Früher wurde angenommen, dass der Vollmond oder eine andere Lichtquelle das Schlafwandeln auslöst. Deshalb wurde das Phänomen auch Mondsucht genannt.

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Das Phänomen des Schlafwandelns kennen die meisten Menschen nur aus Literatur und Film: Lediglich ein bis drei Prozent aller Erwachsenen sind tatsächlich davon betroffen. Der Nachwuchs ist hingegen deutlich häufiger auf diese Weise nachtaktiv: "Schlafwandeln kommt bei bis zu 30 Prozent der Kinder vor, besonders in der Pubertät", sagt Alexander Kunz, Facharzt an der Universitätsklinik für Neurologie des Uniklinikums Salzburg.

Schlafwandeln, auch Somnambulismus genannt, tritt normalerweise während der Tiefschlafphase, die sich eher auf die erste Nachthälfte verteilt, auf. Allerdings befinden sich nicht alle Teile des Gehirns im Tiefschlaf, manche Gehirnareale sind in der Wachphase. Dieser Zwischenzustand führt dazu, dass Betroffene aufstehen, sich bewegen oder sprechen. Und zwar, ohne es zu merken oder sich später daran zu erinnern.

Denn: Schlafwandler haben keine beziehungsweise maximal eine rudimentäre Wahrnehmung von ihrer Umgebung, da sie sich ein Teil des Gehirns im Tiefschlaf befindet. "Auch die Wahrnehmung von Temperatur oder Schmerzen ist gestört", erklärt Birgit Högl, Präsidentin der Österreichischen Gesellschaft für Schlafmedizin und Leiterin der Schlaflabors und der Spezialambulanz für Schlafstörungen der Uniklinik Innsbruck.

Verletzungsgefahr durch Erschrecken

An der landläufigen Meinung, dass Schlafwandler nicht geweckt werden sollten, ist tatsächlich etwas dran. Die pragmatische Erklärung dafür: Sie können sich erschrecken, im halbwachen Zustand heftig zur Wehr setzen oder in Panik geraten. Weil sich Schlafwandler meist außerhalb der sicheren Umgebung des eigenen Bettes befinden, besteht dabei eine reale Verletzungsgefahr.

Dem Mythos, dass Schlafwandlern ohnehin nichts passieren kann, widersprechen die Experten. Typische Beispiele für Unfälle von nachtwandelnden Personen: Sie laufen gegen die Wand, prallen gegen den Türstock oder stürzen im schlimmsten Fall vom Balkon. Högl zufolge könne das Aufwecken außerdem zu einem verwirrten, möglicherweise aggressivem Zustand führen, in dem der Betroffene sich selbst oder andere unabsichtlich verletzt.

Der richtige Umgang mit Schlafwandlern

Wie sollte man mit Schlafwandlern umgehen? "Ganz vorsichtig an der Hand nehmen und ins Bett zurückführen", raten die Experten. In den meisten Fällen schlafen die Betroffenen danach weiter. Da es keine wirklich gute medikamentöse Therapie gebe, würden vor allem Eigenschutzmaßnahmen helfen. Der erste wichtige Schritt lautet: Dem Bettpartner und Angehörigen Bescheid geben, damit sie sich auf die Situation einstellen können.

Darüber hinaus gibt es praktische Maßnahmen wie Spezialmatratzen die klingeln, sobald der Schlafwandler aufsteht. Alexander Kunz ergänzt: "Wir empfehlen unseren Patienten außerdem, Schlafzimmertür, Fenster und Balkontür von innen zu verschließen und den Schlüssel in einen Krug mit Eiswasser zu geben." (Maria Kapeller, 8.12.2017)