Auf den ersten Blick ist es eine Sensation, auf den zweiten eher eine Mogelpackung. Oder, technischer gesprochen: Auf den ersten Blick ist es ein Schritt mit weitreichenden politischen Konsequenzen, auf den zweiten ein symbolischer Akt. Zumindest vorerst. Der US-Präsident erkennt Jerusalem als israelische Hauptstadt an, inklusive jener Teile, die laut Völkerrecht "besetzt" sind. Er hält jedoch daran fest, dass das Schicksal der Stadt Gegenstand von israelisch-palästinensischen Verhandlungen sein soll, er beabsichtigt nicht, den Ausgang zu präjudizieren. Gleichzeitig wollen ja die Palästinenser Ostjerusalem als Hauptstadt oder, realistischer, eine Hauptstadt "in Ostjerusalem".

Donald Trump macht den Schritt einstweilen nur mit einem Bein, das zweite zieht er diesmal noch nicht nach: Trotz der Anerkennung wird er zum zweiten Mal in seiner Amtszeit den berühmten "waiver" unterzeichnen, der die Übersiedlung der US-Botschaft von Tel Aviv nach Jerusalem aufschiebt, die der US-Kongress vor 22 Jahren beschlossen hat. Allerdings soll es das letzte Mal sein, das State Department soll beauftragt werden, die Frage eines Botschaftsgebäudes in Jerusalem anzugehen. Das kann jedoch dauern.

Ein Spagat

Der Druck auf Donald Trump, etwas von seinen Israel während des Wahlkampfs gegebenen Versprechen einzulösen, ist offenbar zu groß geworden, um den Aufschub unkommentiert zu verlängern – der Druck, im Nahen Osten die US-Interessen zu schützen, ist jedoch deswegen um nichts geringer. Trump versucht beides.

Zu den selbstproklamierten Politikzielen Trumps im Nahen Osten gehört der "große Deal": Der Friedensschluss zwischen Israel und den Palästinensern wäre dabei quasi ein Nebenprodukt der neuen großen strategischen Allianz zwischen Arabern und Israel – gegen den Iran. Letzteres ist kein Hirngespinst Trumps: Vor allem die jüngere Führungsriege in Saudi-Arabien und den Vereinigten Arabischen Emiraten hat sich längst von dem Gedanken verabschiedet, dass Israel ihr größter Feind ist. Aber der israelisch-palästinensische Konflikt hängt wie ein Klotz an ihrem Bein und behindert sie in den strategischen Möglichkeiten.

Manipulierte öffentliche Meinung

Denn selbst wenn manchen arabischen Politikern die palästinensische Frage eigentlich nur mehr lästig ist, können sie nicht darauf vertrauen, dass sie die öffentliche Meinung darüber im Griff haben: Jahrzehntelang haben die undemokratischen Regime der Region im Tandem mit den Islamisten diese öffentliche Meinung manipuliert und instrumentalisiert. Und wenn man sich gar nicht darum kümmert, überlässt man das Thema – Teheran.

Die Araber haben sich vom israelisch-palästinensischen Konflikt, der bei weitem nicht mehr der brennendste in der Region ist, weitgehend abgekoppelt. Es gibt aber ein Thema, dem sie alle nicht auskommen, im Grunde genommen das einzige, das den nationalen Konflikt zwischen Israelis und Palästinensern auf eine internationale Ebene hebt. Und das ist Jerusalem.

Trump riskiert nun zweierlei: den israelisch-palästinensischen Konflikt wieder scharfzumachen, mit allen Konsequenzen, etwa dem Zusammenbruch der Palästinensischen Autonomiebehörde. Und falls es zur großen islamischen Empörung kommt, dann ist es zweitens auch mit den Plänen für den "großen Deal" vorbei.

Viele Israelis, Juden und Jüdinnen weltweit mögen sich darüber freuen, was ihnen Trump nun gibt. Es ist jedoch einstweilen nicht viel mehr als ein rein theoretisches Nachvollziehen der Realitäten am Boden, eine Anerkennung mit hohem emotionalem Wert, aber ohne praktischen Nutzen. Und hoffentlich nicht mit einem allzu hohen Preis. (Gudrun Harrer, 6.12.2017)