Das Wohnen der Zukunft könnte mobiler als heute sein: Das Mehrgenerationenwohnhaus "Neues Leben", links im Bild, in Krumbach.

Foto: Gemeinde Krumbach

Gerade noch füllten die fünf Kinder das oberste Stockwerk mit ihrem Stimmengewirr. Dann waren sie auch schon erwachsen und ausgezogen. Das Haus von Ulrike Altmüller und ihrem Mann im oberösterreichischen Gramastetten fühlte sich plötzlich groß und vor allem leer an. "Ein 80-jähriger Nachbar hat mir dann gesagt: Wenn du alt bist, bleib nicht hier heraußen", erzählt sie. Denn wer in den Ort oder zum Arzt muss, ist auf ein Auto angewiesen. Der Weg ins Zentrum ist weit.

"Wir sind dann einmal mit der Familie beisammengesessen, und ich habe gefragt: Was sollen wir denn mit dem Haus tun?", erinnert sich die rüstige Seniorin. Eine Tochter bekundete Interesse. Das Timing war perfekt: Gerade waren im Zentrum Gramastettens Wohnungen in Bau, eine davon kauften die Altmüllers. Was ihnen bei der Entscheidung wichtig war: die fußläufige Erreichbarkeit von Kirche und Arzt. Vom zweistöckigen Einfamilienhaus, in das die Tochter samt Familie einzog, verkleinerte sich das Paar auf 54 m². An das Leben mit mehr Platz erinnerte bald nur noch ein Wandschrank, den sie mitnahmen.

Rückblickend war die familiäre Lösung, die mittlerweile 17 Jahre zurückliegt, die richtige Entscheidung, ist die 77-jährige Ulrike Altmüller überzeugt: "Ich war einfach froh, wieder im Ortszentrum zu sein. Und es ist sogar schön, nicht mehr so viel Platz zu haben." Auch wenn viele den Schritt nicht verstanden hätten: "Sie haben sich gewundert, warum wir unser schönes Haus verlassen. Aber was bringt das schönste Haus, wenn es leersteht?"

Gegen Zersiedelung

Derart glückliche Fügungen innerhalb der Familie finden sich nur selten, erzählt Walter Eichinger, Geschäftsführer des Immobilienentwicklers Silver Living mit Fokus auf betreutes Wohnen: "Wir beobachten oft, dass ältere Menschen ihr Haus für eine barrierefreie Wohnung hergeben, den Kindern das Haus aber zu weit von der Stadt weg ist." Als Folge würden die Häuser dann leerstehen.

Der Problematik ist man sich besonders im Bregenzerwald bewusst. Hier gibt es das Projekt "Alte Bausubtanz" von der Regio Bregenzerwald, das den Erhalt der typischen Bregenzerwälder Häuser unterstützt. Einige teilnehmende Gemeinden bieten den älter werdenden Bewohnern ungenutzter bzw. wenig genutzter Bauern- und Einfamilienhäuser zunehmend Wohnalternativen an. "Früher", berichtet der Krumbacher Bürgermeister Arnold Hirschbühl, "haben in den Bauernhäusern mehrere Generationen gewohnt."

Nach dem Zweiten Weltkrieg seien dann mit dem wachsenden materiellen Wohlstand immer mehr Einfamilienhäuser gebaut worden. "Diese Häuser werden im Alter zur Last", sagt Hirschbühl. Er setzt, auch um der Zersiedelung Einhalt zu gebieten, in seiner Gemeinde auf Mehrwohnhäuser im Zentrum mit einem Mix aus Miet- bzw. Mietkauf- und Eigentumswohnungen – und bietet Familien, Singles und Senioren Platz.

Leere Bauernhäuser

Dabei wird darauf Wert gelegt, dass die Wohnhäuser eine ähnliche Kubatur wie die Bauernhäuser haben und sich in die Bautradition des 1000-Einwohner-Ortes einfügen. "Die Akzeptanz für diese Wohnform ist bei uns in den letzten Jahren extrem gestiegen", so Hirschbühl. Früher sei eine Mietwohnung auf dem Land mit sozialem Abstieg gleichgesetzt worden.

Der Bürgermeister selbst hat mittlerweile seinen Hof an den Sohn übergeben und lebt in einer solchen Wohnung. Und er kennt weitere Beispiele: "Von uns würde niemand mehr rausziehen", sagt er. Denn dank guter Infrastruktur sei man bei den Wohnungen im Zentrum nicht mehr auf ein Auto angewiesen.

70 Wohnungen wurden von gemeinnützigen bzw. einem privaten Bauträger in den letzten Jahren in Krumbach errichtet, in den nächsten Jahren sind 40 bis 50 weitere geplant. "Und jedes Haus, das errichtet wird, ist voll", betont Hirschbühl. Einige alte Bauernhäuser stehen aktuell trotz aller Bemühungen leer – oft weil die ältere Generation sich nicht davon trennen kann. Noch nicht: "Mittelfristig wird die Substanz genutzt, dafür muss man aber Geduld haben", so Hirschbühl.

Bauernhäuser nachverdichten

Bei anderen Bauernhäusern im Bregenzerwald wird dafür sogar nachverdichtet: Immer öfter werden die Wirtschaftstrakte alter Bauernhäuser umgebaut, damit die jüngere Generation neben der Elterngeneration im alten Bauernhaus einziehen kann, berichtet Angelika Schwarzmann, Bürgermeisterin von Alberschwende.

Sie kennt auch einen Fall, in dem die Eltern in eine zentrumsnahe Wohnung gezogen sind und den Kindern ihr Einfamilienhaus überlassen haben. Diese haben es architektonisch ansprechend umgebaut. Ein Beispiel, das Schule machen könnte: Die Gemeinde will künftig mit gemeinnützigen Bauträgern zusammenarbeiten, um im Zentrum betreubare Wohnungen zu schaffen. "Wir müssen mobiler werden", fasst Krumbachs Bürgermeister Hirschbühl die Herausforderung für Alt und Jung zusammen: "Wir können nicht mehr von der Geburt bis zum Tod in einem Haus wohnen." (Franziska Zoidl, 2.12.2017)