"Es stimmt, man trifft nicht viele Menschen, die schon ihr ganzes Leben an ein und derselben Adresse wohnen. In meinem Fall ist es so. Ich bin wirklich von der Geburtenstation hierher in die Löwengasse im dritten Bezirk übersiedelt. Meine Eltern haben diese klassische Altbauwohnung in den 1980er-Jahren gemietet. Irgendwann sind sie ausgezogen, später auch mein Bruder. Ich blieb übrig. Aber es passt mir hier sehr gut.

Tamara Mascara allein zu Haus. Ihren Wohnstil bezeichnet sie als sehr persönlich, eine Mischung aus gutem Kitsch und Shabby Chic. Auf jeden Fall ist es: sehr voll.
Foto: Nathan Murrell

Das Einzige, was mich an einem Umzug reizen würde, wäre herauszufinden, was es bedeutet, in eine Wohnung mit leeren Räumen zu kommen. Um diese Erfahrung beneide ich andere. Aber ich muss sie nicht unbedingt machen, denn ich würde nicht einmal von hier fortziehen, wenn ich Millionen am Konto hätte. Falls doch, wäre mein Wohntraum der oberste Stock in einem Wolkenkratzer in Tokio. Oder ein verlassenes Palais irgendwo in Wien, so eines wie dieses völlig verwachsene drüben in der Landstraßer Hauptstraße. Ich stelle mir das schön vor, in einem Oldtimer samt Chauffeur vorzufahren und mit 'Madame Mascara' begrüßt zu werden. Und in den Kleiderkästen hingen hunderte Pelze.

Aber zurück zu mir in der Löwengasse: Meine Wohnung liegt direkt neben dem Hundertwasserhaus. Von meinem Wohnzimmer aus habe ich einen guten Ausblick darauf. Das Haus bedeutet mir nicht wirklich etwas, aber die vielen Bäume zwischen mir und dem Gebäude sind einfach großartig und lassen mich mitten in der Stadt die Jahreszeiten ganz nah miterleben.

Foto: Nathan Murrell

Mord- und Räubergeschichten gibt's von diesem Haus leider keine zu erzählen, dafür spukt es manchmal in der Wohnung, und ich meine nicht nur das Knarzen des alten Parkettbodens. Einmal stand ich im Bad vor dem Spiegel und merkte, wie jemand durchs Vorzimmer huschte. Im Ernst! Als ich nachgesehen habe, war niemand da. Und manchmal höre ich ein Geräusch, das klingt, als würde etwas herunterfallen, was aber nicht passiert.

Sehr persönlich

Die Wohnung misst insgesamt 125 Quadratmeter, es gibt ein Atelier, in dem ich sehr viel nähe und wo man Unmengen von Stoffen, Kleidern, Fäden etc. finden kann.

Foto: Nathan Murrell

Daneben liegt mein Wohnzimmer, in dem es neben meiner gemütlichen Couch, einigen alten Möbeln und einem großen Bücherregal einen alten, braunen Kachelofen gibt. In diesem Zimmer befindet sich auch mein Schminktisch mit allen dazugehörigen Utensilien. Dazu kommen eine Art Gästezimmer, mein Schlafzimmer, wo auch mein Youtube-Studio untergebracht ist, ein Klopfbalkon, den ich vor allem im Sommer sehr schätze, das WC, ein Bad und eine geräumige Küche, in die ich manchmal Freunde einlade.

Die kommen allerdings eher zum Trinken als zum Essen. Ich nenne sie "meine Partymäuse". Ich möchte hier eigentlich nichts verändern, außer das Bad und die Küche. Dort müsste man längst investieren, aber meistens wird aus dem Geld dann doch eine neue Tasche für Tamara, anstatt das Geld für eine Renovierung zu sparen.

Tamara Mascara bei der Arbeit in ihrer Wohnung, wo gewohnt, geschminkt, genäht, gebügelt und designt wird.
Foto: Nathan Murrell

Meinen Wohnstil würde ich als sehr persönlich bezeichnen, eine Mischung aus gutem Kitsch, Shabby Chic, Dingen, die noch von meinen Eltern stammen, und vielen Objekten, die im Laufe meines Lebens zusammengekommen sind. Die Möbel mit dem Wiener Geflecht im Wohnzimmer habe ich mir zugelegt, weil ich es wichtig finde, auch die Stadt mit ins Wohnen einzubeziehen. Ich halte nichts davon, in Wien zu leben und sich wie auf einer Ranch in Texas einzurichten.

Fotograf Nathan Murrell besuchte Dragqueen und DJane Tamara Mascara in ihrer Wohnung im dritten Bezirk in Wien.
Foto: Nathan Murrell

Eine Definition fürs Wohnen zu finden ist nicht leicht. Für mich ist die Wohnung neben Clubs und diversen Bühnen ja auch Arbeitsplatz. Ich würde das Wohnen am ehesten mit Einkapseln vergleichen, ein Einkapseln vor der Welt da draußen.

Ich mag auch das ganze Grätzel hier sehr gern. In manchen anderen Bezirken ist es viel schwieriger, in einem schrägen Fummel ins Taxi zu steigen. Also am Praterstern zum Beispiel kommt das nicht so gut. Hier ist das angenehmer. Ich hatte noch nie ein Problem. Und Wien liebe ich sowieso, ich brauche weder London, Paris noch New York. Da ist mir Wien lieber. Aber Deppen gibt's natürlich überall." (Michael Hausenblas, RONDO Open Haus, 6.12.2017)

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