulsystem zu stärken.

Doch was Trump und die Republikaner in Reaktion auf diese Herausforderungen anbieten, ist ein Steuerplan, dessen Vorteile zu einem überwältigenden Anteil nicht der Mittelschicht – von der ein großer Teil sogar mehr Steuern zahlen könnte -, sondern Amerikas Millionären und Milliardären zugutekommen würde. Das Problem der Ungleichheit wird sich durch die Verabschiedung der vorgesehenen Steuerreform der Republikaner noch deutlich verschlimmern.

Zu den größten Profiteuren werden Unternehmen gehören – eine Bevorzugung, die damit begründet wird, dass sie die Konjunktur ankurbeln würde. Doch sollten gerade die Republikaner wissen, dass Anreize wichtig sind: Es wäre viel besser, die Steuern für diejenigen Unternehmen zu senken, die in Amerika investieren und dort ihre Steuern zahlen, und die Steuern für jene Unternehmen, die das nicht tun, zu erhöhen.

Schließlich ist es nicht so, als mangele es den amerikanischen Großkonzernen an Geld; sie sitzen auf ein paar Billionen Dollar. Und dass nicht genug investiert wird, liegt nicht daran, dass die Gewinne vor oder nach Steuern zu gering sind; der Anteil der Gewinne nach Steuern am BIP hat sich in den letzten 30 Jahren verdreifacht.

Die Republikaner träumen von einem territorialen Steuersystem, bei dem Amerikas Konzerne nur für den Teil vom Ertrag besteuert werden, den sie in den USA erwirtschaften. Doch das würde lediglich die Steuereinnahmen senken und die amerikanischen Unternehmen noch stärker dazu ermutigen, ihre Produktion in Niedrigsteuerländer zu verlagern. Ein Absenkungswettbewerb bei der Körperschaftsteuer lässt sich nur verhindern, indem jedem Unternehmen, das Geschäfte in den USA tätigt, ein Mindeststeuersatz auferlegt wird.

Amerikas Bundesstaaten und Kommunen sind für die Bildung und für große Teile des Gesundheits- und Sozialsystems des Landes verantwortlich. Und die bundesstaatliche Einkommensteuer ist die beste Methode, um ein Minimum an progressiver Besteuerung auf subnationaler Ebene einzuführen: Bundesstaaten ohne Einkommensteuer stützen sich in der Regel auf regressive Verkaufssteuern, die den Armen und der arbeitenden Bevölkerung eine hohe Last auferlegen. Es sollte daher möglicherweise nicht überraschen, dass die aus Plutokraten, denen die Ungleichheit egal ist, bestehende Trump-Regierung die Steuerabzugsfähigkeit der bundesstaatlichen Einkommensteuer bei der Bundessteuer abschaffen will, was die Bundesstaaten zur Umstellung auf Verkaufssteuern ermutigen wird.

Die Vielzahl anderer Probleme, vor denen die USA stehen, in Angriff zu nehmen, wird auf Bundesseite höhere und nicht geringere Steuereinnahmen erfordern. Verbesserungen beim Lebensstandard sind beispielsweise das Ergebnis technologischer Innovation, die ihrerseits von der Grundlagenforschung abhängig ist. Doch die Unterstützung der US-Bundesregierung für die Grundlagenforschung als Anteil vom BIP ist inzwischen auf einem Niveau angekommen, das mit dem vor 60 Jahren vergleichbar ist.

Während Trump als Kandidat die zunehmende Staatsverschuldung der USA kritisiert hat, schlägt er nun Steuersenkungen vor, die im Verlauf allein der nächsten zehn Jahre die Schulden um mehrere Billionen Dollar erhöhen würden – und nicht bloß um "nur" 1,5 Billionen Dollar, weil, wie die Republikaner behaupten, ein Wachstumswunder zu mehr Steuereinnahmen führen würde. An der zentralen Lehre der angebotsorientierten "Voodoo Economics" von Ronald Reagan hat sich nämlich nichts geändert: Steuersenkungen wie diese führen nicht zu höherem Wachstum, sondern nur zu weniger Steuereinnahmen.

Dies ist insbesondere heute der Fall, wo die Arbeitslosenquote nur knapp über vier Prozent liegt. Eine deutliche Erhöhung der Gesamtnachfrage würde mit einem entsprechenden Anstieg der Zinssätze einhergehen. Der "wirtschaftliche Mix" der Volkswirtschaft würde sich daher von den Investitionen wegverlagern, und das bereits jetzt blutleere Wachstum würde sich weiter verlangsamen.

Die Steuerpolitik lässt sich zur volkswirtschaftlichen Gestaltung nutzen. Eine höhere Besteuerung von Landbesitz und Immobilienspekulationen würde nicht nur jenen Vorteile bringen, die investieren, Forschungsarbeit leisten und Arbeitsplätze schaffen, sondern zudem Kapital in produktivitätssteigernde Ausgaben umlenken – was der Schlüssel zu einer langfristigen Verbesserung des Lebensstandards ist.

Es war zu erwarten, dass eine Regierung aus Plutokraten sich selbst belohnen würde. Doch ist die vorgeschlagene Steuerreform der Republikaner ein größeres Geschenk an die Konzerne und die Superreichen, als die meisten Beobachter erwartet hatten. Sie vermeidet notwendige Reformen und würde dem Land einen Schuldenberg hinterlassen; die Folgen – niedrige Investitionen, stockendes Produktivitätswachstum und enorme Ungleichheit – zu beheben würde Jahrzehnte dauern. (Joseph Stiglitz, Übersetzung: Jan Doolan, Copyright: Project Syndicate, 29.11.2017)