Große Mehrheit ist für ein Rauchverbot.

Grafik: Michael Murschetz

Irland hat im März 2004 als erstes europäisches Land das Rauchen an öffentlichen Orten verboten. In den 13 Jahren, die seither vergangen sind, ist ein Land nach dem anderen dem irischen Beispiel gefolgt. Und nur wenige Länder haben sich der überwältigenden Beweislage verschlossen, mit der die Vorteile eines Rauchverbots belegt werden können. Eines davon war Österreich. Aber selbst Wien folgte im Jahr 2015 den anderen Ländern und beschloss für 2018 ein generelles Rauchverbot. Genau das wird nun in Zweifel gezogen, da die Parteien über eine neue Regierung verhandeln. Denn die FPÖ hat im Wahlkampf versprochen, das Verbot abzuschaffen.

Ungläubig beobachten in ganz Europa Fachkreise, die sich mit öffentlicher Gesundheit auseinandersetzen, diese Entwicklung. Einerseits kann man nicht recht glauben, dass Österreich – ein Land, das so viel in seine Gesundheitsvorsorge investiert hat – etwas unternehmen würde, was die Gesundheit seiner Bevölkerung derart gefährden würde. Andererseits fragen sich viele, wie österreichische Politiker ihre Reputation aufs Spiel setzen können, indem sie gemeinsame Sache mit den globalen Tabakkonzernen machen. Das sind Unternehmen, die in Korruption, Schmuggel und Lügen über wissenschaftliche Erkenntnisse involviert waren, ja sogar – wie ein US-Richter 2006 feststellte – in Schutzgelderpressungen. Deren Verhalten war der Grund dafür, dass Österreich die Rahmenkonvention der Weltgesundheitsorganisation (WHO) zur Tabakkontrolle unterschrieben hat. In dieser sind die Staaten übereingekommen, den Einfluss der Tabakindustrie auf alle Regelungen, die den Bereich Tabak betreffen, auszuschließen.

Harmloses Passivrauchen

Schon bevor das Rauchverbot in Irland in Kraft trat, versuchte die Tabakindustrie mit massiven Ressourcen dagegen vorzugehen. Sie behauptete, dass Passivrauchen im Wesentlichen harmlos sei und im schlimmsten Fall Reizungen auslösen würde. Das war Unfug, und die Tabakindustrie wusste das. Wir fanden heraus, dass ein Unternehmen, Philip Morris, einen geheimen, selbst leitenden Mitarbeitern unbekannten Laborkomplex in Deutschland betrieb, in dem daran gearbeitet wurde, die wachsende Evidenz zu untergraben, dass Passivrauchen tatsächlich gefährlich ist.

Massives Lobbying

Man gab auch enorme Summen für Gruppen wie scheinbar unabhängige Thinktanks aus, die solche Positionen vertraten, oder für Handelsvereinigungen, die angeblich Wirte vertraten, tatsächlich aber von den großen Tabakunternehmen gesteuert wurden. Man betrieb massives Lobbying bei Politikern, auf dass diese Maßnahmen erließen, von denen man wusste, dass sie ineffektiv waren. Dazu gehören Ventilationssysteme und abgetrennte Raucherbereiche. Andere haben bereits geschrieben, dass das ungefähr so sei wie ein abgegrenzter Teil eines Swimmingpools, in den es erlaubt wäre zu urinieren. Und, vor allem, argumentierte man, dass es wenig öffentliche Unterstützung für ein generelles Rauchverbot gebe und die Umsätze von Bars und Restaurants dadurch sinken würden.

Die Schwierigkeit dabei war, dass, sobald ein Land ein Verbot erlassen hatte, die Lügen der Industrie offenbar wurden. Die ersten Beweise kamen aus den Vereinigten Staaten, wo einige Gemeinden und Städte früh Rauchverbote einführten. Dort waren selbst die schärfsten Gegner solcher Verbote erstaunt darüber, was diese auslösten. Die Gesundheitseffekte waren viel größer als erwartet, Herzinfarkte etwa gingen stark zurück.

Heute wissen wir im Gegensatz zu damals, warum das geschah. Selbst kleine Dosen von Rauch, etwa solche, denen ein Nichtraucher in einer verrauchten Bar ausgesetzt ist, können große Veränderungen im Blutbild auslösen und das Risiko eines Gerinnsels erhöhen. Andere Effekte wiederum stellten sich wie erwartet ein, etwa eine Verbesserung der Lungenfunktionswerte des Barpersonals. Mit der Zeit begannen auch die anderen Argumente der Tabakindustrie zu zerbröseln: Bar- und Restaurantumsätze sanken nicht. Inzwischen gibt es eine große Zahl von Studien, die alle – ausgenommen jene, die von der Tabakindustrie in Auftrag gegeben wurden – zeigen, dass die Umsätze sich nicht veränderten oder nach Rauchverboten sogar stiegen. Denn Menschen, die zuvor dem Rauch ausgewichen waren, insbesondere Familien mit Kleinkindern, kamen nun in die Restaurants und gaben dort Geld aus.

Große Zustimmung

Eine 2008 von Zagat erstellte Umfrage unter amerikanischen Spitzenrestaurants machte die Sache ganz klar: "Das Urteil über das Rauchen ist überwältigend: 77 Prozent der Befragten sagten, sie würden weniger auswärts essen, wäre das Rauchen in Restaurants erlaubt. Nur zwei Prozent würden mehr in Restaurants essen, wäre das Rauchen dort erlaubt." Die Tabakindustrie lag also falsch, als sie behauptete, die Menschen würden niemals ein Rauchverbot akzeptieren. Überall, wo ein solches eingeführt wurde, wuchs die Unterstützung dafür sehr schnell – auch unter Rauchern. Beispiel Frankreich: Dort wurde ein Verbot 2008 eingeführt. Vor dessen Inkrafttreten wurde es von 80 Prozent der Nichtraucher unterstützt. Unmittelbar danach stieg die Zustimmung auf 90 und dann auf 94 Prozent. Unter Rauchern waren vor dem Verbot 53 Prozent dafür, danach aber 77 und 2012 sogar 88 Prozent.

Nimmt Österreich sein geplantes Rauchverbot wieder zurück, wird die Tabakindustrie in Ekstase geraten. Denn sie hat beinahe keine Freunde mehr in irgendwelchen Regierungen weltweit. Dafür wird sie sich sicher erkenntlich zeigen. In den europäischen Fachkreisen der Gesundheitsschützer allerdings wird die Reaktion deutlich anders ausfallen. Natürlich würden wir besorgt sein über die vielen österreichischen Bürger, deren Gesundheit unter den Konsequenzen einer solchen Entscheidung leiden würde. Aber noch viel wichtiger: Alle von uns, die sich als Freunde Österreichs verstehen, würden über den Ruf Österreichs in der internationalen Gemeinschaft besorgt sein.

Österreich hat die Wahl: Wird es die Gesundheit seiner Bürger an die erste Stelle setzen oder die Profite von wenigen global operierenden Tabakfirmen? Die Welt wird diese Entscheidung jedenfalls genau beobachten.

Aus dem Englischen von Christoph Prantner. (Martin McKee, 1.12.2017)