Online bis TV: "Tagespresse"-Gründer Fritz Jergitsch.

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Lieblinge im "Tagespresse"-Buch: Strache, Pröll, Sobotka und Trump.

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Wien – Im Zeitalter von Facebook könne man einfach "irgendeinen Schas posten und binnen weniger Stunden ein Millionenpublikum erreichen". Aus dem "Schas" von einst hat "Tagespresse"-Gründer Fritz Jergitsch viereinhalb Jahre später ein kleines Medienuniversum modelliert: Satireportal, Theaterstück im Rabenhof, TV-Show im ORF und Bücher. Die erste große Geschichte war damals eine über den vermeintlichen Aufenthalt des Whistleblowers Edward Snowden in Wien. "Das ist explodiert", resümiert Jergitsch. "Das musste sogar der Pressesprecher von Außenminister Spindelegger dementieren." Der jüngste Auswurf kommt analog daher: "Die besten Tagespresse-Meldungen", vierter Band (Residenz-Verlag, 15 Euro).

Das Buch ist chronologischer Jahresrückblick und Best-of des Satireportals zugleich: von der Aufregung über die Stiftung Erwin Prölls ("Weil Stiftung geprüft wird: Pröll zeigt Rechnungshof wegen Gotteslästerung an") über Andreas Gabaliers Frauenbild ("Schöne Geste am Weltfrauentag: Gabalier sperrt Küchentür heute nicht zu") bis zur Diskussion über die Pollerkette vor dem Kanzleramt ("Statt Mauer kommt Anti-Terror-Pfosten: Sobotka stellt sich selbst vor Kanzleramt").

Überschrift als "halbe Miete"

Typen mit "Ecken und Kanten" wie Innenminister Wolfgang Sobotka (ÖVP) und Wiens Bürgermeister Michael Häupl (SPÖ) sind es, die Politikaficionado Jergitsch am ehesten zu Witzen inspirieren: "Gibt Häupl eine Pressekonferenz, haben wir Material für vier Jahre", sagte er am Mittwoch bei der Buchpräsentation in Wien. Damit eine Geschichte funktioniert, müsse der Einstieg passen: "Eine Überschrift ist zwar nicht alles, aber schon die halbe Miete" – um auf Facebook Klicks und Likes zu generieren.

Dass die "Tagespresse" auch außerhalb des Facebook-Universums beim Publikum reüssiert, beweist Jergitsch mit seinem Autorenteam Jürgen Marschal und Sebastian Huber seit Mitte September im ORF, wo in der Dienstagnachtschiene um 23 Uhr "Tagespresse aktuell" läuft. Die zehn Sendungen kommen im Schnitt auf 246.000 Zuseher und einen Marktanteil von 16 Prozent in der allgemeinen Zielgruppe ab zwölf Jahren und auf 20 Prozent in jener der Zwölf- bis 49-Jährigen. Nach über 300.000 Sehern zum Start und einem Rückgang zwischendurch auf 200.000 haben sich die Quoten zuletzt bei rund 240.000 stabilisiert.

Auf dem Programm der ersten Staffel stehen noch zwei Sendungen. Ob eine Fortsetzung folgt, werde sich Anfang des Jahres entscheiden. Nach anfänglichen Irritationen des Publikums etwa über Hintergrundlacher sei er in der Zwischenzeit mit Qualität und Quoten der Sendung zufrieden, sagt Jergitsch im Gespräch mit dem STANDARD. Die Lacher fungierten als Taktgeber: "Bei den Zusehern sind sie kein Thema mehr." Der ORF lasse ihnen trotz engen Produktionskorsetts im Prinzip freie Hand, nur auf politische Ausgeglichenheit werde Wert gelegt. Die Witze sollen so gestreut werden, dass alle Parteien ihr Fett abbekommen.

ORF: "Top performt"

"Sehr zufrieden" mit Jergitsch und Co zeigt sich ORF-Programmdirektorin Kathrin Zechner: "Der Zuspruch beim Publikum – und besonders bei den Jungen – ist ein Versprechen für die Zukunft." Ob der ORF eine zweite Staffel plant, will sie auf STANDARD-Anfrage nicht dezidiert sagen, es klingt aber danach: "Auch die tolle Onlinenutzung zeigt, dass Satire Marke "Tagespresse aktuell" unverzichtbar geworden ist." Sowohl die Folgen für sich als auch im Sendeplatzvergleich hätte die Produktion "top performt".

Ob mit oder ohne ORF, fad dürfte Jergitsch auch künftig nicht werden. Er kündigt an, mit neuen Formaten zu experimentieren. Zum Beispiel mit längeren Beiträgen, die sich noch mehr in Richtung Magazin bewegen.

An Themen werde es in politisch bewegten Zeiten nicht mangeln, schon gar nicht, wenn es zu Schwarz-Blau und einer Bildungsreform kommt. Dann könnte es ähnlich wie im Buch wieder heißen: "Kniefall vor Muslimen? Kindergarten schenkt kein Bier mehr an Kinder aus" oder "Deutschpflicht an Schulen: FPÖ fordert Umbenennung von Toiletten in Scheißhäuser". (Oliver Mark, 30.11.2017)